Berlin

»Ein öffentliches Wohnzimmer«

Sonia Simmenauer über einen neuen jüdischen Salon und den Wunsch, Menschen auch in Corona-Zeiten zusammenzubringen

von Joshua Schultheis  13.12.2021 14:52 Uhr

Salondame Sonia Simmenauer Foto: Lennart Rühle

Sonia Simmenauer über einen neuen jüdischen Salon und den Wunsch, Menschen auch in Corona-Zeiten zusammenzubringen

von Joshua Schultheis  13.12.2021 14:52 Uhr

Frau Simmenauer, vorvergangenen Donnerstag hätte die erste Veranstaltung des neuen Jüdischen Salons im Café Hardenberg stattfinden sollen. Der Abend zur Frage »Wie religiös ist heute jüdisches Denken?« musste kurzfristig wegen Erkrankung abgesagt werden. Waren Sie sehr enttäuscht?
Mit solchen Absagen muss man zurzeit immer rechnen. Ich betreibe eine Agentur für Musiker und kann ein Lied davon singen. Alle Interessierten wurden eingeladen, trotzdem ins Café Hardenberg zu kommen, um zu trinken und zu reden. Das Angebot haben viele wahrgenommen, und damit hatten wir dann letztlich doch noch einen Salon-Abend.

Ein Salon, was ist das überhaupt?
Ein Ort, an dem man sich trifft, um zu diskutieren. Hier werden Fragen gestellt, ohne dass es den Zwang gibt, sich auf bestimmte Antworten festlegen zu müssen. In einem Salon geht es nicht so steif zu wie in einem Vortragssaal. Er ist ein öffentliches Wohnzimmer, wenn man so will. Da gibt es nicht eine Bühne da oben und ein stilles Publikum da unten. Es gibt zwar Leute, die eingeladen werden, um zu reden, die Idee ist aber, dass sich alle Anwesenden beteiligen können.

Was ist das Jüdische an Ihrem Salon?
Das Judentum ist das Thema, um das unser Salon kreist. Wir stellen uns die großen jüdischen Fragen von heute: Wer sind wir? Worauf fußen wir? Das sind keine Fragen, die in Universitäten, Schulen oder Gebetsräumen allein beantwortet werden können, dafür braucht es auch die Form des Salons, das gemeinsame Diskutieren. Eine wirklich abschließende Antwort darauf wird es aber natürlich nie geben können.

Im Jahr 2008 haben Sie schon einmal einen bis heute erfolgreichen jüdischen Salon gegründet, damals im Café Leonar in Hamburg. Woher kommt Ihr Interesse an dieser Art des Austauschs?
Es gab in der Vergangenheit sehr berühmte jüdische Salons in Deutschland. Allein jenen der Rahel Varnhagen, in dem sich Geistesgrößen wie Wilhelm und Alexander von Humboldt, Heinrich Heine und Georg Wilhelm Friedrich Hegel trafen. Es scheint beinahe in den Genen jüdischer Frauen zu liegen, Salons zu betreiben. Auch für mich fühlt es sich ganz natürlich an, verschiedene Menschen zusammenzubringen, um über schwierige Fragen zu reden. Dazu muss man sagen, dass ich eine sogenannte Zurückgekehrte bin. Zwar bin ich selbst in Frankreich aufgewachsen, mein Vater kam aber aus Deutschland. Für mich brachte meine Rückkehr nach Deutschland mit sich, dass ich mir die deutsch-jüdische Vergangenheit meiner Familie neu angeeignet habe. Meiner Verpflichtung gegenüber dieser Vergangenheit, die auch heute noch weiterlebt, komme ich auch nach, indem ich einen jüdischen Salon betreibe.

An der Gründung des Salons war auch die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) beteiligt, die vor allem für ihre Bildungsarbeit mit Jugendlichen bekannt ist. Wie kam diese Kooperation zustande?
Meine Mitstreiterin Marion Kollbach und ich haben für die Umsetzung des Salons nach Kooperationen mit Vereinen gesucht. Zur selben Zeit suchte auch die KIgA nach einer intellektuellen Form, ihre Themen über die eigene tägliche Arbeit hinaus zu bearbeiten. Der Kontakt kam über die Alfred Landecker Stiftung, die den Salon unterstützt, zustande, und für alle Beteiligten hat sich die Zusammenarbeit von Anfang an sehr organisch angefühlt.

Sie wollen in Ihrem Salon insbesondere die Frage behandeln, was Jüdischsein bedeutet. Richtet sich das Angebot also in erster Linie an Jüdinnen und Juden?
Nein, unser Salon ist offen für alle, die an einer konstruktiven Diskussion über jüdische Themen interessiert sind. Wenn ich danach frage, wer ich bin, muss ich auch danach fragen, wer der andere ist, weil ich mich nur durch den anderen definieren kann. Niemand ist eine isolierte Monade in der Welt. Es ist also geradezu essenziell, dass in unserem Salon für die verschiedensten Menschen die Möglichkeit besteht, sich kennenzulernen.

Wie geht es jetzt weiter mit dem Jüdischen Salon im Café Hardenberg?
Wir hoffen einfach, dass es die Umstände erlauben, dass wir den ersten Termin bald nachholen können. Ein weiterer Abend ist bereits für den 3. Februar terminiert. Die Gäste werden Max Czollek und Hanno Loe­wy sein. Das Thema muss aber noch erarbeitet werden.

Mit der Konzertmanagerin und Initiatorin sprach Joshua Schultheis.

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