Eine Zierde der Stadt und ein Stolz der Gemeinde» sei die Augsburger Synagoge, lobte Gemeinderabbiner Richard Grünfeld am 4. April 1917 das neue jüdische Gotteshaus bei seiner würdevollen Einweihung. Dem imponierenden Monumentalbau ist seine 100-jährige Geschichte von Aufbrüchen und Umbrüchen, von Vertreibung und Flucht, aber auch von immer neuer Hoffnung eingeschrieben.
In diesem Jahr feiert die Synagoge ihr 100-jähriges Bestehen – in Deutschland eine Seltenheit: Fast alle jüdischen Gotteshäuser wurden in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstört. Die meisten Neubauten entstanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Ausnahme wird in der schwäbischen Bezirkshauptstadt mit einem fast dreimonatigen Programm entsprechend gefeiert.
Es begann am Dienstagabend mit einer Führung durch die Synagoge. Der eigentliche Festakt findet erst am 28. Juni statt. Die Israelitische Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg organisiert die Veranstaltung für geladene Gäste unter anderem mit einem Konzert des Philharmonischen Orchesters Augsburg.
Vorträge Am Mittwoch sprach der Berliner Rabbiner Andreas Nachama zum Thema «Vom Tempel zum Gemeindezentrum. Das Gotteshaus als Mittelpunkt einer jüdischen Gemeinde im Wandel der Zeiten». Weitere Führungen, Vorträge, Ausstellungen und Konzerte werden folgen. Am 16. Mai wird der Münchner Historiker Michael Brenner über «Die Augsburger Synagoge und die Jüdische Renaissance» referieren. Cilly Kugelmann, die frühere Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, spricht am 11. Juli zum Thema «Zwischen Rechtfertigung und Selbstbehauptung. Jüdische Museen in Deutschland».
Eine derart umfangreiche Beachtung hat der mächtige, imposante Bau – und da hatte Rabbiner Grünfeld 1917 nicht übertrieben – mehr als verdient. Der von vielen als eine der schönsten Synagogen gerühmte Bau erhebt sich an der Halderstraße nahe dem Königsplatz, dem Zentrum der Fugger-Stadt, und besteht aus mehreren Gebäudeteilen. Der Zentralbau mit dem Gottesdienstraum liegt etwas zurückgesetzt und wird durch zwei symmetrisch angeordnete Gemeindegebäude von der Halderstraße abgetrennt. Zwischen diesen liegt eine Eingangshalle.
Im östlichen Trakt befinden sich der Trausaal und die Wochentagssynagoge. Im westlichen Seitentrakt sind eine Vorhalle mit Garderobe und der Davidbrunnen zur rituellen Handwaschung untergebracht. In der Mitte liegt der begrünte Innenhof mit einem Sphinxbrunnen.
Architekt Erbauer war der damals noch am Anfang seiner erfolgreichen Karriere stehende Architekt Fritz Landauer (1883– 1968), selbst ein gebürtiger Augsburger. Der Augsburger Regionalhistoriker Gernot Römer nannte den Landauer-Bau «ein Vorbild der modernen Synagogen-Baukunst». Die Auftraggeber – die damalige Augsburger Gemeinde, vor allem wohlhabende, religiös eher liberal eingestellte Kaufleute und Unternehmer – dachten ästhetisch sehr progressiv.
Doch auch die Augsburger Synagoge überstand die Pogromnacht nicht völlig unbeschadet. «Dass sie nicht komplett zerstört wurde, verdankt sie dem schlichten Umstand, dass sich ihr direkt gegenüber 1938 eine Tankstelle befand. Jede Menge Benzin und gleich daneben ein riesiges Feuer: Da bekamen die braunen Brandstifter Angst, dass auch andere Gebäude beschädigt werden könnten – was SS-Chef Heinrich Himmler seinen Schergen strengstens verboten hatte», erklärt Benigna Schönhagen, die Leiterin des seit 1985 im Synagogengebäude untergebrachten Jüdischen Museums, auch das eine Seltenheit, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.
Kulissenlager Ab 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nutzen dann die Städtischen Bühnen den Synagogenraum als Kulissenlager. Nach dem Krieg dauerte es lange, bis der Raum wieder als Bethaus diente. Die sogenannte Kleine Synagoge wurde ab 1963 wieder von der jüdischen Gemeinde genutzt, die momentan rund 1500 Mitglieder zählt, meist Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. In den Jahren von 1974 bis 1985 erfolgte dann die Wiederherstellung der übrigen Synagoge.
Seit Jahren soll sie umfangreich saniert werden. Mindestens zehn Millionen Euro sind als Kosten dafür im Gespräch, rechnet Schönhagen vor – zur Hälfte getragen von der Bundesrepublik Deutschland, der Rest soll aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden, unter anderem aus Spenden. «Wir hoffen, dass es nächstes Jahr nun endlich mit den Bauarbeiten losgehen kann», so die Museumschefin. Die Baumaßnahmen würden bis 2020 dauern.
Aber nun stehen erst einmal die Feierlichkeiten an. Deren wichtigster Programmpunkt wird wohl die sogenannte Reunion sein, also ein Treffen der Nachkommen von aus Augsburg vertriebenen jüdischen Familien, das vom 25. bis 29. Juni stattfinden soll.
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft wird die Ausstellung … zäh, genial, nachdenklich … über die Schriftstellerin Paula Buber (1877–1958) gezeigt. Die Dachauerin Esther Glück wird ihre Kunstinstallationen präsentieren, und das Friedberger Kammerorchester führt am Sonntag, 2. Juli, das Elias-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy auf.