»Schalömchen Köln« steht in großen Lettern auf den blau gefärbten Seitenwänden einer eigens gestal-teten Stadtbahn, die seit einigen Tagen im Liniennetz der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) eingesetzt wird. Die Spitze der Bahn ziert ein Davidstern.
Neben dem Schriftzug »m2 – miteinander – mittendrin – Für Demokratie – gegen Antisemitismus und Rassismus« und der damit verbundenen Werbung für die »Informations- und Bildungsstelle gegen Rechts-extremismus« weist die Bahn zudem auf das bevorstehende Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« hin.
»Diese Bahn ist ein klares Bekenntnis zu unseren jüdischen Kölnerinnen und Kölnern«, stellte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei der Inbetriebnahme des Fahrzeugs vergangene Woche fest. »Es ist ein Bekenntnis zu unserem jüdischen Erbe. Wenn wir uns gegen Antisemitismus und Rassismus wenden, fördern wir auch den Erhalt unserer Demokratie.« Zwei Jahre lang wird die – technisch gesprochen – Niederflurbahn auf zentralen Strecken verkehren, die die Rheinmetropole von Nord nach Süd sowie Ost nach West verbinden, und so ein klares Zeichen gegen Antisemitismus und Diskriminierung setzen.
LINIENNETZ Stefanie Haaks, die Vorsitzende des Vorstands der KVB, die mit über 380 Bahnen das rund 250 Kilometer lange Liniennetz in Köln bedienen, betont: »Wir stehen als KVB für nationale und religiöse Vielfalt.« Respekt und Toleranz seien wesentliche Merkmale der Kultur des Verkehrsunternehmens, in dem Menschen aus mehr als 30 Ländern beschäftigt sind.
»Die Bahn soll ein Zeichen sein, dass wir zur Mitte dieser unserer Gesellschaft gehören.«
Felix Schotland, SGK
Das würdigte auch Andrei Kovacs. Der Geschäftsführer des Vereins »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« sieht in dem von KVB, Synagogen-Gemeinde (SGK) und Stadt Köln initiierten Stadtbahn-Projekt »ein selbstbewusstes Zeichen für jüdisches Leben in Köln und gegen Antisemitismus«.
Felix Schotland, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde, unterstrich: »Die Bahn soll ein Zeichen sein, dass wir zur Mitte dieser unserer Gesellschaft gehören und in den vergangenen 1700 Jahren einen erheblichen Teil zur Entwicklung unserer Heimatstadt Köln beigetragen haben.« Antisemitismus solle »in unserer Stadt keine noch so klitzekleine Berechtigung finden«. Die Bahn solle darüber hinaus dazu beitragen, »dass Hass und Hetze kein Teil der Kölner Lebensart, kein Teil des Kölner Denkens und der Kölner Politik sind«.
ALTSTADT Und was sagen die Fahrgäste? Am Zülpicher Platz und am Rudolfplatz in der Kölner Innenstadt kommt die Tram gut an. »Schön, einfach nur schön«, bewertet die 57-jährige Liane Pohl die Ak-tion. »Das ist doch super«, entfährt es Noah, dem Schüler einer Kölner Gesamtschule, und mit hörbaren Stolz ergänzt der Jugendliche: »Ich kenne auch das ehemalige jüdische Viertel am Rathaus in der Altstadt.«
Sein Mitschüler Felix freut sich auf das Festjahr und findet es »einfach nur toll«, dass ein Jahr lang gefeiert werden soll. Lilly, die Klassenkameradin der beiden Jungen, hofft nur, »dass trotz Corona alles wie geplant stattfinden kann oder sonst hoffentlich verschoben und nicht abgesagt wird«.
Viele Fahrgäste finden die Aktion der Bahn richtig gut.
Thomas Naujoks begrüßt die Aktion mit dem Stadtbahnwagen. Der 51-jährige Kölner bekennt freimütig: »Ich wusste bislang nicht, dass Juden schon seit 1700 Jahren hier sind.« Gut findet er auch, »dass unsere Oberbürgermeisterin so dahintersteht«.
REAKTIONEN Sehr angetan von dem Niederflurwagen ist auch Annika Stregger. Die 27 Jahre alte Geschichtsstudentin räumt ein, dass ihr erst an der Universität in einem Seminar über mittelalterliche Geschichte bewusst geworden sei, »dass Juden, jüdisches Leben und Gemeinden schon so lange in Köln sind«. Das werde in ihren Augen leider viel zu wenig thematisiert, weil jüdisches Leben meist nur im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus gesehen werde. »Dass Juden seit 1700 Jahren fester Bestandteil nicht nur dieser Stadt, sondern unserer Gesellschaft überhaupt sind, muss gerade in der heutigen Zeit viel mehr in die Öffentlichkeit.«
Das sieht auch Anni Schorn so. Die 87-jährige Rentnerin hat viel erlebt in ihrem langen Leben: »Ach, die Juden. Die werden immer verjagt, wo sie sich gerade aufhalten. Das muss doch endlich aufhören!« Sie hofft, dass mit solchen Aktionen wie der eigens gestalteten Bahn ein Beitrag dazu geleistet werden kann.
Ob das gelingen wird? Er habe schon eine Reihe von kritischen Stimmen gehört, berichtet Tobias Hartung. Der studierte Landschaftsarchitekt, der gerade auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist, findet es nach eigenem Bekunden »einfach nur beknackt«, dass es Leute gibt, die sich darüber beklagen, dass Juden durch solche Aktionen herausgestellt würden, andere aber nicht. Der 24-Jährige findet die »Message« der Bahn »richtig gut« und verabschiedet sich beim Einsteigen in die Bahn mit einem freudigen »Schalömchen!«.