Es schien sicher: Köln bekommt ein jüdisches Museum. Unter dem Namen »Colonia Judaica« sollte es in der geplanten Ausstellung an der Archäologischen Zone beim Rathausplatz einen Schwerpunkt bilden – eingebunden in 2.000 Jahre Stadtgeschichte.
Dass Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) die Realisierung aber neuerdings abhängig macht von der Bereitschaft des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), den Großteil der Betriebskosten zu übernehmen, sorgt für Beunruhigung: »Es ist höchste Zeit, ein Museum zu etablieren«, sagt Abraham Lehrer vom Vorstand der Kölner Synagogengemeinde. »Das Projekt sterben zu lassen, wäre eine Katastrophe für die Stadt.«
Verhandlungen Der LVR bestätigte der Jüdischen Allgemeinen, dass er derzeit Verhandlungen mit der Stadt Köln führe. Eine denkbare Beteiligung liege zwischen etwa der Hälfte und drei Viertel der Kosten, einen Stichtag für eine Entscheidung gebe es aber nicht.
Kulturdezernent Georg Quander hofft auf ein Ergebnis spätestens im Herbst. Bis dahin liefen die Grabungen auf dem Rathausplatz uneingeschränkt weiter. Auch die Museumsplanung dauere an, schließlich gebe es einen positiven Ratsbeschluss.
Der sei aber nicht unumstößlich, heißt es aus der Pressestelle des Oberbürgermeisters: Roters sei zwar »hochgradig interessiert, dass das Projekt ins Laufen kommt«, käme die Kooperation mit dem LVR aber nicht zustande, »würde man das der Politik mitteilen müssen«. Offenbar scheut Köln die sechs Millionen Euro Betriebskosten pro Jahr. Dabei hat die nur eingeschränkt begehbare Archäologische Zone schon mehr als 500.000 Neugierige angezogen – nächtliche Zaungäste nicht mitgezählt.
Einzigartig Projektleiter Sven Schütte bekräftigt indes den Wert eines jüdischen Museums. Das physische Zeugnis des aschkenasischen Judentums in Köln sei einzigartig und das internationale Interesse groß – viele Stadtrundfahrten führten schon jetzt am Grabungsareal vorbei. Zusammen mit anderen für die Geschichte der Aschkenasim bedeutenden Orten strebe man deshalb den Eintrag als UNESCO-Weltkulturerbe an.
Mitunter sind es aber ganz einfache Dinge, die die Wissenschaftler motivieren: Vergnügt erzählt Schütte, dass er regelmäßig von israelischen Touristen auf die hebräische Inschrift an der Latrine unter dem Synagogenhof angesprochen werde – dort steht auf einem Sturz: »Das ist das Fenster, aus dem die Scheiße hinausgeworfen wird.« Im Museumsshop wäre eine entsprechende Postkarte ein Verkaufsschlager, so Schütte, viele wollten sie für ihr heimisches Badezimmer.
Arbeitstiere Sein Kollege Hubert Berke analysiert die Tierknochen des Quartiers, derzeit die aus dem »Haus des Juden Lyvermann«. Die dort entdeckten Rinderkiefer zäher Arbeitstiere stünden im Kontrast zu den Überresten exklusiver Wild- und Importtiere unter der mittelalterlichen Synagoge, so der Archäozoologe.
»Man muss dieses Wissen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen«, sagt Berke. »Dass man solche Funde jüdischen Haushalten zuordnen kann, ist einmalig in Deutschland.« Kulturdezernent Quander gibt sich optimistisch: Mit Ausnahme der CDU sei der Beschluss ja von allen Parteien gefasst worden.
Also doch eine Colonia Judaica? Dem Tourismus vermutlich wenig förderlich wäre jedenfalls die Schlagzeile: »Das ist die Stadt, die ihr jüdisches Viertel schon wieder begraben hat.«