»David-Sternsche klingt irgendwie frankfurderisch?« Diese Frage wird in einer neuen Broschüre über jüdisches Leben in der Mainmetropole gestellt – und beantwortet. Denn »David-Sternsche, Kippa und Schabbat klingen einfach frankfurterisch«, behaupten die Verfasser der 64 Seiten umfassenden Publikation. Sie haben Recht: Jüdisches Leben gehört zu Frankfurt wie die Paulskirche und das Bethmännchen. Denn da, wo die historischen Wurzeln der Mainmetropole in der Altstadt liegen, finden sich seit dem 12. Jahrhundert auch die ersten Spuren jüdischen Lebens.
Mit der reich illustrierten Broschüre will die Stadt in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde jüdisches Leben gestern und heute noch bekannter machen. »Seit mindestens 900 Jahren ist jüdisches Leben Teil der Identität in unserer Stadt«, sagt Uwe Becker bei der Online-Präsentation der Broschüre. Dennoch sei das Wissen über »die jüdischste Stadt« in Deutschland bei zu vielen Menschen immer noch oberflächlich oder gar nicht vorhanden, so der Frankfurter Bürgermeister und Kirchendezernent. Die Broschüre mit dem Titel »Jüdisches Leben in Frankfurt – Orte, Traditionen, Geschichten« wolle wie »ein Schaufenster« die Vielfalt jüdischen Lebens zeigen.
Ansehen »Ohne die jüdische Gemeinschaft wäre Frankfurt sicherlich nicht die Stadt, wie wir sie heute kennen«, sagt Salomon Korn. Kultur, Wissenschaft, Politik, Lehre und Wirtschaft waren von jeher maßgeblich von jüdischen Vertretern geprägt, so der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Philosophen wie Theodor W. Adorno (1903–1969) und Max Horkheimer (1895–1973) als führende Köpfe der »Frankfurter Schule« hätten das Frankfurter Geistesleben weit hinaus bekannt gemacht, so Korn.
Die Broschüre will wie »ein Schaufenster« die Vielfalt jüdischen Lebens zeigen.
Er erinnerte auch daran, dass jüdische Mäzene und Lehrstuhlinhaber zum Wirken der Goethe-Universität beigetragen haben. Für die Gegenwart wünscht sich Salomon Korn »mehr Sichtbarkeit jüdischen Lebens in der Stadt«. Es sei kein Problem, sich mit Kippa oder Magen David in der Mainmetropole zu zeigen.
Börneplatz Dennoch möchten die Stadt und die Jüdische Gemeinde mit der Broschüre ein Zeichen auch gegen Antisemitismus setzen. Becker kritisierte, dass sich die Stadt Frankfurt nach der Schoa »nicht wirklich auf die Verluste jüdischen Lebens« besonnen habe. So sei die Paulskirche als Ort der Nationalversammlung bald wiederaufgebaut worden, die zerstörte Synagoge am Börneplatz jedoch nicht.
Neugierig macht die Broschüre in ihrer Gliederung mit Stichworten wie »Gemeinsame Geschichte«, »Entdecken«, »Erleben«, »Erinnern« auf ein Geschichtsbuch besonderer Art. Berichtet wird über die Historie jüdischen Lebens ab dem Jahr 1150, über die Schutzmacht durch Kaiser Friedrich II. und die ersten Pogrome. Doch in der wirtschaftlich florierenden Messestadt siedelten sich erneut Juden an.
Zuwanderung Auch wenn sie immer zum Zielobjekt von Neid, Missgunst und Ausgrenzung wurden. Von mehr als 12.000 jüdischen Verschleppten in der Nazizeit kehrten nur 179 Personen nach Frankfurt zurück: bereit, eine neue Gemeinde zu gründen. Doch erst durch die Zuwanderung der Kontingentflüchtlinge wuchs die Gemeinde auf heute 6500 Mitglieder.
Und die zeigen sich nahbar, auch in der Broschüre. Fiszel Ajnwojner, Aufseher und Gabbai in der Westend-Synagoge, stellt sich vor, Barbara Bisicky-Ehrlich, Synchron- und Werbesprecherin, und der Modedesigner Chen Jerusalem. Erzählt wird vom Nachwuchs im Kindergarten und dem reichen kulturellen und sozialen Leben in der Gemeinde, das fest in die Bürgergesellschaft integriert ist.