Als Racheli Hefter zum ersten Mal den traditionellen Makkabi-Gruß »Makkabi chai!« anstimmte, fielen ihre Mitspielerinnen nur zaghaft ein. Das war im August 2013. Jüdischer Sportverein, Hebräisch, Makkabäer – kaum eine Fußballerin der frisch gegründeten Frauenmannschaft von Makkabi Berlin konnte damals etwas damit anfangen. Was die Frauen anfangs zusammenbrachte, war die Liebe zum Fußball. Doch was sie gut ein Jahr später verbindet, ist weitaus mehr. Zusammenhalt, Teamgeist und Offenheit, vor allem aber Spaß.
So ist die anfängliche Neugier einer Vertrautheit gewichen, miteinander, aber auch mit jüdischen Traditionen. Training zweimal pro Woche plus Weihnachten, Chanukka und Purim – das schweißt zusammen. Als Chabad an Purim kleine Geschenke, »Mischloach Manot«, ins Makkabi-Klubhaus nach Charlottenburg brachte, lösten sich die anfänglichen Unsicherheiten vollends in Begeisterung auf.
Inzwischen kommt der Gruß »Makkabi chai!« bei allen Spielerinnen ungezwungen und von Herzen – bei jedem Turnier und auch beim Training an diesem Montagabend auf dem Makkabi-Klubgelände. Jede der 16 Fußballerinnen weiß, dass er übersetzt »Makkabi lebt!« bedeutet, wer die Makkabäer waren und dass TuS Makkabi Berlins einziger jüdischer Sportverein ist.
gründung Dass Makkabi Berlin seit Kurzem überhaupt Frauenfußball anbietet, geht auf eine Initiative von Racheli Hefter zurück. »Erst wollte ich einen Verein finden, der schon eine Frauenmannschaft hat. Doch dann kam ich auf die Idee, selbst eine zu gründen. Da ich jüdisch bin, lag Makkabi auf der Hand«, erzählt Hefter, während sie am Tor lehnt. Derzeit kommen Spiele für die 29-Jährige nicht infrage. Racheli ist schwanger. Vom Spielfeldrand aus zuzuschauen, fällt ihr sichtlich schwer.
Geboren in Tel Aviv, aufgewachsen in Oberfranken, ist die Tochter einer Israelin und eines Deutschen zufällig zum Fußball gekommen – erst in der Mädchenmannschaft ihrer Schule, später beim Unisport an der FU Berlin. Fußball gefiel ihr so gut, dass sie mehr wollte – regelmäßiges Training, ein festes Team, Ligaspiele. Also hat sie kurzerhand Bekannte angesprochen, Anzeigen ans Schwarze Brett der Uni geheftet und ihren Freund als Trainer engagiert.
Dass sie nun bei Berlins jüdischem Fußballklub spielen dürfe, empfindet Racheli als Glückstreffer. »Der Verein hat uns von jeher den Rücken gestärkt. Mit Trainingszeiten, dem Platz, mit Trikots«, erzählt die Wahl-Berlinerin begeistert.
Dabei war Makkabi-Mitarbeiterin Beate Schmidt anfangs eher skeptisch: »Lauter Frauen, ob das gutgeht?« Doch inzwischen ist die Teamassistentin der größte Fan »ihrer Mädchen«. Vor allem wegen des »einmaligen Zusammenhalts« unter den Frauen. Das gute Klima führt Schmidt unter anderem auch auf Trainer Martin Popov zurück. »In meinen früheren Fußballmannschaften hatte ich immer Schreitrainer«, erzählt Popov. »So einer will ich nicht sein.« Er erklärt lieber geduldig, rennt mit, feuert an, hakt nach, lockt die Fußballerinnen aus der Reserve. Alles ohne Drill.
ausdauer Für Spielerin Nina Roth ist das genau die richtige Strategie. Die Studentin hat gerade den Ausdauer-Parcours hinter sich und ist ein wenig aus der Puste. Sie gesellt sich zu Racheli, kickt den Ball ein paar Mal hin und her und schwärmt vom Frauenfußball. »Fußball ist einfach cool. Gerade als Frau. Man kann sich richtig austoben.«
So spielen einige der Frauen zum ersten Mal in einem Verein. Für andere hingegen dreht sich alles nur um Fußball: Sie verehren internationale Spieler wie Mario Balotelli oder Arjen Robben, fachsimpeln über Bundesligaergebnisse und fiebern beim Champions-League-Finale mit. Während manche von ihnen einfach nur Spaß haben wollen, träumen andere vom Aufstieg in die 2. Bezirksliga.
Fußballbegeistert aber sind alle Frauen hier. Das Team von Trainer Popov ist mittlerweile zu einem ernst zu nehmenden Team zusammengewachsen. Nach dem direkten Einstieg in die Rückrunde der 3. Berliner Bezirksliga im März traut sich das Team inzwischen auch mehr zu – zumal nach dem ersten Turniersieg am vergangenen Sonntag. Derzeit spielt die Mannschaft noch ohne Wertung. Doch das soll sich ab Herbst ändern.
»Technik, Passhärte, Stellungsspiel – jetzt können wir mit anderen Berliner Frauenmannschaften mithalten, auch dank erfahrener Spielerinnen wie Alicia Brudley«, so Popov. Nach Racheli Hefter kam die 24-jährige Amerikanerin als zweite jüdische Spielerin ins Team. Vor zwei Wochen gewann Brudley sogar mit den deutschen Makkabi-Frauen in London das europäische Hallenfußball-Turnier. »Frauenfußball ist in den USA viel verbreiteter als hier«, sagt sie. Umso glücklicher ist sie darüber, bei Makkabi von Anfang an dabei zu sein.
»Daran hat Makkabi einen großen Anteil«, wirft Racheli ein. »Klubchef Isaak Lat kommt zu jedem unserer Auswärtsspiele, sagt uns durchs Mikrofon an, bringt uns in der Halbzeitpause Äpfel und Bananen. So viel Interesse und Wertschätzung habe ich bisher in keinem anderen Verein erlebt«, so die Teamgründerin.
gemeinschaft Doch die Frauen spielen nicht nur begeistert Fußball. Sie sind auch Freundinnen, die zusammen feiern, kochen und WM-Tipps abgeben. »Wenn wir nicht gerade trainieren, schauen wir uns jedes WM-Spiel gemeinsam an«, erzählt Andrea Galvis. Die Puerto Ricanerin lebt seit drei Jahren in Berlin. Ihr Vater ist Kolumbianer, ihr Freund Grieche, sie selbst schwärmt für Italien. Dass Makkabi ein jüdischer Verein ist, spielte anfangs für sie kaum eine Rolle. Doch das hat sich inzwischen geändert.
»Auf unserer ›Weihnukkafeier‹ hat uns Racheli von den Makkabäern erzählt, und wir haben Sufganiot gegessen«, berichtet Andrea. Sie findet es mittlerweile genauso »cool«, zu einem jüdischen Verein zu gehören, wie Fußball zu spielen. Und wenn Alicia und Racheli im Sommer 2015 auch bei den Europäischen Makkabi-Spielen in Berlin dabei sein sollten, will das ganze Team sie anfeuern – hier in Charlottenburg.