Lange Zeit hieß die Rasenfläche direkt am Weserstadion »Grüne Promenade«. Nun ist sie dem ehemaligen, langjährigen Präsidenten von Werder Bremen, Alfred Ries, gewidmet worden.
Der jüdische Sportfunktionär, der vor dem NS-Regime fliehen konnte, war nach der Schoa nach Bremen zurückgekehrt und wirkte noch zwei weitere Male als Werder-Präsident. Während Ries’ letzter Amtszeit als Präsident gewannen die Fußballer vom SV Werder 1965 erstmals die deutsche Meisterschaft.
In Bremen gestaltete der Kaufmann Ries sowohl vor 1933 wie auch nach 1945 nicht nur den Sport, sondern auch die Politik mit. Und doch war seine Biografie lange Zeit weitgehend vergessen. Bis eine Gruppe Werder-Fans begann, zum Leben von Alfred Ries zu recherchieren, und Ende 2017 eine detaillierte Broschüre über ihn publizierte. »Ich war erstaunt, dass Ries vielen Bremern so lange unbekannt war«, sagte Thomas Hafke, einer der Hauptinitiatoren, bei der Buchpräsentation.
Termin Die Ehrung von Alfred Ries begrüßt auch der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Lande Bremen, Grigori Pantijelew. »Das ist die Krönung der Bemühungen der Fans, Ries’ Biografie bekannter zu machen«, sagt er. Eine Platzeinweihung am Schabbat stellte für die Gemeinde kein Problem dar. Die »sei schlicht unvermeidlich«, meint Pantijelew, da die Fußballspiele nun einmal traditionell samstags stattfinden und sich der »Tach der Fans« in der vorvergangenen Woche für die Ehrung besonders gut anbot.
Die Entscheidung zur Umbenennung erfolgte fraktionsübergreifend.
»Alfred Ries hat es geschafft, zurückzukehren, die Hand zu reichen und weiter bei Werder Bremen und in der Gesellschaft und Politik mitzuwirken«, erklärte Gemeindevorsitzende Elvira Noa in einem Grußwort, das zur Einweihung verlesen wurde. Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald lobte Ries als bedeutende Persönlichkeit, die in der Vereinsgeschichte einen besonderen Platz einnehme: In die Zeit von Ries’ Präsidentschaften fielen neben dem Wiederaufbau des Vereins nach dem Krieg sowie der Gründung der Fußball-Bundesliga 1963 unter Werder-Beteiligung und der ersten Fußballmeisterschaft der Bau des Vorläufers des heutigen Weserstadions.
Populismus Außerdem sprach Daniel de Olano (SPD), stellvertretender Sprecher des Beirats Östliche Vorstadt, der auf Initiative von Thomas Hafke über die Benennung einstimmig, fraktionsübergreifend und ungewöhnlich schnell entschieden hatte. Bürgermeister Carsten Sieling betonte, wie wichtig das Erinnern an Nationalsozialismus und Schoa gerade in Zeiten von Populismus sei. Für ihn ist die Eröffnung des Platzes ein wichtiges Signal: »Alfred Ries ist ein Vorbild. Die Einweihung des Platzes ist ein großartiges Zeichen für Bremen und die Menschen, die sich für die Stadt engagieren.«
Zu den leidenschaftlich Engagierten gehört das Ehepaar Harms. Vor zwei Jahren sprach Vera Harms, eine pensionierte Ärztin, Thomas Hafke, der damals beim Fanprojekt Bremen arbeitete, auf Alfred Ries an. »Ich selbst kannte Ries zuvor auch nicht«, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen. Doch bei den Besuchen des Grabes ihrer Eltern auf dem Jüdischen Friedhof in Hastedt war sie von ihrem sportbegeisterten Mann Dirk auf die verwitterte Grabstelle des ehemaligen Werder-Präsidenten aufmerksam gemacht worden.
Schnell fand sich eine Gruppe für die Arbeit an der Broschüre zusammen. Neben Vorarbeiten anderer Historiker werteten die Herausgeber Akten aus dem Auswärtigen Amt und dem Staatsarchiv aus und führten Interviews mit Alfred Ries’ Witwe Hilde. In der bilderreichen Broschüre finden sich zahlreiche Fotos aus ihrer Privatsammlung.
Recherche Auch Fabian Ettrich war an der Recherche beteiligt. Der 35-jährige Historiker hofft darauf, dass bald noch weitere Lücken in der Geschichte des SV Werder geschlossen werden. »Nach wie vor ist vieles darüber unklar, wie genau sich Werder in vorauseilendem Gehorsam dem NS-Führerprinzip unterworfen und seine jüdischen Spieler und Funktionäre aus dem Klub gedrängt hat.«
Ettrich stellt eine »gewisse Offenheit« beim Verein fest, ist aber der Überzeugung, dass es zur weiteren Auseinandersetzung mit Ries’ Biografie zusätzlichen Antrieb von außen braucht. »Immerhin ist Alfred Ries und seinem Leben im Werder-Museum inzwischen wesentlich mehr Raum gegeben worden«, erzählt Ettrich. Doch über die Schicksale vieler weniger prominenter jüdischer Werder-Spieler und -Funktionäre sei nach wie vor zu wenig bekannt, sagt der Historiker.
Broschüre Darüber, wie die Erinnerung an Alfred Ries nach der Platzbenennung lebendig gehalten werden könne, habe man allerdings noch nicht nachgedacht, sagt Daniel Behm vom Fan-
projekt. Neben dem Verteilen der Broschüre bei Werder-Spielen gebe es aktuell keine weiteren Pläne oder Projektideen.
Man habe allerdings in den vergangenen Jahrzehnten hart daran gearbeitet, die Mitglieder für den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu sensibilisieren, und den Austausch mit israelischen Fangruppen vorangetrieben. Als »wichtiges Instrument gegen Antisemitismus« bezeichnete der SPD-Politiker Daniel de Olano auch die Umbenennung des Platzes.
Am Hastedter Friedhof, wo Alfred Ries begraben ist, hängt seit einigen Monaten eine Gedenktafel, und auch das Grab wurde umgestaltet. Zum Gedenken an Ries’ Eltern Eduard und Rosa, die im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wur-
den, waren vor einigen Jahren zwei Stolpersteine verlegt worden. Es wird sich zeigen, wie es gelingt, die Erinnerung an Alfred Ries nach der Platzbenennung wachzuhalten. Dafür einsetzen werden sich zahlreiche Werder-Fans und unermüdlich Engagierte in jedem Fall.
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