Anastasia Gulej überlebte drei Konzentrationslager: Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen. Am Freitag – dem Jahrestag der Befreiung – besuchte die 96-jährige Ukrainerin die Gedenkstätte Bergen-Belsen. Im hohen Alter ist sie erneut mit einem Aggressor, Bombenangriffen und getöteten Zivilisten konfrontiert.
»Wer hätte es gedacht, dass ich den Krieg noch einmal erleben muss«, sagte Gulej in Bergen-Belsen. »All das wäre in der Vergangenheit geblieben, wenn es nicht die neuesten Geschehnisse gebe, den Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine.» Die alte Frau ließ sich im Rollstuhl durch die Gedenkstätte fahren.
Buchenwald Anfang März war sie gemeinsam mit ihrer Tochter aus Kiew nach Deutschland geflüchtet. Sie wohnt jetzt in Sachsen-Anhalt und hatte am vergangenen Sonntag die Gedenkveranstaltung anlässlich der Befreiung des Lagers Buchenwald besucht.
Mit der Aktion »Lichter auf Schienen« erinnert die Arbeitsgemeinschaft (AG) Bergen-Belsen jedes Jahr am 15. April an die Befreiung. Kerzen werden entzündet am Waggon an der Rampe, wo die Deportierten aus den Zügen steigen mussten.
Am 8. Mai soll es eine größere Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte geben. Vormittags wird laut einer Sprecherin im kleinen Kreis der Opfer des Nationalsozialismus gedacht, nachmittags soll unter anderem bei einem Zeitzeugen-Gespräch stärker die aktuelle Kriegssituation in der Ukraine im Mittelpunkt stehen.
Online-Gedenken 2020 und 2021 waren wegen der Corona-Pandemie nur Online-Gedenkveranstaltungen möglich. Ursprünglich hatten zum 75. Jahrestag der Befreiung rund 100 Holocaust-Überlebende kommen sollen. In Bergen-Belsen waren Ende des Zweiten Weltkrieges viele Kinder inhaftiert. Von den etwa 3500 Mädchen und Jungen unter 15 Jahren starben rund 600 an Entkräftung, Krankheiten oder Gewalt. Zu den Todesopfern zählte auch Anne Frank, die mit ihren Tagebüchern nach ihrem Tod weltbekannt wurde.
Das Treffen der Überlebenden ist nach Auskunft der Gedenkstätten-Sprecherin am 4. September 2022 geplant. Man habe sichergehen wollen, dass es nicht wieder coronabedingte Reisebeschränkungen geben werde. dpa