Neuerscheinung

»Eine Realität, die sich ständig verändert«

Richard C. Schneider und Shahrzad Eden Osterer Foto: Daniela Wieland

Auf der Bühne des Literaturhauses trafen vor einer Woche zwei Menschen aufeinander, die das Leben lehrte, Ambivalenzen auszuhalten: Richard Chaim Schneider, Verfasser von zehn Büchern zur Entwicklung in Israel und zur (eigenen) Befindlichkeit in Deutschland, und die Moderatorin Shahrzad Eden Osterer, die mit 19 Jahren den Iran verließ und seit zehn Jahren für den Bayerischen Rundfunk arbeitet.

Thema war Schneiders jüngstes Buch Die Sache mit Israel, in dem er fünf provokative Fragen formuliert, deren Beantwortung den Freunden Israels schwer auf den Schultern lastet, den Gegnern Israels jedoch keinesfalls gefallen wird. Für Tanja Graf, die Geschäftsführerin des Literaturhauses, ist der Text erhellend und dazu glänzend geschrieben.

bedrohung Schneider erläuterte im ausverkauften Saal, worum es ihm geht: Er beschäftige sich »mit Realitäten in Israel«. Dazu gehörten der Raketenbeschuss und Sirenenalarm. Wie sich das anfühle und was die ständige Bedrohung mit den Menschen und der Politik mache, davon habe man in Deutschland nicht wirklich eine Vorstellung.

Im Gespräch mit Shahrzad Osterer kündigte Schneider an, auf die erste Frage ausführlicher eingehen zu wollen: »Ist Israel eine Demokratie?« Schneider, der Israel-Korrespondent der ARD war und von 2006 bis 2016 das ARD-Fernsehstudio in Tel Aviv leitete, erkundete das Land und befragte in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche seiner Bewohner – Juden und Muslime, Israelis und Araber, Palästinenser, Drusen und Tscherkessen. Allein Juden aus rund 120 Nationen fanden in Israel, das Schneider als »ethnische Demokratie ziemlich gut« beschrieben findet, eine Heimat.

Schneider erläuterte im ausverkauften Saal, worum es ihm geht: Er beschäftige sich »mit Realitäten in Israel«.

Inzwischen Editor-at-Large für die ARD und Autor des »Spiegel«, ist Schneider immer noch unterwegs in diesem »jungen, komplexen, multikulturellen Land«. Er versucht, »eine Realität, die sich ständig verändert«, wie er im Vorwort resümiert, zu beschreiben.

paradoxie Es gehe ihm, wie der Autor seinem gebannt lauschenden Publikum ankündigte, darum, »Informationen zu geben, Leute, die sich für diese Region interessieren, zu informieren, damit Diskussionen nicht faktenfrei sind«. Mit dem Spruch »Willkommen in der Welt des Nahen Ostens« hatte er manche Paradoxie vorweggenommen, denn: »Je mehr man sich damit beschäftigt, desto weniger weiß man, wie es wirklich läuft.«

Um doch zu einem Verständnis zu kommen, sollte man historische Zusammenhänge betrachten. Schneider tat dies, indem er die Anfänge des »zionistischen Projekts im 19. Jahrhundert als eine nationale Idee des europäischen aufgeklärten Judentums« erläuterte – ein gutes Rüstzeug gegen Zionismus- und Israel-Bashing.

Doch er ersparte seiner Zuhörerschaft auch nicht, was die letzte Regierungsbildung unter Benjamin Netanjahu bedeutet: eine Spaltung der Gesellschaft, allerdings mit einer sehr kämpferischen Zivilgesellschaft, den beginnenden Exodus höchst erfolgreicher israelischer Start-up-Unternehmen ins Ausland, und die Erkenntnis, dass die Gründerväter des Staates Israel es seinerzeit versäumt hatten, eine Verfassung zu formulieren, mit Kontrollgremien jenseits des Obersten Gerichts.

Richard C. Schneider: »Die Sache mit Israel. Fünf Fragen zu einem komplizierten Land«. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2023,
192 S., 22 €

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Kaiserslautern

»Jetzt beginnt etwas Neues«

Mehr als fünf Jahre hat sich die Sanierung des Gemeindehauses der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz in Kaiserslautern hingezogen. Am Sonntag wurde das Zentrum mit der neu gestalteten Synagoge seiner Bestimmung übergeben

von Joachim Schwitalla  11.04.2025 Aktualisiert

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Erinnerungen

Als Charlotte Knobloch ihren ersten Kaugummi aß

Als jüdisches Mädchen überlebte sie die Nazizeit in einem Versteck, bis die Amerikaner ins Dorf kamen. Für Charlotte Knobloch ist das Kriegsende mit süßen und dramatischen Erinnerungen verbunden

 11.04.2025

Pessach

Lang, länger, Seder

Schnell mal eben feiern? Von wegen. Für den ersten Abend muss man sich Zeit nehmen – warum eigentlich? Und wie kommen alle gut unterhalten bis zum Afikoman? Wir haben nachgefragt

von Katrin Richter  11.04.2025

Pessach

Kraft und Zuversicht

Das jüdische Volk war von jeher stark und widerstandsfähig – wir werden auch die Herausforderungen der heutigen Zeit bestehen

von Charlotte Knobloch  11.04.2025