»Mein ganzes Überleben in der Schoa, das war nur Glück«, betonte Rolf Joseph immer wieder. Von 60 Familienmitgliedern haben nur sein Bruder Alfred und er den Holocaust überlebt. Nun ist der Träger des Bundesverdienstkreuzes wenige Tage vor seinem 92. Geburtstag gestorben. Am Dienstag wurde er auf dem Friedhof Heerstraße beigesetzt. Der Beter der Synagoge Pestalozzistraße war ein eleganter und freundlicher Mensch.
So beschrieben ihn die Schüler des Gymnasiums »Zum Grauen Kloster«, die sich vier Jahre lang mit seinem Leben auseinandergesetzt und es in dem Buch Ich muss weitermachen aufgeschrieben hatten. Es war Rolf Joseph immer wichtig, vor Schülern über seine Erlebnisse während der Schoa zu sprechen. Noch vor zwei Jahren engagierte er sich bei einem Projekt von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und unterhielt sich mit sogenannten Stadtteilmüttern aus Neukölln und Kreuzberg über Religionen. Diese Gespräche wurden in einem Film festgehalten.
Zwangsarbeit 14 Jahre alt war Joseph, als er die Schule beendete und eine Tischlerlehre anfing – trotz Nazi-Herrschaft bekam er eine Lehrstelle. Nach Zwangsarbeit bei der IG Farben in Lichtenberg konnte er mithilfe eines Tischlermeisters seinen Beruf wiederaufnehmen. 1942 wurden die Eltern vor den Augen der Brüder von der Gestapo abgeholt und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.
»Plötzlich waren wir obdachlos«, sagte Joseph. Von diesem Moment an lebten die beiden jungen Männer auf der Flucht. Zwei Monate lang versteckten sie sich im Tegeler Forst, bis sie bei unterschiedlichen Menschen unterkamen. Ihr Überleben verdanken Rolf und Alfred Joseph einer Lumpensammlerin, die ihnen bis zum Kriegsende Unterschlupf gewährte. Bis zu seiner Rente 1981 war er Betriebsleiter der Deutschen Waggonmaschinenfabrik am Eichborndamm.