Die Corona-Krise hat in diesem Jahr zur Absage der Jüdischen Kulturtage geführt – wenige Tage vor der geplanten Eröffnung. Was hatte die Organisation dieses Festivals für Sie an Vorbereitung bedeutet?
Wir sind hier in meinem Büro ein Team von fünf Leuten, hinzu kommt das dreiköpfige Team von Sara Nachama von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Allein in dieser Zusammensetzung hatten wir für die Planung der Kulturtage zwölf große Meetings. Und in meinem Büro haben wir seit Dezember 2019 intensiv am Programm gearbeitet. Die Bedeutung des Festivals ist eigentlich ziemlich klar: einer breiten Bevölkerungsschicht dieser Stadt jüdische Kultur nahezubringen. Darin steckt nicht nur eine Menge Arbeit, sondern auch eine Menge Herzblut, sodass die kurzfristige Absage für uns alle auch ein kleines psychologisches Problem bedeutet. Da ich aber mit Nachnamen Kämpfe heiße, verstehe ich das auch als Imperativ.
Woran hing das Herzblut besonders?
An vielem. Ich war zum Beispiel sehr stolz, das alte Theaterstück »Scherben« von Arthur Miller – im Original »Broken glass« –, ausgegraben zu haben. Gerade in Zeiten wie diesen! Das Werk ist im Jahr 1938 entstanden und schildert die Situation in den USA mit dem Blickwinkel auf Nazi-Deutschland. Eine sehr interessante Perspektive. Das ist jetzt ins Wasser gefallen. Leider auch der Poetry Slam. Da wären eine Christin, eine Jüdin und ein junger Mann mit muslimischem Hintergrund in einen künstlerischen Wettstreit getreten. Hierfür herrschte ein regelrechter Run auf die Karten, speziell bei jungen Leuten. Das absagen zu müssen, tut schon weh.
Das »Jazz-Fest Berlin«, die »Berliner Märchentage«, einige Theater, auch die Berliner Philharmoniker bieten Online-Performances an. Haben Sie daran zwischenzeitlich auch gedacht?
Das hätten wir in der Kürze der Zeit nicht auf eine vertretbare professionelle Weise hinbekommen, sodass die Qualität und Klasse des Festivals widergespiegelt worden wären. Man muss auch sagen, dass sich das analoge Erlebnis, nämlich in einer unserer tollen Synagogen zu sitzen, dort, wo das Judentum praktiziert wird, online schwer transportieren lässt. Bedauerlicherweise trifft das auch all die anderen Spielstätten wie etwa das Renaissance-Theater oder die Vagantenbühne.
Man hätte die Kulturtage ja in jedem Fall vor einer eingeschränkten Zuschauerzahl stattfinden lassen müssen.
Ja. Im Renaissance-Theater wären es statt 500 Zuschauern nur 140 gewesen, in der Synagoge Rykestraße statt 1150 Zuschauern nur 330. Ich muss hier auch einmal eine Lanze für Kultursenator Klaus Lederer brechen, der wirklich dafür gekämpft hat, dass wir spielen können. Die Hygienemaßnahmen, die wir vorgenommen hätten, wären keine anderen gewesen als in jedem Supermarkt oder in den großen Kaufhäusern. Wir hatten mit großem Aufwand Stuhlreihen ausgebaut, damit die Menschen mit dem notwendigen Abstand die kulturelle Veranstaltung hätten genießen können. Leider war das am Ende alles vergebens.
Leisten wir uns einen optimistischen Ausblick auf das nächste Jahr. Gibt es bereits Verabredungen oder Zusagen einzelner Künstler, vor allem von denen aus Israel, bei den Jüdischen Kulturtagen 2021 dabei zu sein?
Sowohl die Sängerin Noa als auch der Sänger Dudu Fisher und die Jewish Monkeys, ein Männer-Gesangstrio mit Band, haben sehr bedauert, in diesem Jahr nicht nach Berlin kommen zu können. Sie haben aber sofort zugesagt, auf jeden Fall im nächsten Jahr dabei sein zu wollen. Das sollten wir auch machen, da wir für deren Gastspiele ja bereits im Bereich Presse und Marketing geübt haben. Es sind ja alles tolle Künstler. Und das werden sie auch im nächsten Jahr sein.
Mit dem Intendanten der Jüdischen Kulturtage Berlin sprach Gerhard Haase-Hindenberg.