Rotenburg/Wümme

Ein Mosaik jüdischer Geschichte

Noch nicht ganz fertig: In der sogenannten Cohn-Scheune wird auch noch eine Ausstellung vorbereitet. Foto: Wibke Woyke

Versteckt im Hinterhof, fernab der Blicke vorbeieilender Passanten verbrachte viele Jahre ein kleines Haus im niedersächsischen Rotenburg/Wümme seinen Dornröschenschlaf. Als der sogenannten Cohn-Scheune – baulicher Teil der Ortsgeschichte und Zeugnis jüdischen Lebens der Kreisstadt zugleich – der Abriss droht, trägt eine Bürgerinitiative das historisch bedeutende Gebäude Stück für Stück ab und realisiert den Wiederaufbau an anderer Stelle.

Seit den 70er-Jahren stand die Cohn-Scheune in der Großen Straße leer und verfiel. Als 2004 aufgrund eines geplanten Neubaus auf dem Grundstück eine Sanierung vor Ort unmöglich wird, gründen Bürger eine Interessengemeinschaft, um sie ab- und später wieder aufzubauen.

Alter Untersuchungen des Holzes zeigen, dass das Gebäude bereits 1834 errichtet worden sein könnte. 1861 gelangt es mitsamt dem Geschäftshaus durch Erbschaft in den Besitz der jüdischen Familie Cohn. 1934 treiben Nationalsozialisten das Kaufmannspaar Hermann und Gertrud Cohn in den Ruin. Nachdem ihre zwei Töchter im Ausland in Sicherheit sind, flüchten sie nach Berlin. Sie selbst werden 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Gegen den Wiederaufbau ihrer Scheune machen reaktionäre Bürger Front. Vordergründig argumentieren sie mit städtebaulichen Aspekten, bezeichnen das Gebäude als »alten Schuppen«. Doch die Mitglieder des inzwischen entstandenen Fördervereins lassen sich nicht beirren. Mithilfe der Stadt wird ein Grundstück gefunden. In eineinhalb Jahren werden 300.00 Euro von Bürgern und Stiftungen gesammelt. Und schließlich schweigen – zumindest öffentlich – auch die Kritiker.

Am Sonntag, 19. September, steht die Einweihung der Dokumentationsstätte und Kulturwerkstatt an. Zu den Gästen zählen die mehr als 90 Jahre alte Tochter des Ehepaars Cohn, Hildegard Jacobsohn, sowie Kantor Avraham Serf, der eine Mesusa an der Tür befestigt. »Wir können auf das Erreichte sehr stolz sein«, betont Schwekendiek. Dass er das sein darf, bestätigt Manfred Wichmann, Historiker im Jüdischen Museum Berlin. Er war maßgeblich an der Konzeption der Ausstellung beteiligt, die Einzug hält. »Originale Orte und Gebäude sind als Teil der historischen Erinnerungskultur sehr wichtig. Hier lässt sich oft das Spezifische von lokalen Besonderheiten zeigen«, weiß er. »So ist die Cohn-Scheune nicht nur ein Ort, der mit der NS-Verfolgung assoziiert werden kann, sondern ebenso einer, der für die wechselvolle Geschichte der jüdischen Einwohner steht, für das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in einer Kleinstadt, für die Integration und den sozialen Aufstieg bis hin zur Entrechtung unter den Nazis.

Forschung Ebenso ist das Gebäude Teil der lokalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.« In Deutschland erhalte man glücklicherweise solche historischen Orte beziehungsweise mache sie sichtbar. »Neben den Synagogen geraten Privat- und Wirtschaftshäuser in den Fokus der Öffentlichkeit und Erinnerungskultur. Solchen aber wie in Rotenburg mit einer eigens erstellten Dauerausstellung eine neue Funktion zu geben, ist noch selten«, weiß Wichmann. Die Besucher können sie klassisch als Darstellung eines Themenkomplexes nutzen, sich aber ebenso selbst auf Spurensuche begeben.

Zur Ausstellung ist auch ein leicht verständliches Dokumentationsbuch entstanden, das fast den gesamten Überblick über die jüdische Bevölkerung vom Beginn der Ansiedlung Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gibt, und dazu die Entwicklung der Gemeinde rekonstruiert.

Feiertage

Chatima towa, oder was?

Was von Rosch Haschana über Jom Kippur bis Sukkot die korrekte Grußformel ist

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  16.10.2024 Aktualisiert

Berlin

Ceremony of Resilience: Ein Abend des gemeinsamen Gedenkens

Zahlreiche Interessierte kamen in den Festsaal Kreuzberg, um gemeinsam an den Anschlag vor fünf Jahren auf die Synagoge in Halle zu erinnern und zusammen Kraft zu schöpfen

von Florentine Lippmann  16.10.2024

Makkabi

»Sportlich und mental stärken«

Simone Schneidmann über den Sukkot-Großlehrgang in NRW, Zusammenhalt und die Highlights im Programm

von Ralf Balke  16.10.2024

Feiertag

Abenteuer Sukka

Balkon oder Garten? Es gibt viele Möglichkeiten, eine Laubhütte aufzustellen. Wir haben uns umgesehen

von Chris Meyer  16.10.2024

Erfurt

Fotoausstellung über Israel nach dem 7. Oktober 2023

Vom 18. Oktober 2024 bis 30. März 2025 zeigt das Netzwerk »Jüdisches Leben Erfurt« zusammen mit verschiedenen Kooperationspartnern die Ausstellung »Sei a Mensch«

 16.10.2024

Würdigung

Merz würdigt Knobloch als Stimme für Aussöhnung und Toleranz

Der Wirtschaftsflügel der Union zeichnet die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern für ihre Zivilcourage aus. CDU-Chef Merz findet klare Worte

von Jörg Blank  15.10.2024

Dessau

Voller Licht

Vor 30 Jahren gründete sich die Gemeinde. In der neuen Synagoge feierten die Mitglieder nun das Jubiläum

von Blanka Weber  15.10.2024

Fachtagung

Jüdische Schüler geben sich oft nicht als solche zu erkennen

Diese Tendenz habe sich nach dem 7. Oktober verstärkt.

 15.10.2024

München

Von Stadtrundgang bis Synagoge

Der Europäische Tag der jüdischen Kultur in der IKG bot unter dem Motto »Familie« ein vielfältiges Programm

von Nora Niemann  14.10.2024