Die meisten Teilnehmer des Gemeindetages 2019 erlebten in Berlin vier Tage lang Input non stop. Doch – was bleibt davon in Erinnerung? Die gemeinsamen und für viele erstmals in dieser Größe erlebten – G’ttesdienste? Die interessanten Diskussionen mit – wie viele, viele Zuhörer bekundeten – hochkarätigen Referenten? Die Lesungen? Das Sportprogramm mit erfahrenen Coaches von Makkabi? Oder die grandiose Samstagabend-Party? Hier noch einmal eine kleine Zusammenstellung.
Krav Maga Blocken, drehen, schlagen oder treten: Wer sich am frühen Morgen nicht am Buffet oder noch in süßen Träumen befand, der konnte sich auf dem Gemeindetag beim Krav-Maga-Kurs Grundwissen über die Selbstverteidigung aneignen. Der Berliner Marcel Jardinier, der seit mehr als 13 Jahren Krav Maga betreibt und im Jahr 2017 von der International Krav Maga Federation (IKMF) als Lead Instructor ausgezeichnet wurde, zeigte, was bei einem Messerangriff zu tun ist, was ein »Three-Sixty« ist und wie man sich aus brenzligen Situationen befreit.
Süß Wer sich nicht bei den Sessions, beim Sport oder sonst irgendwo im Hotel begegnete, der traf sich definitiv am Dessert-Buffet. So kurz vor Chanukka gab es mit Mini-Pfannkuchen schon eine kleine kulinarische Einstimmung.
Zusammensein Ob ganz klein oder schon groß: Der Gemeindetag steht auch für das Treffen der Generationen. Einfach mal Zeit miteinander verbringen, einander zuhören – und reden.
Schawua Tow schallte es durch das Hotel InterConti am späten Samstagnachmittag. Das Vokal-Ensemble »Mafteach Soul« geleitete die Gemeindetagsgäste musikalisch in die neue Woche. Das klang nicht nur gut, sondern duftete auch gut – dank der mit Nelken gefüllten Besamimsäckchen.
Kultur Emanuel Rotstein hat seine neue Dokumentation einem sehr besonderen Thema gewidmet: dem Sozialexperiment »Third Wave«. In The Invisible Line – Die Geschichte der Welle, die er auf dem Gemeindetag vorstellte, hat Rotstein die Ereignisse dieses Experiments aufgearbeitet. Wer sich nicht beim Film wiederfand, der konnte aus vielen Lesungen auswählen. Und nicht nur den Besuchern gingen die Veranstaltungen nahe, sondern auch den Autoren. Für Christian Berkel war es »ein sehr emotionales Erlebnis, vor einem jüdischen Publikum aufzutreten. Selten habe ich mich so aufgehoben gefühlt«. Dina und Leonie Spiegel lasen unter dem Titel »Jetzt mal Tacheles« jüdische Lieblingswitze ihres Vaters Paul vor, und die Autorin Lena Gorelik stellte ihr Buch »Mehr Schwarz als Lila« vor, in dem eine 17-Jährige ihr Erwachsenwerden beschreibt.
Küchengrüße Die Zahlen sind beeindruckend: 1,5 Tonnen Fleisch, rund 15.000 Essen, vier Tage kaschern. Die 60 Köche des Hotel InterContinental hatten alle Hände voll zu tun, um Shiriaschi Sushi, Hähnchen-Schawarma im Pitabrot, Fenchelsalat mit gebeiztem Lachs und Safrancreme, Winter-Tiramisu von der Birne und und und vorzubereiten. Gegessen wurden die Gerichte schneller, als sie serviert werden konnten – 1000 Portionen kamen in 25 Minuten auf den Tisch. Kein Wunder, war doch alles besonders lecker. Dass es auch koscher war, darauf achtete Rabbiner Shlomo Afanasev.
Party Gefeiert wurde – und zwar bis in die Morgenstunden. Von Whitney Houstons »I Will Always Love You« über Kool & the Gangs »Get Down On It« bis zu »Hava Nagila« – die Londoner Muzika Showband brachte auch den letzten Tanzmuffel dazu, am Samstagabend nach dem Buffet die Nacht zum Tag zu machen. Die Gäste waren bester Dinge, toll gekleidet und tranken auf das Leben.
Im Gespräch Feuilletonistisch, launig, unterhaltsam: Die drei Sessions unter dem Motto »Nachgefragt« von Michael Wuliger, Kolumnist der Jüdischen Allgemeinen, zogen viel Aufmerksamkeit auf sich. Am Donnerstag fragte Wuliger Christoph Stölzl, Vertrauensperson des Jüdischen Museums Berlin, nach den Führungsqualitäten von Helmut Kohl. Am Freitag nahm der Publizist Arye Sharuz Shalicar neben Wuliger Platz und erzählte aus seiner Gang-Vergangenheit in Berlin-Wedding. Am Sonntag sprach Michael Wuliger dann mit Zentralratspräsident Josef Schuster, der zu Weihnachten als »Blaulichtdoktor« im Rettungsdienst sitzt. Er tue dies nicht nur seinen christlichen Kollegen zuliebe, sagte Schuster: »Heiligabend Notarzt zu fahren, das ist eine völlig andere Atmosphäre als an jedem anderen Tag.«
Ankommen Einchecken, das Programm durchblättern und schon einmal schauen, wer so alles da ist? Der Gemeindetag ist die Gelegenheit, nicht nur neue Leute kennenzulernen, sondern auch die Menschen zu treffen, mit denen man vielleicht beim letzten Gemeindetag zusammensaß, lachte oder diskutierte. Über 1000 Teilnehmer kamen am 19. Dezember nach Berlin und fuhren mit vielen Eindrücken nach vier Tagen wieder in ihre Gemeinden.
Gebet Orthodox oder liberal – auf dem Gemeindetag gab es für jede und jeden den passenden Gottesdienst. Dafür wurden übrigens 1200 Siddurim verteilt.
Jazz-Brunch »Bei mir bist du schön«, »Tumbalalaika« und dazu einen Kaffee: Zu »Masha Ray«, dem Duo um Sängerin Masha und Trompeter Roman, kamen die Gemeindetagsteilnehmer am Sonntagmorgen geschmeidig in den Tag, bevor es in die letzten Sessions ging. Musik zu machen, während andere frühstücken, war für Masha Ray auf dem Gemeindetag angenehm: »Wir sind es gewohnt, dass Leute beim Essen eher weniger zuhören, aber hier war das anders – die Atmosphäre im Saal ist sehr schön. Die Leute sind aufgestanden, haben mitgesungen, mitgewippt – das war toll.«
Fotos: Marco Limberg, Gregor Zielke