Wenn der bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Landgerichts München I, Beatrix Schobel, die Präsidentin der Rechtsanwaltskammer München, Anne Riethmüller, und die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, Ursula Matthiessen-Kreuder, zu einem gemeinsamen Termin in den Justizpalast kommen, muss der Anlass ein wichtiger sein.
Tatsächlich hatte man zur Eröffnung einer Wanderausstellung über »Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft« eingeladen: In 17 Porträts wird dargestellt, wie diese Frauen aus der ersten Generation von Juristinnen in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts zunächst gegen viele Widerstände um ihre Ausbildung und dann um ihre berufliche Anerkennung kämpfen mussten – um schließlich ab dem Jahr 1933 alles zu verlieren.
Eröffnung der neuen Dauerausstellung
Im Lichthof des Justizpalastes, den sie als Richterin täglich passiert, begrüßte Mitorganisatorin Beatrix Schobel zahlreiche hohe Repräsentanten ihres Berufsstandes. Sie erinnerte an die Eröffnung der neuen Dauerausstellung im Haus, Willkür im Namen des Deutschen Volkes, und wies darauf hin, dass die aktuelle Sonderausstellung über das Schicksal jüdischer Frauen aus den ersten Generationen von Juristinnen »auf eine der dunkelsten Zeiten unserer Geschichte« hinweise. Sich damit zu beschäftigen, sei wichtiger denn je, und alles müsse nun getan werden, um »den sich gerade auch in Deutschland zeigenden Antisemitismus auf allen Ebenen zu bekämpfen«. Für Schobel ist in diesem Kampf »Wissen und somit auch Wissen um das geschehene Unrecht« ein wichtiges Mittel.
Dem Berufsverbot in der NS-Zeit sollten weitere Repressalien folgen.
Das sah der bayerische Justizminister ebenso. Georg Eisenreich erinnerte an das verheerende »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933, das dazu diente, Jüdinnen und Juden aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen. Im Münchner Justizpalast begann das Unrecht sogar noch früher mit einem Betretungsverbot für jüdische Anwältinnen und Anwälte. Dem Berufsverbot sollten weitere Repressalien folgen.
Die aktuelle Ausstellung fokussiert, was dies für Frauen mit jüdischem Background bedeutete, die doch gerade erst begonnen hatten, eine Erfolgs- und Emanzipationsgeschichte für das Rechtswesen aufzubauen. Eisenreich resümierte: »Frauen, die ihr Leben in den Dienst des Rechts gestellt hatten, wurden selbst ihrer Rechte beraubt, verfolgt, ermordet. Schafften sie es ins Exil, mussten sie erneut studieren oder Prüfungen ablegen, um wieder juristisch tätig sein zu können.«
Rückblick und zentrale Botschaft
Der Rückblick auf »die Pervertierung der Justiz und des Rechtssystems, die furchtbaren Verbrechen des NS-Regimes« mündete für den Justizminister in einer zentralen Botschaft: »Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat, Frieden und Freiheit müssen Tag für Tag verteidigt werden.«
Für IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, Tochter eines Rechtsanwalts, der »sein gesamtes Berufsleben der Jurisprudenz gewidmet hat«, war die Unterstützung dieser Ausstellung ein Herzensanliegen. Kaum ein Jahrzehnt, nachdem angehende Juristinnen die Türen zur Anwaltschaft für sich geöffnet hatten, »baute ein repressiver Staat unter nationalsozialistischer Führung neue Mauern um sie – diesmal wegen ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft«.
Georg Eisenreich erinnerte an das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«.
Knobloch ist dankbar dafür, »wieder in einer Gesellschaft des Rechts zu leben«, die auf der »Maxime der Menschlichkeit« beruhe. »Auf diesem Prinzip«, so fuhr die IKG-Präsidentin fort, baue »seit fast 75 Jahren eine Demokratie auf, in der alle Bürger gleiche Rechte genießen – egal, welches Geschlecht sie haben oder woran sie glauben«.
Wie beschwerlich der Weg für Frauen war, machte Ursula Matthiessen-Kreuder, deren Vorgängerin im Amt als Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes die Wanderausstellung initiiert hatte, in ihrem Einführungsvortrag deutlich. Das Frauenwahlrecht gebe es in Deutschland erst seit 1919, die Zulassung von Frauen zu beiden juristischen Staatsexamen erst seit 1922. Das Jahr 1933 habe das Ende bedeutet, auch wenn einige Juristinnen noch für kurze Zeit als Konsulentinnen beratend tätig waren.
Lucy Liefmann (Frankfurt) beging wohl Suizid. Elisabeth Kohn, Ella Kessler-Reis, Erika Sinauer wurden deportiert und ermordet. Erna Scheffler, Tochter eines jüdischen Vaters, tauchte unter. Ende Mai 1945 kehrte sie in den Justizdienst zurück und wurde 1951 Richterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Hanna Katz emigrierte in die USA und legte nach erneutem Studium 1946 mit 50 Jahren ihr Examen gemäß amerikanischem Recht ab. Manche kehrten auch zurück, wie Nora Platiel, die es zur Landgerichtsdirektorin und dann zur Richterin am Staatsgerichtshof in Hessen brachte.
Die Ausstellung im Justizpalast, Prielmayerstraße 7 (am Stachus), ist bis 21. Dezember von Montag bis Donnerstag von 8 bis 15 Uhr sowie am Freitag von 8 bis 14 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei, ein Personalausweis ist erforderlich.
Deutscher Juristinnenbund e. V. (Hrsg.): »Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft«. C. H. Beck, München 2019, 136 S. (zu beziehen über den Herausgeber, Bestell-Nr. 33969)