Die mecklenburgische Landeshauptstadt hat eine neue Straße. Mitten in der Altstadt, auf Höhe des jüdischen Gemeindezentrums heißt der Schlachtermarkt seit dem vergangenen Donnerstag Landesrabbiner-Holdheim-Straße. Benannt nach Samuel Holdheim, der von 1840 bis 1847 »Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher Landesrabbiner« war. Seine Vorschläge zu einer zeitgenössischen Reform der jüdischen Ehegesetze sorgten ebenso wie seine Äußerungen über Das Religiöse und Politische im Judentum mit besonderer Beziehung auf die gemischte Ehe für Aufregung. Geschrieben hat der damals 39-Jährige diese beiden Bücher 1845 in Schwerin. Zu diesem Zeitpunkt wirkte er bereits seit fünf Jahren in Schwerin.
Während seiner siebenjährigen Tätigkeit hier verfasste Samuel Holdheim den Großteil seiner wichtigsten Werke. Er baute für die jüdischen Landgemeinden Religionsschulen unter anderem in Schwerin, Güstrow, Bützow und Waren auf. Er reformierte die Gottesdienste. Er formulierte ein jüdisches Glaubensbekenntnis und setzte sich vehement für die bürgerliche Gleichberechtigung der Mecklenburger Juden in der Gesellschaft ein.
Einmalig Sie könne sich nicht erinnern, sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, während der kleinen Feierstunde vor dem jüdischen Gemeindezentrum, dass in den vergangenen 20 Jahren irgendwo in der Bundesrepublik eine Straße nach einem Rabbiner benannt wurde.
Im Januar hatten sich die Schweriner Stadtvertreter – bis auf den NPD-Abgeordneten – einstimmig für diese Entscheidung ausgesprochen. »Dieser Beschluss ist eine Geste der Wertschätzung gegenüber den jüdischen Bürgern Schwerins und zeugt von Geschichtsbewusstsein und dem Bemühen der Stadt um Verständigung zwischen Juden und Nichtjuden«, betonte Knobloch. Mehr als 200 Gemeindemitglieder, Schweriner Bürger und Ehrengäste, darunter Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow und Stadtpräsident Stephan Nolte nahmen an der Umbennung teil.
Nachfolge »Ich bin persönlich sehr froh und stolz, dass ich einer seiner Nachfolger bin«, blickte der heutige Landesrabbiner William Wolff auf seinen Vorgänger aus dem 19. Jahrhunderts zurück. Wolff, der sich selbst zudem in der Tradition von Samuel Holdheim sieht, bezeichnete diesen als einen Begründer des liberalen Judentums. Dass er in Schwerin seine Schriften verfassen konnte, bedeutete, so Wolff, »er hatte hier die Freiheit so zu denken, und das war ein großes Geschenk, welches ihm die Stadt seinerzeit machte«.
Parallel zur feierlichen Straßenumbenennung wurde in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern eine Ausstellung über Samuel Holdheim unter dem Titel »Der Kampf bis zum Anbruch der Morgenröte« eröffnet. Bis Ende Juli sind unter anderem 25 Originalausgaben von Samuel Holdheim aus seiner Schweriner Zeit zu sehen. Da die Schriften fast vollständig erhalten sind, verfügt die Bibliothek über einen einzigartigen Fundus, der nur deshalb erhalten ist, weil in den Jahren des Nationalsozialismus Bibliothekare Bücher und Kataloge versteckt hatten und so vor ihrer Vernichtung retteten.
Bedeutung Für die jüdische Gemeinde seien Ausstellung und Straßenumbenennung eine große Ehre, betonte Valerij Bunimov vom Gemeindevorstand. Er zog zudem den Vergleich zwischen den beiden liberalen Rabbinern Samuel Holdheim und William Wolff: »So sehen wir eine Entwicklung, wie sich die Gemeinde früher und wie sie sich heute in Schwerin präsentiert.« Wie schon die Zentralratspräsidentin hob auch Bunimov hervor, dass die neue Landesrabbiner-Holdheim-Straße für Schwerin eine besondere Bedeutung habe, zeige sie doch, wie die Stadt zu ihrer Geschichte steht.
Während seiner Tätigkeit in Schwerin vor 150 Jahren lebte Samuel Holdheim allerdings nicht in der Straße, die jetzt seinen Namen trägt. Aber er wohnte direkt um die Ecke in einem Fachwerkhaus am Großen Moor.
Berlin Nach seiner Tätigkeit in Mecklenburg arbeitete Holdheim bis zu seinem Tod am 22. August 1860 in Berlin. Es ist übrigens reiner Zufall, dass genau 150 Jahre später jetzt eine Straße nach ihm benannt wurde, denn der Schweriner Stadtvertreter Rudolf Conrades kam bei einem Mittagessen mit Rabbiner William Wolff im vergangenen Jahr spontan auf diese Idee. Conrades schaffte es anschließend, zunächst seine SPD-Fraktion und dann auch die anderen Stadtvertreter sowie die Verwaltung in einem, wie er es nennt, »nicht ganz unproblematischen, weil doch von einigen Widerständen begleiteten Prozess«, letztlich davon zu überzeugen, dieses Zeichen zu setzen.