Laubhüttenfest

Eine Sukka zum Anknabbern

Die Sukkot-Konditoren präsentieren ihre Werke. Foto: Heike Linde-Lembke

Alles klebt! Die Tische, die Stühle, die Arbeitsplatte in der Küche. Die Hände, sogar das Gesicht, vor allem der Mund. Dafür leuchten die Augen umso mehr. Denn die Sukkot sind fertig. Eischnee, Haribo-Kirschen und -Gummibärchen, Karamell und jede Menge Kekse haben die Jugendlichen des jüdischen Jugendzentrums Chasak in Hamburg für ihre Sukkot verarbeitet.

Yuval will seine Sukka sogar noch um ein Obergeschoss erweitern – der Durchblick nach oben, zum Himmel und zu den Sternen, ist durch jedes Keks-Stockwerk garantiert. Dafür sorgen die zarten Gitter aus Karamellfäden, die Chasak-Leiterin Elisabeth Friedler hergestellt hat.

Haifa »Ich mag Sukkot, weil wir dann im Garten in unserer Sukka sitzen und mit Freunden diese fröhlichen Tage feiern«, sagt Yuval. 18 Jahre ist er alt. Vor sechs Jahren kam er mit seinem Vater von Haifa nach Hamburg. »Wir haben unsere Sukka im Internet bestellt und bauen sie nach Jom Kippur auf«, erzählt Yuval, der auf eine Hamburger Waldorfschule geht und seit vier Jahren das Jugendzentrum Chasak besucht. Für ihn ist es zu einem sozialen Treffpunkt geworden. »Hier treffe ich Freunde und kann viel lernen«, sagt er. Beispielsweise Deutsch, denn als er nach Hamburg zog, sprach er kein einziges Wort.

Einige Jugendliche feiern Sukkot in der Synagoge.

Auch der 19-jährige David hat viel Spaß am Kekse-Sukka-Basteln. »Wir machen das alle zusammen, das gibt mir ein gutes Gemeinschaftsgefühl, und lecker sind diese Sukkot aus Keksen auch noch«, sagt David. Zu Hause haben seine Eltern keine Sukka aufgebaut. »Wir sind eine säkulare Familie«, sagt David, der an der Hamburger Universität gerade mit dem Medizinstudium begonnen hat.

Werte Ein Jahr jünger als David ist Eden. Sie ist Madricha bei Chasak und hat mit Chasak-Leiterin Elisabeth Friedler und Madricha Sabine vor dem Sukka-Basteln auch das Werte-Peulah mit den Jugendlichen diskutiert. »Ich möchte gern unsere Werte an die Kinder und Jugendlichen weitergeben, weil ich meine, dass das sehr wichtig für uns alle ist«, sagt Eden.

Etwa zehn bis 25 Jugendliche kommen sonntags zum Chasak-Treffen in die Hamburger Synagoge an der Hohen Weide. »Für die Kinder und Jugendlichen ist es wichtig, Gleichgesinnte zu treffen und gemeinsam etwas zu gestalten, zu unternehmen, beispielsweise das Keks-Sukka-Basteln«, sagt Elisabeth Friedler und wischt sich vergnügt den Eischnee von den Fingern. Der Hit seien Ausflüge und die Mini-Machanot in Hamburgs Umgebung.

Der Jüngste beim Sukka-Bauen ist der achtjährige Robert. Er freut sich. Denn »diese Sukka kann ich anknabbern«. Er formt seine Sukka aus Keksen als Boden und Wände, die er mit Eischnee zusammenklebt. Karamellfäden bilden nicht nur das Gitterdach, sondern ziehen sich auch quer durch die Mini-Sukka.

Marshmallows Daran hängt Robert Marshmallows, Gummibärchen und -kirschen als Symbole für den Granatapfel und die Arba Minim, die vier Arten. Alles koscher, versteht sich. Mit Salzstangen verstärkt er seine Kekswände und baut sogar eine kleine Tür in die Sukka. »Ich nehme meine Sukka mit nach Hause«, sagt der Schüler der Hamburger Talmud-Tora-Schule.

Seine 14-jährige Schwester Dana baut sich eine eigene Keks-Sukka. »Davon bekommt mein Bruder nichts ab«, sagt sie entschieden. Zu Hause haben die Geschwister jedoch keine Laubhütte. »Wir fahren zum Feiern in die Synagoge, hier wird nach Jom Kippur natürlich eine Sukka aufgebaut«, erklärt Dana die Situation.

Artur baut gemeinsam mit seinem Großvater eine Hütte im Garten.

Artur dagegen hat ganz eigene Sukkot-Erlebnisse. Für seinen Großvater, der in Rheinland-Pfalz lebt, ist es selbstverständlich, im eigenen Garten jedes Jahr eine Sukka zu errichten. Wenn er rechtzeitig mit seiner Familie anreist, hilft der 19-jährige Artur seinem Großvater. »Wir bauen ein Gerüst aus Holzbalken, an die wir rundherum Stoffbahnen tackern und festspannen, damit wir gegen Wind geschützt sind«, sagt Artur. Schließlich seien sie nicht in Israel, wo der Wind im Herbst noch nicht so kalt weht wie in Deutschland.

Bambusmatten Die Wände und das Dach bauen Artur und sein Großvater aus Bambusmatten. Von einer Seite zur anderen spannen sie Leinen, um daran die vier Arten und anderes Obst zu hängen. Die Sukka bietet an Tisch und Bänken Platz für bis zu zwölf Personen. »Ich versuche auch immer wieder, in der Sukka zu schlafen, das ist ein schönes Gefühl, aber gegen Morgen, wenn die Kälte so richtig durch den Garten kriecht, gehe ich ins Haus«, gesteht Artur.

Levi ist in diesem Jahr konsequent. Der 15-Jährige nimmt gleich nach Jom Kippur den nächsten Flieger nach Israel. »Voriges Jahr haben wir im Innenhof der jüdischen Kita eine Sukka gebaut. Dort habe ich auch übernachtet, doch es war so kalt, dass ich am Morgen ins Haus nebenan gegangen bin«, sagt Levi.

Zu Hause haben nur wenige eine eigene Laubhütte.

Zwischen Stöcken aus Metall haben sie Stroh und Tücher geflochten, auch das Dach war aus Stroh. »Mit meiner Familie habe ich einmal dort gegessen, aber sonst sind wir in die Sukka im Innengarten der Synagoge gegangen«, sagt der Sohn einer orthodoxen Familie, der demnächst ganz nach Israel ziehen will.

»Unsere Familie isst an den Sukkot-Tagen immer gemeinsam, vor allem an Erew Sukkot«, sagt die 17-jährige Sabine. Die Madricha weist aber auch darauf hin, dass für die meisten Kinder nicht Sukkot das fröhlichste Fest ist, sondern Simchat Tora, das Fest nach Sukkot, an dem die Kinder durch die Synagoge gehen und Süßigkeiten sammeln.

»Wir haben beschlossen, dass uns die Süßigkeiten nicht mehr in die Plastiktüte kommen, sondern in die Jutetasche«, sagt Chasak-Leiterin Elisabeth Friedler. Dafür haben die Kinder Beutel bemalt, bestickt, bestempelt und mit allerlei Symbolen wie Torarollen bedruckt. »Ich fand es als Kind schon toll, in der Synagoge Süßigkeiten zu sammeln und mit anderen zu tauschen. Diesmal sammeln wir in nachhaltigen, selbst gestalteten Jutetaschen, das wird noch viel schöner, und dafür bekommt jedes Kind seine eigene Tasche«, freut sich Sabine schon auf Simchat Tora.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert