Ein fröhlicher Zug schlängelt sich von der Blücher- zur Albertusstraße. Klarinettenklänge sind zu hören, die Menschen klatschen, wiegen sich im Rhythmus der Klezmerband und singen Schalom Alechem und Hava Nagila. Kurz vor Rosch Haschana freut sich die Jüdische Gemeinde Mönchengladbach über ein ganz besonderes Geschenk. Auf eines, das sie Jahrzehntelang erhofft hatte: auf eine Torarolle.
»Unser Verhältnis zur Tora ist einzigartig. Wir behandeln sie wie einen Menschen und tanzen und freuen uns mit ihr«, sagt Rabbiner Julian Chaim Soussan. Mit der Einbringung endet 5772 eine lange Durststrecke in Mönchengladbach.
Zerstört »Das hat man hier zuletzt 1883 erlebt, gleichzeitig mit der Eröffnung der Synagoge«, erklärte Leah Floh, Vorsitzende der Gemeinde. »In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden sowohl Gotteshaus als auch die Schriftrolle zerstört.« Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Gemeinde eine Torarolle vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein. Sie stammte, wie viele andere in dieser Zeit, aus einer in der Pogromnacht 1938 niedergebrannten Synagoge.
Die neue Torarolle ist ein Geschenk von Icek Ostrowicz. »Seit 1952 ist er schon Gemeindemitglied, und von Beginn an hat er am Aufbau der Gemeinde mitgewirkt«, erzählt Floh. Icek Ostrowicz wurde 1927 geboren, überlebte fünf Konzentrationslager und zahlreiche Arbeitslager. »Diese Serfer Tora ist sehr wichtig für unsere jüdische Identität«, unterstrich Floh die Bedeutung seines Geschenks.
Vervollständigt Ein Jahr lang wurde daran in Israel gearbeitet. Icek Ostrowicz durfte schließlich die letzten Buchstaben auf dem Pergament vervollständigen. Am Sonntag wurde die Torarolle vom Platz der alten zur neuen Synagoge getragen, begleitet von zahlreichen Ehrengästen und viel Musik. Mit einem großen Fest im Gemeindezentrum feierte man somit wenige Tage vor Beginn des neuen Jahres bereits den Beginn einer neuen Epoche.