Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024 08:30 Uhr

»Mit meiner Religionszugehörigkeit gehe ich offen um«: David Cohen (50) aus Düsseldorf Foto: Gustav Glas

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024 08:30 Uhr


Die Anfrage, beim Crowdfunding der Stadt Plauen zur Sanierung und Rettung der ehemaligen Synagogenmauer mitzumachen, kam im letzten Sommer. Ich habe keinen Moment gezögert, weil ich es besonders in der heutigen Zeit wichtig finde, offensiv gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus vorzugehen. Mit der Unterstützung dieses Projekts wollen ich und das Unternehmen, dessen Geschäftsführer ich bin, die Derichebourg Umwelt GmbH, Signale setzen, gerade im Osten Deutschlands.

Ich bin dieses Jahr 50 geworden. Mit meiner Religionszugehörigkeit gehe ich offen um, das ist die beste Voraussetzung für mein nichtjüdisches Umfeld. Ich habe viele muslimische Mitarbeitende, scheue mich aber nicht, mein Jüdischsein zu zeigen. Allein schon wegen meines Namens weiß jedermann, dass ich jüdisch bin. Negative Erfahrungen habe ich deshalb nie gemacht.

Geboren bin ich in Düsseldorf. Meine Eltern stammen ursprünglich aus Rumänien, meine Mutter aus Bukarest, mein Vater aus Iasi̧ an der Grenze zu Moldawien, der drittgrößten Stadt des Landes. Meine Großeltern haben dem kommunistischen Land Ende der 50er-Jahre den Rücken gekehrt. So wie ich ist auch mein Bruder in Düsseldorf geboren.

Ich möchte gern sehen, wo meine Eltern aufgewachsen sind

Obwohl die systematischen Judenverfolgungen mit dem Sturz von General Ion Antonescu und dem Staatsstreich von König Michael I. im Jahr 1944 ein Ende genommen hatten, blieb die Lage für die Juden mehr als unbequem. Traumatisiert von der Tragödie der Vergangenheit und ausgelöst durch die anti­zionistische Propaganda der kommunistischen Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg, versuchten viele Juden, eine Ausreisegenehmigung für Israel oder in die USA zu erhalten. Die Eltern meiner Mutter, sie waren in der Textilbranche tätig, konnten schließlich nach Paris ausreisen; die Großeltern väterlicherseits dank der amerikanisch-jüdischen Organisation Joint nach Israel.

Mein Vater kam als Kind in Israel an, dort besuchte er eine Jeschiwa und absolvierte seinen Armeedienst. Meine Mutter, deren Eltern ursprünglich nach Pittsburgh ausreisen wollten, dann aber in Frankreich strandeten, lernte meinen Vater während eines Familienbesuchs in Israel kennen. Nach ihrer Hochzeit zogen meine Eltern zusammen nach Düsseldorf. Die Firma meiner Großeltern mütterlicherseits war inzwischen von Paris nach Deutschland umgezogen. So musste mein Vater, der später als Kaufmann in der Firma seiner Schwiegereltern arbeitete, erst einmal Deutsch lernen.
Meine Eltern haben mit ihrem Geburtsland Rumänien gebrochen und wollen dieses Land auch nicht mehr besuchen. Ich selbst möchte gern mit eigenen Augen sehen, wo meine Eltern aufgewachsen sind. Beruflich war ich vor einigen Jahren ein paarmal in Rumänien. Ich spreche neben Deutsch, Englisch und Französisch ja auch Rumänisch. Iwrit kann ich ebenfalls gut verstehen.

Vergangenes Jahr im Herbst waren wir ebenfalls dort, landeten ausgerechnet einen Tag vor dem Massaker vom 7. Oktober. Danach war nichts mehr so, wie wir es kannten.

Persönlich bin ich mit dem Staat Israel eng verbunden – schon allein wegen meiner Religion und der familiären Herkunft. Ich besuche das Land häufig. Vergangenes Jahr im Herbst waren wir ebenfalls dort, landeten ausgerechnet einen Tag vor dem Massaker vom 7. Oktober. Danach war nichts mehr so, wie wir es kannten. Plötzlich waren wir mittendrin im Bombenalarm und Raketenbeschuss. Dies war für uns als Familie ein traumatisches Ereignis. Wir haben nach einigen Tagen selbstständig die Ausreise über Zypern organisieren können; es war ein sehr bedrückendes Gefühl.

Geheiratet haben wir 2003 in Wien

Trotz meiner großen beruflichen Belastung und vielen Dienstreisen bin ich ein Familienmensch. Meine Frau Paola stammt aus einer traditionell jüdischen Familie aus Wien. Ihr Vater sel. A. – er wurde in Polen geboren – ist leider vor fast neun Jahren verstorben. Der Großteil der Vorfahren meiner Frau stammt aus Polen beziehungsweise Galizien. Meine Schwiegermutter ist bereits in Wien geboren, so auch meine Frau und ihre beiden Geschwister. Meine Frau habe ich vor fast 25 Jahren während eines europäisch-jüdischen Studentenseminars in Italien kennengelernt. Geheiratet haben wir 2003 in Wien.

Wir achten sehr darauf, unsere beiden Kinder im jüdischen Glauben zu erziehen. Eltern sind dafür verantwortlich, ihre Kinder an die Religion heranzuführen. Nur wenn man ihnen unsere Tradition und Bräuche vorlebt, können sie diese nachvollziehen. Selbstverständlich feiern wir, wann immer möglich, alle großen Feste mit unseren Familien zusammen, und ich gehe, wenn ich nicht auf Reisen bin, regelmäßig in die Synagoge.

Die jüdische Gemeinde von Düsseldorf, in der ich aufgewachsen bin, ist mittlerweile auf ungefähr 7000 Mitglieder angewachsen. Es ist die drittgrößte Gemeinde Deutschlands, ein Großteil besteht aus Neuzuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion. Meine Frau Paola war dort auch einige Jahre Gemeinderätin.

Wir freuen uns immer auf unsere gemeinsamen Sommerurlaube in Österreich

Unsere Tochter besucht die 10. Klasse des Albert-Einstein-Gymnasiums. Unser Sohn studiert seit September an der Lauder Business School in Wien. Er wohnt im Studentenheim, besucht aber häufig seine Großmutter und die Geschwister meiner Frau. Auch genießt es mein Sohn, Zeit mit der restlichen »österreichischen Familie« zu verbringen. Wir freuen uns immer auf unsere gemeinsamen Sommerurlaube in Österreich.
Wir sind eine sehr sportliche Familie. Ich selbst habe schon als Achtjähriger mit Eiskunstlauf begonnen. Anschließend war ich drei Jahre lang im Eishockey-Klub, spielte Tischtennis, Fußball und jetzt hauptsächlich Tennis. Und das mit Leidenschaft. Sowohl im lokalen Tennisklub als auch auf Turnieren. Wenn unser Sohn nach Düsseldorf kommt, spielen wir häufig zusammen. Unsere Tochter ist eine begeisterte Reiterin und bestreitet bereits erfolgreich Turniere.

Ich habe mich früher auch ehrenamtlich als Madrich engagiert; die Arbeit im Jugendzentrum hat mir viel Spaß gemacht. Da lernte man viele unterschiedliche Menschen kennen – und erfuhr eine Menge über sich selbst. Nach meinem Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre in Dortmund habe ich in San Diego und London Finanzwesen und Controlling studiert. Anschließend war ich für zwei Jahre im Danone Konzern tätig, 2002 bin ich bei der Derichebourg Gruppe eingestiegen. Seit fünf Jahren bin ich dort als Geschäftsführer für Deutschland tätig.

Zu meinem Lebensmotto gehört, dass Erfolg kein Zufall ist

Freunde bezeichnen mich als diplomatisch, pragmatisch und unkompliziert. Das ist sicher einer der Gründe, weshalb auch unsere Spende für das zu Beginn erwähnte Projekt »Bruchstelle 1938« in Plauen so rasch getätigt wurde. Weil unser Unternehmen in Reuth, ungefähr 20 Kilometer von Plauen, eine Niederlassung hat, war ich häufig in der Gegend und auch mit dem Bürgermeister Tobias Kämpf in Verbindung. Dieser hat mich dann direkt angesprochen, ob wir als Unternehmen dieses Crowdfunding mit einer Spende unterstützen möchten.

Ich habe keine Sekunde gezögert und zugesagt. Zu meinem Lebensmotto gehört, dass Erfolg kein Zufall ist. Er ist harte Arbeit, verlangt Ausdauer und kontinuierliches Lernen. Vor allem auch Liebe zu dem, was man tut. Was ich bis heute erreicht habe, sowohl im beruflichen wie privaten Bereich, macht mich stolz und dankbar.

Beim Crowdfunding der Stadt Plauen geht es um die Freilegung und Sanierung der historischen Synagogenmauer. Das Bethaus wurde 1930 eingeweiht, von den Nazis allerdings in den Morgenstunden des 10. November 1938 niedergebrannt. Nach 1945 wurde das Gelände von der sowjetischen Militäradministration enteignet und an die jüdische Gemeinde rückgestellt. Da es in Plauen fast keine Juden mehr gab, verkaufte der letzte Vorsteher das Grundstück regulär an die hiesige Adventgemeinde.

Das Plauener Projekt ist eine Herzensangelegenheit von mir

Wenn im kommenden Jahr die Sanierung abgeschlossen ist, wird die Mauer als stiller Zeuge für sich sprechen. Ein Ort der Besinnung, vielleicht mit einem kleinen Garten. Geplant ist ein Gedenk- und Begegnungsort, wo sich verschiedene Angebote an Informationen, Interaktionen und Kunst vereinen sollen. Vielleicht könnte man den einstigen Hauspfeiler in der Eingangshalle mit der Inschrift »Haus der Erbauung, der Gemeinschaft und des Friedens« aufgreifen und adaptieren. Hierzu gibt es bereits viele hervorragende Ideen.

Das Plauener Projekt ist eine Herzensangelegenheit von mir. Wahrscheinlich deshalb, weil ich gern die Brückenfunktion übernehme, die zum gegenseitigen Verständnis beiträgt. Ich finde es wunderbar, dass sich so viele Plauener Bürgerinnen und Bürger für dieses Projekt engagieren. Wir dürfen Schwierigkeiten im Umgang zwischen Menschen unterschiedlichster politischer Einstellung nicht aus dem Weg gehen, sondern müssen versuchen, Missstände anzusprechen und frühzeitig gegenzusteuern. Vor allem Berührungsängste und Vorurteile gegenüber uns Juden abzubauen, sehe ich als Hauptaufgabe.

Aufgezeichnet von Matthias Messmer

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