Zum Auftakt des Festjahrs »1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland« kamen Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Jürgen Rüttgers, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, und Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, heute Nachmittag zu einer live übertragenen Online-Veranstaltung zusammen.
In seinem Grußwort stellte Jürgen Rüttgers die Unterstützung des Festjahrs durch Politik und Zivilgesellschaft, Hochschulen und Kirchen heraus. Über 1000 Veranstaltungen in ganz Deutschland seien geplant. Rüttgers ist Gründungsmitglied und Kuratoriumsvorsitzender des Trägervereins »321–2021: 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland«.
HERAUSFORDERUNGEN Zugleich benannte Rüttgers mehrere aktuelle Herausforderungen. Es gelte, dem wachsenden Antisemitismus, dem stärker werdenden Nationalismus und der sich wandelnden Erinnerungskultur in Deutschland und Europa zu begegnen. »Wir müssen Antisemiten, Rassisten und Nationalisten frühzeitig den Kampf ansagen«, sagte Rüttgers.
Josef Schuster betonte Adenauers Einsatz für die Wiedereröffnung der Kölner Synagoge und die Annäherung an Israel.
Auch Norbert Lammert verwies auf aktuelle Herausforderungen und Gefährdungen. Er ging dabei unter anderem auf die Corona-Pandemie und die seit einigen Wochen verfügbare Impfungen gegen das Virus ein.
Einen vergleichbaren und in ähnlicher Weise wirksamen Impfstoff gegen Respektlosigkeit, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gebe es leider nicht, sagte Lammert.
ANNÄHERUNG Josef Schuster würdigte in seinem Impulsvortrag Konrad Adenauer, der heute vor 145 Jahren geboren wurde. Schuster betonte unter anderem den Einsatz des damaligen Bundeskanzlers für die Wiedereröffnung der Kölner Synagoge und die Annäherung an Israel.
Die Schoa habe, so Schuster, hat auch die Alltagskultur und Praxis des deutschen Judentums fast vollständig zerstört.
»Juden in Deutschland, das ist eine Geschichte mit Höhen und Tiefen«, sagte Schuster im Hinblick auf die vergangenen 1700 Jahre. Aschkenas, der mittelalterliche rabbinische Begriff für Deutschland, sei eine Wiege blühender jüdischer Kultur, die durch Migration auch das osteuropäische Judentum stark geprägt habe.
Der Zivilisationsbruch der Schoa habe, so Schuster, nicht nur Millionen von Menschen vernichtet, sondern auch die Alltagskultur und Praxis des deutschen Judentums fast vollständig zerstört.
EINWANDERUNG Der Zentralratspräsident betonte die Bedeutung der Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in die wiedervereinigte Bundesrepublik: »Ohne diese Einwanderung – das muss klar und deutlich gesagt werden – gäbe es heute in vielen Städten keine jüdischen Gemeinden mehr.«
Josef Schuster kritisierte das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur rituellen Schlachtung von Tieren.
Trotz vieler Herausforderungen habe sich das jüdische Leben in Deutschland längst wieder etabliert, sagte Schuster. Das sei nicht selbstverständlich. Am Beispiel der jüngsten antisemitischen Angriffe in Halle, Hamburg und Essen beklagte Josef Schuster einen zunehmend gewaltbereiten Judenhass.
EINGRIFF Er kritisierte zudem das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur rituellen Schlachtung von Tieren: »Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in die Religionsausübung und gefährdet jüdisches Leben in Europa.«
Er hoffe sehr, dass Deutschland und die EU-Staaten die rituelle Schlachtung weiterhin ermöglichten, sagte Schuster. »An diesem Beispiel sehen wir deutlich, dass der Einsatz für jüdisches Leben in Deutschland keine theoretische Frage ist, sondern eine sehr konkrete Herausforderung«, betonte der Zentralratspräsident.
Anlass für das Festjahr »1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland« ist der Erlass eines Gesetzes des römischen Kaisers Konstantin, das festlegte, dass Juden städtische Ämter in der Kölner Stadtverwaltung ausüben dürfen. Das Jubiläum wird mit zahlreichen Veranstaltungen und Online-Formaten begangen.
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