Der Jahrzehnte währende Streit um ein Jüdisches Museum in Köln schien eigentlich entschieden. Vor sieben Jahren hatte eine breite Koalition aus SPD, Grünen, FDP und Linken den Bau grundsätzlich beschlossen, ein Jahr später war mit der Errichtung einer archäologischen Zone begonnen worden. Seit Monaten werden auf dem unmittelbar vor dem Rathaus gelegenen Ausgrabungsgelände gut besuchte Führungen angeboten.
Am 18. Juli dieses Jahres einigten sich der Kölner Stadtrat und der Landschaftsverband (LVR) auf einen Kooperationsvertrag zum Bau des Jüdischen Museums und der archäologischen Zone. Die Stadt übernimmt die mit 52 Millionen Euro berechneten Baukosten, der LVR entwickelt ein Ausstellungskonzept und übernimmt den späteren Betrieb.
Planungssicherheit Kaum war die Planungssicherheit gegeben und mit dem Bauen begonnen worden, meldeten sich vor fünf Wochen erneut Gruppierungen zu Wort, um das Projekt in Köln doch noch zu verhindern. Bereits in den vergangenen zwei Jahren hatten sich immer wieder neue Koalitionen gegen das Museum gefunden – wobei diese zugleich unisono postulierten, eigentlich gar nichts gegen den Bau einer solchen Einrichtung zu haben.
Anfang September meldeten sich der seit Jahren gegen das Jüdische Museum agierende Hotelier Werner Peters, Ex-Schuldezernent Andreas Henseler sowie der frühere CDU-Ratsherr Lothar Theodor Lemper zu Wort. Sie planten, so ließen sie vernehmen, für Mai 2014 ein Bürgerbegehren gegen das Jüdische Museum. Benötigt werden dazu 23.000 Unterschriften. Die Initiatoren hoffen, auch die Kölner CDU als Unterstützer zu gewinnen. Diese hat sich dazu noch nicht geäußert.
Die Begründung ihres Bürgerbegehrens löst Verwunderung aus: »Wir sind weder gegen die Archäologische Zone noch gegen ein Jüdisches Museum«, ließ Henseler vernehmen. »Uns geht es um eine kleinere Lösung.« Hintergrund dieser Argumentation ist die Initiative einer Gruppierung um den in linksalternativen Kreisen beliebten Kölner Stadthistoriker und Journalisten Martin Stankowski.
Konzept Nach der politisch motivierten Ablösung des Grabungsleiters Sven Schütte meldete sich Stankowski im April dieses Jahres mit einer einflussreichen Kölner Unterstützergruppe lautstark zu Wort: Er forderte statt eines jüdischen Museums ein Haus der Kölner Geschichte. Für ein jüdisches Museum, so argumentierte der 69-Jährige, fehle jegliches Konzept. Auch würde die jüdische Geschichte durch ein eigenes Museum von der Kölner Geschichte abgespalten.
Diese erneute Infragestellung der Museumspläne ist in Köln nicht ohne Gegenreaktion geblieben: Im Mai gründete sich eine Initiative, die auf einer Webseite für eine öffentliche Unterstützung des Museumsbaus eintritt und die Stadtratsparteien auffordert, an dem Beschluss festzuhalten. Es gelang ihr, binnen weniger Wochen knapp 1400 Unterzeichner zu mobilisieren, darunter 50 prominente Persönlichkeiten. Zu den Unterzeichnern gehören Dogan Akhanli, Rabbiner Jaron Engelmayer, Peter Finkelgruen, Miguel Freund, Ralph Giordano, Annette Haller, Hiltrud Kier, Cilly Kugelmann, Peter Liebermann, Rabbiner Walter Rothschild, der Verein EL-DE-Haus und Eusebius Wirdeier.
Integratives Haus Auf Nachfragen betont Martin Stankowski, dass er das geplante Bürgerbegehren politisch nicht unterstützen werde: »Wir haben das fehlende Konzept angemahnt und in dem Zusammenhang für ein integratives Haus der Kölner respektive rheinischen Geschichte geworben. Wir wollen die Geschichte der nichtjüdischen Mehrheits- und der jüdischen Minderheitsgesellschaft zusammen sehen, die Auseinandersetzung und Konflikte, Umgang, Geschichte und Verfolgung zum Paradigma eines solchen Hauses machen und diese Spur bis in die Gegenwart verfolgen.« Auch das Kölner Ratsmitglied Thor Geir Zimmermann positioniert sich gegen das Bürgerbegehren: »Wir halten den Entscheidungsprozess nach vielen langen Diskussionen für abgeschlossen.«
Der seit 50 Jahren in Köln lebende Schriftsteller Peter Finkelgruen ist über die Entwicklung tief bestürzt: »Die schier endlose Debatte über den Bau des Museums macht mich traurig. Inzwischen wurden demokratische und rechtliche Entscheidungen über den Bau des Museums getroffen. Wenn eine Handvoll politisch Aktiver in der Stadt nun zum Instrument eines Bürgerbegehrens greift, dann werden Initiatoren die Verantwortung dafür zu tragen haben, wenn sich die Ungeister von vorgestern, gestern und heute in dieser Stadt erneut ermuntert finden. Denn sie wissen, was sie da tun. Und das macht traurig – und wütend.«