Seit vier Monaten schon beherrscht der Krieg den Alltag der Menschen in der Ukraine. Viele verlassen das Land, suchen Sicherheit anderswo in Europa. Auch in München sind zahlreiche Geflüchtete angekommen, vor allem Frauen mit ihren Kindern. Von den jüdischen Kindern besuchen zurzeit viele Mädchen und Jungen den Alexander-Moksel-Kindergarten und die Sinai-Schule.
Im Kindergarten haben 19 kleine Kriegsflüchtlinge zwischen zweieinhalb und sechs Jahren einen Platz gefunden. Vermittelt wurden sie über die Sozialabteilung der Gemeinde. Sie alle benötigen eine besondere Betreuung, erklärt Kindergartenleiterin Irina Sokolov. Zunächst bekam jedes Kind ein Begrüßungspaket – einen Rucksack und eine Trinkflasche.
Besonders wichtig ist der unmittelbare Kontakt mit den Erzieherinnen, die alle Russisch sprechen.
Besonders wichtig ist allerdings der unmittelbare Kontakt mit den Erzieherinnen, die alle Russisch sprechen. Nach der Begrüßung fragten sie die Kinder, was sie denn brauchen – von Kleidung bis zu Bastelmaterial wie Stiften und Scheren. »Unser Büro sah hinterher aus wie ein kleiner Flohmarkt«, sagt Irina Sokolov und lacht.
aktivitäten Zu den Aktivitäten, die für die Kinder auf dem Programm stehen, gehören verschiedene Ausflüge – wie etwa in den Vogelpark nach Olching, ins Sea-Life-Zentrum oder zum Kamelreiten. All das wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von Eltern und Sponsoren sowie durch Spenden. Dank der Sozialabteilung konnten für vier Vorschulkinder Schwimmkurse organisiert werden.
Auch die Eltern der Kinder werden von der Israelitischen Kultusgemeinde unterstützt – etwa, wenn es um das Ausfüllen von Unterlagen geht. Eine ehemalige Lehrerin hilft als Freiwillige bei der Betreuung.
Die kleinen Kriegsflüchtlinge sind von den anderen Kindern im Kindergarten sehr freundlich aufgenommen worden. Alle spielen miteinander, die Integration funktioniert sehr gut. Die Kleinen lernen gegenseitig voneinander. Besonders beeindruckt war Irina Sokolov, als beim Einstudieren eines Liedes für die Jahres-Abschlussfeier nicht nur die geflüchteten Kinder, sondern auch alle anderen mitgesungen haben.
Was die psychologische Betreuung der Kleinen betrifft, so arbeitet der Kindergarten eng mit der Sozialabteilung zusammen. Wie es den Kindern wirklich geht und was sie zu Hause erzählen, ist für die Betreuerinnen und Betreuer nicht einsehbar. Was sie allerdings sehr wohl wahrnehmen, ist, dass es im Kindergarten im Gegensatz zu den ersten Wochen, in denen die Kinder davon erzählten, dass ihr Papa im Krieg ist, jetzt um andere Dinge geht, wie zum Beispiel die Frage, was sie am Tag zuvor zu Hause gemacht und erlebt haben. Ein Stück Normalität scheint also eingekehrt zu sein.
willkommensgruppe In der Sinai-Schule haben neun Flüchtlingskinder aus den Jahrgangsstufen zwei bis vier ihren Platz gefunden, ebenfalls mit Unterstützung der Sozialabteilung und Olga Albrandt sowie mithilfe der Erziehungsberatungsstelle. Für sie wurde eine Willkommensgruppe eingerichtet, in der sie erst einmal Deutsch lernen. Eine Russisch sprechende Mitarbeiterin und eine Lehramtsstudentin kümmern sich um sie.
Zwei Erstklasskinder besuchen die reguläre Klasse – während des Deutsch- und Sachkundeunterrichts werden sie von einer eigenen Lehrerin betreut und bekommen Förderunterricht in der deutschen Sprache. Ein weiteres der Flüchtlingskinder, das in der Heimat die zweite Klasse besucht hatte, hat zunächst einmal bis zum neuen Schuljahresbeginn Ferien; das Mädchen hat in Kiew die Deutsche Schule besucht und spricht perfekt Deutsch.
Die ukrainischen Kinder sind bei Ausflügen und anderen Aktivitäten dabei.
Was die Integration betrifft, sind alle Kinder bei Ausflügen und anderen Aktivitäten dabei. Besonders beim Sport stechen die Flüchtlingskinder hervor. Sie waren auch bei den Bundesjugendspielen Ende Mai dabei und sind sehr stolz auf ihre Ehrenurkunden.
übersetzungsbuch Claudia Bleckmann, die Leiterin der Sinai-Schule, ist besonders beeindruckt, wie intensiv die Kinder ihr Übersetzungsbuch benutzen. Vor den Ferien haben sie zu Schawuot kleine Päckchen gepackt und allen anderen Schülern geschenkt – auf Deutsch. Religionslehrerin Michaela Rychlá und die pädagogische Mitarbeiterin Karina Rumyantseva hatten das initiiert. Für die Kinder ist es wichtig, dass sie in ihr eine permanente Ansprechpartnerin haben.
Eine weitere Besonderheit beeindruckt Claudia Bleckmann in gleichem Maß wie die Kinder: Einmal pro Woche kommt ein Lesehund in die Klasse – dies sei ein wichtiger Beitrag zur Erziehungs- und Traumaarbeit, wie die Schulleiterin hervorhebt.