Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Montag gemeinsam mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender vor der »Villa Wurmbach« in Berlin-Dahlem eine Gedenktafel für den jüdischen Vorbesitzer des Hauses sowie dessen Ehefrau eingeweiht.
Es sei seiner Frau und ihm »ein tiefes Bedürfnis – und ich glaube, meinem Amt eine Verpflichtung –, hier an dieser Stelle von nun an öffentlich sichtbar an Hugo und Maria Heymann zu erinnern. Wir halten sie in ehrendem Angedenken«, sagte Steinmeier bei seiner Ansprache vor der Dienstvilla.
würdigung Der Bundespräsident löst damit sein Versprechen vom August 2017 ein, das er im »Spiegel« so formuliert hatte: »Bevor ich als neuer Bundespräsident die Wohnung in der Dienstvilla nutze, werde ich sicherstellen, dass eine Verständigung über ein angemessenes Gedenken hergestellt ist.«
Mit persönlichen Worten erinnerte Steinmeier in der Pücklerstraße 14 daran, dass der Geschäftsmann Hugo Heymann und seine Ehefrau Maria in diesem Haus »glückliche Tage verbrachten«, bevor sie »im aufflammenden deutschen Rassenwahn, unter dem Druck drohender Verfolgung durch die Nationalsozialisten ihr Eigentum verkauften und versuchten, aus Hitlerdeutschland zu fliehen«.
Doch die Flucht misslang, schilderte Steinmeier das weitere Schicksal der Eheleute. Die Heymanns gerieten in existenzielle Not, Hugo Heymann wurde mehrfach von der Gestapo verhaftet und misshandelt. Am 5. Juni 1938, vor genau 80 Jahren, verstarb Hugo Heymann in Berlin, vermutlich infolge der Folter. »Als Hugo und Maria Heymann diesen Ort verlassen mussten, wurde ihr Glück zerstört. Das nationalsozialistische Terrorregime hat ihnen ihre Zukunft entrissen«, sagte Steinmeier.
Vorgeschichte Nach der Einweihung der Gedenktafel, einer gläsernen Stele, auf der der historische Hintergrund detailliert beschrieben ist, ging Steinmeier vor geladenen Gästen, darunter Zentralratspräsident Josef Schuster und Rabbiner Andreas Nachama, auf die Vorgeschichte der Dienstvilla ein – und darauf, warum Aufklärungsarbeit und eine angemessene Form der Erinnerung erst jetzt erfolgten.
Immerhin ist die Villa bereits seit 1962 im Besitz des Bundes. Sie wurde vom Bundesbevollmächtigten für Berlin und später als Gästehaus der Bundesregierung genutzt, heißt es auf der Infotafel der Gedenkstele.
Seit 2004 ist das Anwesen der dienstliche Wohnsitz des Bundespräsidenten. Für das deutsche Staatsoberhaupt leite sich aus dieser staatlichen Verwendung eine besondere Verantwortung ab, hob Steinmeier hervor – »eine Pflicht zur Aufklärung und Erinnerung, die lange auf sich hat warten lassen«.
Gutachter Der Bundespräsident bedankte sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich unter anderem bei dem Historiker Julien Reitzenstein, der mit seinen Nachforschungen »den Stein ins Rollen gebracht« hatte, sowie beim Gutachter Michael Wildt für seine Recherchen, »um die Hintergründe des Verkaufs der Villa zu rekonstruieren«.
Sein Dank galt auch dem Zentralratspräsidenten Josef Schuster, IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und dem Zentralrat der Juden in Deutschland, »die uns mit Leidenschaft, Rat und Tat begleitet haben«. Außerdem bedankte Steinmeier sich bei der Stolpersteininitiative, die den Heymanns vor ihrer letzten frei gewählten Wohnung in der Berkaer Straße in Berlin-Schmargendorf einen weiteren Ort des Gedenkens gewidmet hat.
Ob die Berkaer Straße tatsächlich der »letzte frei gewählte Wohnort« der Heymanns gewesen war oder die Pücklerstraße, hatte der Historiker Julian Reitzenstein angezweifelt. Bereits im November 2015, es war die Amtszeit von Joachim Gauck, hätte auf seine Initiative hin in der Pücklerstraße 14 ein Stolperstein für Hugo Heymann verlegt werden sollen. Doch zu der Verlegung war es seinerzeit nicht gekommen. Stattdessen gab es ungeklärte Fragen um das Gedenken an Hugo Heymann und seine Frau Maria.
Zeichen Als ihn die Erkenntnisse zur Geschichte dieses Hauses erreichten, sei es ihm wichtig gewesen, vor dem Bezug der Villa »eine Verständigung über ein angemessenes Gedenken zu finden«, betonte Steinmeier. »Ich freue mich, dass uns das im Verlauf des vergangenen Jahres gemeinsam gelungen ist und dass wir es heute umsetzen können. Mit der Gedenktafel haben wir heute ein sichtbares und bleibendes Zeichen der Erinnerung an Hugo und Maria Heymann enthüllt.«
Aber die Erinnerung dürfe sich nicht auf die Gedenktafel beschränken, forderte der Bundespräsident. »Wenn wir der Heymanns gedenken, erinnern wir gleichzeitig an die ungezählten und an die noch unerzählten Geschichten der Familien, die unter dem Rassenwahn und dem Terror des Naziregimes gelitten haben.«
Es gebe »in unserer Vergangenheit keinen Raum, vor dem wir die Augen verschließen dürfen, keinen Platz für Bagatellisierung oder Verdruckstheit. Auch wenn manches scheinbar ganz im Dunkeln liegt oder in Graubereichen verschwimmt, haben wir die Pflicht, es auszuleuchten«, stellte Steinmeier klar.
Denn in Aufklärung und in Erinnerung der Verbrechen, so Steinmeier weiter, liege zugleich »eine hochaktuelle Verpflichtung – an uns selbst, an jeden von uns, das schulden wir Hugo und Maria Heymann: Der Antisemitismus ist nicht überwunden, auch nicht in unserem Land, und er zeigt sein böses Gesicht in vielfältigem Gewand. Nichts davon, keinen lauten Antisemitismus, keinen leisen, keinen alten und keinen neuen, dürfen wir in Deutschland hinnehmen«. Antisemitismus dürfe keinen Platz haben in dieser Republik, unterstrich Steinmeier nachdrücklich.
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