Jom Haschoa

Eine emotionale Herausforderung

»In Deutschland der sechs Millionen zu gedenken, ist eine zusätzliche emotionale Herausforderung«: Israels Botschafter Jeremy Issacharoff Foto: Botschaft des Staates Israel

Es ist bereits Mai, aber ein eisiger Wind weht über das Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen, als in der sogenannten Station Z für zwei Minuten die Sirene ertönt. Dort, wo bis 1945 das Krematorium und die Tötungsanlagen standen, haben sich an diesem Donnerstag, dem Jom Haschoa, rund 120 Mitarbeiter der israelischen Botschaft, viele ihrer Angehörigen sowie eine Gruppe israelischer Marinesoldaten eingefunden, um ebenso wie ihre Landsleute in Israel der sechs Millionen ermordeten Juden zu gedenken.

»Jeder Mensch hat einen Namen«, erklärt zu Beginn der Zeremonie denn auch Rogel Rachman, Leiter der Öffentlichkeitsabteilung der Botschaft, bevor er sichtlich bewegt die Namen und biografischen Daten mehrerer Personen vorträgt, die in der Zeit des Nationalsozialismus von den Deutschen und ihren Helfern getötet wurden. »Damit sie der Anonymität entrissen und niemals vergessen werden.«

leon schwarzbaum Anschließend zündet Leon Schwarzbaum, ein 98-jähriger Überlebender von Auschwitz, Sachsenhausen sowie weiterer Lager in Begleitung eines israelischen Offiziers in Gedenken an die vielen Opfer eine Flamme an, woraufhin Brandenburgs Landesrabbiner Nachum Presman das Kaddisch anstimmt.

»Kein einziger Tag vergeht, an dem ich nicht mit diesem Thema konfrontiert werde«, sagt Israels Botschafter Jeremy Issacharoff.

»Auch wenn zahlreiche neue Begriffe oder Adjektive geprägt wurden, um die Grauen der Schoa zu beschreiben, so fehlen uns immer noch die richtigen Worte dafür«, bringt Jeremy Issacharoff die Stimmung auf den Punkt. Seit eineinhalb Jahren ist er mittlerweile Israels Botschafter in Berlin. »Aber kein einziger Tag vergeht, an dem ich nicht mit diesem Thema konfrontiert werde.« Weiterhin betont er, dass Jom Haschoa auch in Israel alles andere als eine einfache Angelegenheit sei.

»In Deutschland der sechs Millionen zu gedenken, ist jedoch eine zusätzliche emotionale Herausforderung.« Für ihn gibt es auf das Verbrechen am jüdischen Volk nur eine einzige Antwort. »Und das ist der Staat Israel. Die Männer und Frauen, die in unseren Streitkräften dienen, sind eine Garantie dafür, dass so etwas nicht noch einmal geschehen kann.«

narrativ Trotz der Tatsache, dass zwischen Deutschland und dem Staat Israel heute auf vielerlei Ebenen ein enges Beziehungsgeflecht besteht und das jüdische Leben hierzulande vor allem in den vergangenen 25 Jahren einen enormen Aufschwung verzeichnen konnte, bleibt für ihn die Schoa in Gegenwart und Zukunft stets ein zentraler Teil des Narrativs zwischen beiden Ländern.

Für die deutsche Erinnerungskultur findet Issacharoff lobende Worte – auch wenn es wieder Versuche gibt, die Vergangenheit nostalgisch zu verklären.

Für die deutsche Erinnerungskultur findet Issacharoff ebenfalls lobende Worte – auch wenn es wie in jüngster Zeit seitens alter und neuer Rechter wieder Versuche gibt, die Vergangenheit nostalgisch zu verklären. Orte wie die Gedenkstätte Sachsenhausen seien deshalb ganz besonders wichtig. Und an einem Tag wie Jom Haschoa als Israeli der Ermordeten an diesem Ort zu gedenken, ist alles andere als eine Routinesache, wie Mitarbeiter der Botschaft mehrfach hervorheben.

»Es fühlt sich deutlich unmittelbarer an als in Israel«, sagen sie immer wieder. Die Gedanken sind dann oft bei den Familien. »Das gilt auch für mich als Diplomat«, wie Rogel Rachman erklärt. »Meine Mutter beispielsweise konnte Deutschland erst wieder betreten, weil ich hier in Berlin stationiert wurde und einen starken jüdischen Staat repräsentiere.«

ZEITZEUGE Vor diesem Hintergrund waren die persönlichen Schilderungen des 1921 in Hamburg geborenen Leon Schwarzbaum, dessen Angehörige allesamt in Auschwitz ermordet wurden, von großer emotionaler Bedeutung. Nicht wenige der Botschaftsmitarbeiter konnten Momente ihrer eigenen Familiengeschichte darin wiedererkennen. »Für uns ist ihre Biografie nicht nur ein Zeugnis des unendlichen Leids, das Juden erfahren mussten, sondern zugleich ein Beweis ihres Mutes und Heldentums«, lautete Issacharoffs Reaktion auf Schwarzbaums Erfahrungsberichte.

Bei der anschließenden Führung durch die Baracken, in denen die jüdischen Häftlinge von Sachsenhausen untergebracht wurden, konnten die Botschaftsmitarbeiter noch mehr davon kennenlernen.

Lesen Sie mehr dazu in unserer nächsten Printausgabe.

Ratsversammlung

»Die Gemeinden sind das Rückgrat der jüdischen Gemeinschaft«

In Frankfurt kamen 90 Delegierte aus den Landesverbänden zusammen, um aktuelle Anliegen und Sorgen zu besprechen. Gastredner war Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

von Katrin Richter  03.12.2025

Jewish Quiz

»Fast wie bei den Samstagabend-Shows«

Am Wochenende raten in Frankfurt über 500 Jugendliche um die Wette. Dabei geht es um mehr als bloße Wissensabfrage, betonen die Organisatoren der Veranstaltung

von Helmut Kuhn  03.12.2025

Berlin

Ein Nachmittag voller Licht

Mitzwa Express lädt zum traditionellen Chanukka-Basar in die Synagoge Pestalozzistraße ein

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Trauer

Mit gebrochenem Herzen

Die Israelitische Kultusgemeinde nahm Abschied von Rebbetzin Shoshana Brodman sel. A., die Anfang November nach langer Krankheit starb

von Esther Martel  02.12.2025

Kulturtage

»Weitermachen ist die einzige Chance«

»Jüdisches Leben in Deutschland – Heute und Morgen«: Ein Podium stellte die Frage nach gesellschaftlichen Dynamiken und Konsequenzen nach dem 7. Oktober

von Esther Martel  02.12.2025

Planegg

Historische Sensation

Eine Ausstellung erzählt vom Schicksal Jakob Hirschs, der 1818 als erster Jude in Bayern geadelt wurde

von Ellen Presser  02.12.2025