Nach der Berliner Justiz hat jetzt auch die Polizei der Hauptstadt einen eigenen Beauftragten für das Thema Antisemitismus. »Wir setzen nunmehr den Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses vom 23. Mai um, in dem es um den Schutz jüdischen Lebens und ein klares Signal gegen jeden Antisemitismus ging«, sagte Martin Pallgen, Sprecher der Senatsinnenverwaltung, vorab der Jüdischen Allgemeinen.
Prävention Die Aufgabe von Wolfram Pemp, der am Dienstag auf einer Pressekonferenz als Antisemitismusbeauftragter bei der Berliner Polizei vorgestellt wurde, und seinem Stellvertreter Dietmar Ring umfasst dabei gleich mehrere Punkte. Der bisherige Leiter der Zentralstelle für Prävention beim Berliner Landeskriminalamt soll als zentrale Ansprechperson »aktive Netzwerkarbeit leisten«, in Aus- und Fortbildungen die Beamten für das Thema Judenhass sensibilisieren, innerhalb der Polizei Beratungen anbieten sowie den Wissensaustausch mit Berliner Institutionen pflegen, die gegen Antisemitismus arbeiten.
Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik nannte diesen Schritt vor dem Hintergrund steigender judenfeindlicher Straftaten »zwingend nötig«. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte, Antisemitismus gehe über Religionsstreitigkeiten hinaus und sei ein Zeichen für Demokratie- und Menschenfeindlichkeit. »Wenn die offene Gesellschaft wie derzeit unter Druck gerät, ist es Zeit, sich zu wehren«, sagte Geisel. Auch vermeintliche Einzelfälle von Judenfeindlichkeit seien nicht hinnehmbar, betonte der Innensenator.
AUSTAUSCH »Wir begrüßen das, denn damit machen wir auf allen Ebenen klar, dass es in dieser Stadt ein großes Stoppschild gegen den mittlerweile wieder offen zutage tretenden Hass auf Juden und Jüdinnen gibt«, sagte Martin Pallgen. Zugleich sei man »nicht so naiv, zu übersehen, dass es auch muslimischen und linken Antisemitismus gibt, in diesem Punkt sind wir auf keinem Auge blind«. Man wolle ein starkes Signal an die jüdischen Berliner senden: »Sie sind nicht allein!« Dazu soll demnächst auch ein Runder Tisch gegen Antisemitismus beitragen. Angesiedelt beim Staatssekretär für Inneres, Torsten Akmann, soll er einen engen Austausch zwischen der Jüdischen Gemeinde, den Sicherheitsbehörden und weiteren Akteuren ermöglichen.
Pallgen erklärt dazu: »Wir wollen das ohnehin gute Verhältnis institutionalisieren und mit diesem breiten Netzwerk auch demonstrieren, dass wir an der Seite unserer jüdischen Mitbürger stehen.« Antisemitismus werde laut Geisel nur dann erfolgreich bekämpft, »wenn wir auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsam gegen Angriffe auf unsere Demokratie und Freiheit vorgehen«.
Die Dunkelziffer dürfte allerdings weit höher liegen.
Zeit wird es, wie nicht zuletzt die jüngsten Übergriffe auf Juden in Berlin zeigen: RIAS, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin, registrierte 2018 insgesamt 1083 antisemitische Vorfälle und damit einen Anstieg um 132 Fälle gegenüber dem Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weit höher liegen – die 2017 veröffentlichte Dunkelfeld-Studie des Landeskriminalamts Niedersachsen kam zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Hasskriminalität nur zwölf Prozent der Straftaten angezeigt werden.
»Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass dies bei antisemitischen Vorfällen anders ist«, sagt Alexander Rasumny von RIAS, »dafür sprechen auch die Zahlen der Studie der Europäischen Agentur der Grundrechte FRA, wonach in Deutschland 79 Prozent der befragten Juden und Jüdinnen angaben, dass sie einen schweren antisemitischen Vorfall nicht anzeigten.«
VERTRAUEN Gründe dafür seien eine gewisse Resignation aufgrund geringer Ermittlungserfolge oder mangelndes Vertrauen. Dazu trägt wohl auch die gestiegene Zahl von antisemitischen Vorfällen online bei.
»Uns werden auch solche Fälle gemeldet«, sagt Rasumny, »sie machen rund die Hälfte aller Vorkommnisse aus.« Die Opfer von Hass-E-Mails und -Postings hätten oft den Eindruck, diese Straftaten würden ignoriert. »Uns liegen zahlreiche Berichte von Personen vor, die versuchten, antisemitische Postings bei Facebook und Twitter über seiteninterne Sanktionsmittel löschen zu lassen, aber nicht erfolgreich waren.«
Dass sich Juden in Berlin nicht überall frei bewegen können oder daran denken, die Stadt zu verlassen, »dürfen wir nicht hinnehmen«, sagte Wolfram Pemp bei seiner Vorstellung am Dienstag im Polizeipräsidium in Berlin-Tempelhof. Ein wichtiger Punkt für seine Arbeit sei, das Bewusstsein dafür bei den Mitarbeitern zu schärfen, die Antisemitismusprävention auch beim Polizeinachwuchs zu intensivieren und für die Opfer da zu sein.
Mit der Einsetzung des Antisemitismusbeauftragten »wollen wir ganz bewusst ein deutliches Signal in die Zivilgesellschaft senden«, betonte Polizeipräsidentin Barbara Slowik.