Die Stadt München muss ihre Räumlichkeiten auch für Veranstaltungen mit Bezug zur israelfeindlichen Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) zur Verfügung stellen. Diese Entscheidung traf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in der vergangenen Woche und stellte sich damit gegen einen Beschluss des Stadtrats vom Dezember 2017. Ein Münchner Bürger hatte die Klage eingereicht.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, zeigte sich nach Bekanntwerden des Urteils »sehr enttäuscht«. Trotzdem gelte ihr Dank der Landeshauptstadt für den wichtigen und richtungsweisenden Beschluss von 2017, dessen Symbolkraft ungebrochen bleibe.
In einer Erklärung wies sie darauf hin, dass die Boykottbewegung den Staat Israel als kollektive jüdische Körperschaft aussondere und delegitimiere. Gerade in Zeiten zunehmender Beleidigungen und Übergriffe sei es besonders wichtig, Judenhass in all seinen Formen zu bekämpfen: »Die Boykottbewegung BDS steht wie keine andere Initiative weltweit für diesen fundamentalen und aggressiven Israelhass.« In diesem Zusammenhang wies Knobloch darauf hin, dass die BDS-Bewegung vom Deutschen Bundestag zu Recht als antisemitisch eingestuft worden sei.
mehrheitsbeschluss Den Antrag für das Verbot der geplanten BDS-Diskussionsveranstaltung hatte die Stadt mit dem Mehrheitsbeschluss des Stadtrats begründet. Darin war festgelegt worden, dass städtische Einrichtungen nicht für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der israelfeindlichen Bewegung befassen oder diese unterstützen.
Die Verwaltungsrichter bezogen sich auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung.
Diesem Beschluss waren heftige Querelen mit dem Eine-Welt-Haus wegen dessen Nähe zur antisemitisch eingestuften BDS-Kampagne vorangegangen. Aus Protest trat deswegen neben dem Grünen-Stadtrat Dominik Krause auch IKG-Vorstandsmitglied Marian Offman in seiner Stadtratsfunktion als städtischer Vertreter im Beirat zurück.
Der Argumentation der Stadt folgte der 4. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der für Kommunalrecht zuständig ist, allerdings nicht. In ihrem Urteil zugunsten des Klägers bezogen sich die Verwaltungsrichter auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Die Stadt München dürfe als sogenannter Träger öffentlicher Einrichtungen zwar deren Zweck festlegen und auch bestimmte Arten von Nutzung ausschließen, aber in diesem Fall müsse das höherrangige Grundrecht beachtet werden.
Gegen dieses werde verstoßen, so die Verwaltungsrichter, wenn einem Bewerber allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen der Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung verwehrt wird. Werde eine öffentliche Einrichtung für Veranstaltungen zu allgemeinpolitischen Fragen zur Verfügung gestellt, dürften nicht die von dem Einrichtungsträger gebilligten Themen und Meinungen zugelassen werden, heißt es in einer Erklärung des Verwaltungsgerichtshofs zum Urteil.
gefahrenschwelle Das Gefühl der Enttäuschung, von dem IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch spricht, betrifft vor allem einen anderen Aspekt des Urteils. Darin kommen die Richter, die sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beziehen, zu dem Ergebnis, dass antisemitische Äußerungen allein nicht für einen Ausschluss ausreichen würden.
Dies komme erst dann infrage, wenn damit die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährdet werde. Gegenwärtig sei aber nicht ersichtlich, dass diese Gefahrenschwelle mit den Boykottaufrufen der Befürworter der BDS-Kampagne erreicht werde, teilte der VGH in einer Stellungnahme mit.
In Zusammenhang mit der Gerichtsentscheidung wies Charlotte Knobloch auch auf die gesellschaftliche Dimension des Problems hin. Wer Judenhass einen Riegel vorschieben wolle, der dürfe nicht warten, bis Juden sich in der Gesellschaft nicht mehr sicher fühlten. Sie müssten darauf vertrauen können, so die IKG-Präsidentin, dass die Bekämpfung von Antisemitismus gemeinsames Ziel der gesamten Gesellschaft sei und auch bleibe.
»Wenn dieses Vertrauen schwindet, weil Hass auf jüdische Menschen und den jüdischen Staat im öffentlichen Raum folgenlos bleibt, sinkt auf Dauer auch das Vertrauen jüdischer Menschen in ihre Zukunft in diesem Land.«
Die grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich des Umgangs mit BDS, die dieser Rechtsstreit hat, ist auch dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bewusst. Er hat deshalb im Urteil die Möglichkeit der Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen.