Ein Jahr nach dem Ende der Sanierungsarbeiten wurde die Lübecker Carlebach-Synagoge am Donnerstag feierlich wiedereröffnet. Prominente Gäste waren unter anderem Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Die Eröffnungsfeier musste im vergangenen Jahr coronabedingt abgesagt werden.
»Die restaurierte Carlebach-Synagoge ist ein Schmuckstück«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster in seiner Festrede. Durch Bauwerke wie dieses und durch aktive Gemeinden werde jüdisches Leben sichtbar. »Wir brauchen diese Orte für die Gemeinden selbst, aber auch für Begegnungen mit der nichtjüdischen Umgebung«, ergänzte Schuster. Solche Begegnungen bauten Unwissenheit, Ängste oder Vorurteile ab.
selbstvergewisserung »Das Zusammenkommen einer Gemeinde ist nicht nur aus religiösen Gründen wichtig. Nein, es geht um noch viel mehr: Die jüdischen Gemeinden sind ein Ort des Zusammenhalts und der Stärkung, ein Ort der Selbstvergewisserung und der Identitätsbildung«, betonte der Zentralratspräsident in seiner Rede.
»Wir brauchen diese Orte für die Gemeinden selbst, aber auch für Begegnungen mit der nichtjüdischen Umgebung.«
Zentralratspräsident Josef Schuster
Schuster erinnerte auch an die zahlreichen antisemitischen Angriffe in Deutschland in den vergangenen Jahren. »Gerade hier in Lübeck ist allen Bürgern seit dem Brandanschlag auf die Synagoge im Jahr 1994 bewusst, wie gefährlich der Judenhass von Rechtsextremisten ist.« Es stelle sich immer drängender die Frage, was gegen den wachsenden Antisemitismus getan werden könne.
erinnerungsort Grütters würdigte die Carlebach-Synagoge als Erinnerungsort und als Teil des nationalen Kulturerbes. »Mit den weiterhin sichtbaren Spuren des nationalsozialistischen Zerstörungsfurors erinnert sie an Gewalt und Grausamkeit gegen Jüdinnen und Juden, an die systematische Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens und an die ihr zugrunde liegende menschenverachtende antisemitische Ideologie.« Gleichzeitig zeige sie jüdisches Leben als »inspirierenden Teil deutscher Geschichte und Gegenwart«. Das sei ein wichtiger Beitrag zur Antisemitismusprävention.
Laut Günther ist die renovierte Synagoge »eine Einladung an uns alle, unsere Herzen zu öffnen und füreinander da zu sein«. Sie solle ein Ort sein, der Menschen zusammenführt und Hoffnung auf eine friedliche Zukunft macht. Diese Hoffnung sei angesichts eines erstarkten Rechtsradikalismus und Antisemitismus in Deutschland wichtiger denn je. »Jüdisches Leben darf nie wieder etwas sein, dass man verstecken muss.«
Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonte, die Carlebach-Synagoge zeige jüdisches Leben als »inspirierenden Teil deutscher Geschichte und Gegenwart«.
Nach den Worten von Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay ist das Gotteshaus auch eine Bildungseinrichtung zur Vermittlung von Werten. Sie sollte junge Menschen zu guten Staatsbürgern und frommen Juden erziehen. Der Gemeindevorsitzende Alexander Olschanski versprach, dass die Synagoge ein offenes Haus sein soll. Eine neue Dauerausstellung informiert über die Synagoge und jüdisches Leben.
Gemeinderabbiner Nathan Grinberg brachte die Mesusot an den Eingängen zum Gotteshaus an. Damit können die Mitglieder der Gemeinde den prächtig restaurierten Gebetssaal und die anderen Räume der Synagoge wieder uneingeschränkt für Gottesdienste und Veranstaltungen nutzen. Dieser Tag sei ein Tag großer Freude für die gesamte Gemeinde, sagte Grinberg vor der Feier.
An dem Festakt nahmen rund 100 geladene Gäste teil. Für die Öffentlichkeit übertrug der Norddeutsche Rundfunk die Wiedereröffnung als Livestream im Internet.
Die Lübecker Synagoge ist eine der wenigen in Deutschland, die in der NS-Zeit nicht zerstört wurde. Im Zentrum der Sanierung stand die Erneuerung der reich verzierten Wände und Decken des zweistöckigen Gottesdienstraums.
Das Dach, die Heizung und die Sanitäranlagen mussten erneuert werden. Die Baukosten beliefen sich auf 8,5 Millionen Euro und wurden vom Bund, dem Land, der Stadt und drei Stiftungen bezahlt. Die Jüdische Gemeinde hat heute rund 600 Mitglieder, die überwiegend aus Osteuropa stammen.
Die Bauarbeiten hatten knapp zehn Jahre gedauert.
Die Bauarbeiten hatten knapp zehn Jahre gedauert. Ursprünglich sollte der Umbau 3,3 Millionen Euro kosten und 2017 fertig sein. Im Juni 2016 mussten die Arbeiten wegen fehlender Gelder gestoppt werden. Einige Monate lang war die Baustelle stillgelegt.
Fassade Die ersten Juden waren 1656 aus Polen nach Lübeck gekommen. Die Synagoge wurde am 10. Juni 1880 eingeweiht und trägt heute den Namen des damaligen Rabbiners Salomon Carlebach (1845–1919). Ursprünglich im maurischen Stil errichtet, verfügte das Gebäude bis Ende der 1930er-Jahre über eine prunkvolle Fassade und eine große Kuppel.
In der Pogromnacht am 9. November 1938 schändeten Nationalsozialisten die Synagoge und verwüsteten mehrere Räume. Die Synagoge musste an die Stadt verkauft werden und wurde als Sporthalle genutzt. Dafür ließ die Stadtverwaltung die Fassade und die Kuppel entfernen. Bei einem Brandanschlag durch Rechtsextreme wurden am 25. März 1994 der Vorraum und historische Dokumente zerstört.
Die Jüdische Gemeinde Lübeck zählt derzeit nach Angaben der Stadt gut 600 Mitglieder. Sie ist demnach die größte ihrer Art in Schleswig-Holstein. epd/dpa/kna/ja