Jewrovision

»Einfach nur super!«

Wollen den Titel verteidigen: die Gewinner von 2019, Olam Berlin Foto: Gregor Zielke

Daniel Schwarz saß gerade in der Bibliothek, um in Ruhe an seinen Texten für die Moderation der Jewrovision zu feilen, als der Anruf kam: Abgesagt! Das war im März 2020. Eine Woche zuvor war der Student, der zusammen mit zwei Roschim, Leitern, das Gelsenkirchener Jugendzentrum betreut, noch in Berlin gewesen, um die Startfolge der Teilnehmer zu ziehen und zu verkünden.

»Ich war damals – wie alle – ziemlich überrascht, andererseits war es ja klar, dass die Veranstaltung mit so vielen Menschen aus ganz Deutschland nicht mehr stattfinden konnte«, sagt der 20-jährige Schwarz heute, der auch als Musiker unter dem Künstlernamen Dan bekannt ist.

Nun ist er wieder überrascht. »Sonst wurde immer schon etwas früher das Datum der ›Jewro‹ verkündet; da nichts kam, dachte ich, dass sie wieder ausfallen würde.« Sein erster Gedanke bei der Nachricht, dass sie 2022 doch stattfindet, war: »Februar ist sehr zeitnah.« Sein zweiter: »Einfach nur super!«

Er würde sich freuen, wenn er noch einmal die Möglichkeit bekäme, die Jewrovision zu moderieren, sagt er im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Gerade eben hat er erfahren, dass das der Fall sein wird – er wird durch die Show führen.

MOTTO Bisher gab es noch keine Gelegenheit, mit den Jugendlichen zu besprechen, ob ein neues Video produziert wird, und was für ein Beitrag zu dem Motto »The Show must go on« auf der Bühne gefeiert werden könnte. Aber das wird bald im Juze nachgeholt. Am 12. Februar 2022 soll in Berlin nach zwei Jahren Pause wieder der größte jüdische Gesangswettbewerb Europas stattfinden. Etwa 1200 Jugendliche aus insgesamt 60 jüdischen Jugendzentren werden zu dem Event erwartet.

Als die gute Nachricht kam, haben einige geweint vor Freude.

»Die Kinder sind ausgerastet«, sagt Natascha Tolstoj, Madricha und eine der drei Leiterinnen des Jugendzentrums in Dortmund. Die drei wurden zuvor in einer E‑Mail vom Zentralrat der Juden in Deutschland informiert. Der Zentralrat richtet die Show seit 2013 aus.

Vor allem die, die vor knapp zwei Jahren so intensiv an ihrer Bühnenshow gearbeitet haben, sind nun glücklich. »Einige haben geweint vor Freude«, sagt Natascha. Eines steht auch schon fest: Ein Casting wird es nicht geben, da die Zeit nicht mehr reicht, es müsse rasch mit den Proben losgehen. »Wir brauchen jeden, der mitmachen möchte«, sagt die Studentin.

2G-REGEL Denn jeder muss vollständig geimpft oder genesen sein, um teilnehmen zu können, weshalb die Altersbeschränkung nun eine andere ist als in den vergangenen Jahren. Zwischen zwölf und 20 Jahren kann jeder mitperformen. Die 2G-Regel sei ein bisschen problematisch, denn es seien viele noch nicht geimpft. In diesen Tagen mussten die möglichen Songs bereits geblockt werden, so Natascha, denn schließlich sollen bei der Show die Titel nur einmal erklingen.

»Eine Playlist haben wir unter uns bereits geteilt.« Ältere Songs von Madonna oder Rihanna entsprächen dem Geschmack der Dortmunder. Beschlossen sei bereits, dass die Jugendlichen vom Bochumer und Dortmunder Jugendzentrum wieder ein Team bilden, sagt Maria Marduhaev, die ebenfalls dem Leitungsteam angehört.

Eventuell werde ein Teil des damaligen Auftritts mit in den neuen integriert.
Auf jeden Fall hätten Lisa, Maria und Natascha auch viel gelernt, nämlich, dass es wichtig sei, die Aufgaben gut zu verteilen, damit es nicht so stressig wird. Das erhält nun eine neue Bedeutung. »Früher hatten wir immer gedacht, dass wir so viel wie möglich selbst machen müssen.«

ZEITDRUCK »Der Zeitdruck ist hoch, denn in vier Monaten ist es so weit«, sagt Zvi Bebera, Leiter des Jugendzentrums in Frankfurt. Auch dort seien die Kids ausgerastet vor Freude. Aber er sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn er findet es schade, dass die Jüngeren wegen 2G nicht dabei sein können. »Es werden wegen fehlender Impfung weniger Leute auf der Bühne stehen.«

Castings hätten bereits stattgefunden, aber es sei lediglich die Hälfte der Kinder gekommen – anders als in früheren Zeiten. Aber die Freude überwiege natürlich. Er hoffe, dass sich nun noch viele zu einem Piks entscheiden, und die Zeit würde auch noch reichen, bis dahin geimpft zu sein.

Viktoria Dohmen von der Jüdischen Jugend Baden rechnet mit 40 Jugendlichen, die eine Performance hinlegen werden.

Ob sie den Song von März 2020 nehmen, wüssten sie noch nicht. Die Strukturen werden so sein wie immer: Es wird ein Vorbereitungskomitee mit vier bis sechs Leuten geben. Das Video muss auch gedreht, über das Bühnenbild und die Kleidung nachgedacht werden. »Ein zweiter Titel wäre nicht schlecht«, sagt er schmunzelnd.

Hauptsache ist, dabei zu sein, meint Jugendreferentin Viktoria Dohmen von der Jüdischen Jugend Baden (JuJuBa). »Alle haben darauf gewartet, dass die Jewrovison stattfindet.« Die meisten Jugendlichen seien in ihrer Region geimpft, dennoch würden sie noch nicht wissen, wer auf der Bühne stehen wird.

Ein Termin für die Choreografie ist für diese Woche anberaumt. Eine leichte Tendenz gebe es, den schönen Auftritt, der nicht stattgefunden hat, aufzugreifen. Definitiv können alle mitmachen, denn auf ein Casting wird verzichtet. Sie rechnet mit 40 Jugendlichen, die eine Performance hinlegen werden.

EREIGNIS »Wir haben aufgeschrien, als wir auf Instagram gesehen haben, dass sie stattfinden wird«, sagt Maria Protopopova aus Dortmund. Auf der Bühne möchte sie als Tänzerin mitmachen, denn Singen sei nicht ihr Ding. »Für uns ist das ein extrem wichtiges Ereignis«, meint die 16-jährige Madricha. Die schönsten Momente seien kurz vor dem Auftritt – und dann die Performance. »Das Gefühl, dass so viele zuschauen, ist krass.«

»Es ist mein größter Wunsch und wahrscheinlich der von allen, dass die Jewro stattfindet«, sagt die 16-jährige Miri Adriel Golinets aus Heidelberg. Singen könne sie nicht, aber als Tänzerin möchte sie dabei sein. Speziell mit Breakdance und Hip-Hop kenne sie sich gut aus. Vor sechs Jahren hatte sie das erste Mal bei der Jewrovision zugeschaut, damals in Köln. Seitdem war sie immer dabei. Die 2G-Regeln könne sie verstehen. Denn sie findet, dass die Gesundheit vorgeht.

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