Grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Berlin, in denen Symmetrien, Schatten und Spiegelungen dominieren: Die 24 Fotografien, die bis zum 31. Januar in der Neuen Galerie Berlin in Charlottenburg gezeigt werden, weisen eine eigentümliche Strenge auf.
Obwohl man sie auf den ersten Blick für flüchtige Momentaufnahmen halten könnte, spricht das bewusste Spiel mit Licht und Dunkelheit, mit Motivwinkeln und grafischen Elementen bei genauerer Betrachtung für eine sorgfältige Bildkomposition.
Der scheinbare Widerspruch, der die Fotos kennzeichnet, findet sich auch in ihrem Urheber: Kurz vor Eröffnung der Ausstellung steht Efraim Habermann in der Tür der Galerie. Obwohl der 82-Jährige von eher kleiner Statur ist, nimmt er sofort den ganzen Raum ein, zur Begrüßung schmettert er eine Arie aus Tosca.
leichtigkeit Habermann wirkt wie aus der Zeit gefallen: Der dunkle Nadelstreifenanzug sitzt tadellos, ein lilafarbenes Einstecktuch lugt aus der Brusttasche hervor, die rote Krawatte ist mit Bedacht gewählt. Trotz des nassen Winterwetters glänzen die schwarzen Lederschuhe des Künstlers – man merkt, dass ihm sein Erscheinungsbild wichtig ist.
Und dennoch versprüht er eine gewisse Leichtigkeit, betreibt charmante Konversation und strahlt ein »Laissez-faire«-Gefühl aus, das in das Berlin der 20er-Jahre passen würde.
Zur Begrüßung reicht Habermann einem nur den kleinen Finger – die Haut seiner Hände sei so empfindlich, begründet er die Geste. Was bei jedem anderen manieriert wirken würde, erscheint bei ihm einfach liebenswürdig. Über seine Ausstellung freue er sich sehr, sagt er, Nervosität sei mit der Eröffnung allerdings nicht verbunden. »Mit dem Alter kommt die Gelassenheit«, sagt Habermann und lächelt.
Routine Zudem befindet sich die Galerie mitten in seinem Kiez: Seit mehr als 40 Jahren lebt er in diesem Teil von Charlottenburg. In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin kennt ihn jeder.
Jeden Tag folgt er der gleichen Routine – Frühstückskaffee im »Manzini«, dann Mittagessen im Gemeindehaus in der Fasanenstraße und Espresso im »Literaturhaus«. Sein täglicher Weg führt ihn auch an der Neuen Galerie Berlin vorbei, die Tanja von Unger im Oktober vergangenen Jahres eröffnet hat.
»Ein paar Tage vor der Eröffnung stand Herr Habermann neben meinem Mann und fragte ihn: ›Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?‹«, erinnert sie sich lachend. Diese Begegnung habe schließlich zur aktuellen Ausstellung geführt, die sie kurzfristig ins Programm genommen habe. »Wir stellen nur Fotos aus und setzen dabei einen Schwerpunkt auf Fotojournalismus«, fasst Unger zusammen.
So passten Habermanns Bilder gut ins Spektrum der Galerie. Zudem sei er ein Teil des Kiezes und gehöre zur Nachbarschaft: »Da muss man das einfach machen.«
herz Für Unger zeigten Habermanns Fotografien einen ganz eigenen Blick auf die Stadt: »Berlin wird durch seine Augen mit Ästhetik gesehen, das finde ich faszinierend.« Tatsächlich haben die Bilder etwas Malerisches.
Das ist kein Zufall: Ursprünglich wollte Habermann Maler werden, Zeit seines Lebens hat er Aquarelle angefertigt – »und das auch erfolgreich«, wie er betont. Dabei malte er vor allem in Postkartengröße. »Kunst muss nicht immer groß sein, wie es heute den Anschein hat«, unterstreicht er. »Auch meine Fotos würden, wären sie größer, an Intimität verlieren.«
So wirken Habermanns Bilder wie eine persönliche Sicht auf Berlin, das er als seine »Seh-Heimat« bezeichnet. »Herz-Heimat« bleibe allerdings Israel.
1939, als er sechs Jahre alt war, schafften es seine Eltern noch, von Berlin nach Tel Aviv zu fliehen. 1957 kehrte er in die deutsche Hauptstadt zurück. Über die Gründe dafür spricht er nicht gerne, viel lieber erklärt er, wie er die Motive für seine Kunst auswählt.
motive »Bestimmte Elemente machen eine Aufnahme für mich spannend, so können zum Beispiel Wolken Dramatik in ein Bild bringen«, führt er aus und zeigt auf ein Foto, das er durch die Säulen der Alten Nationalgalerie hindurch auf den Fernsehturm aufgenommen hat. Doch keines der Bilder zeigt Porträts. »Ich fotografiere auch Menschen, aber ich integriere sie immer in eine grafische Struktur«, sagt Habermann dazu.
Trotz mehrerer Ausstellungen und Zeitungsabdrucke hat er seinen Beruf als technischer Zeichner und Grafiker bis zur Rente nicht aufgegeben. »Ich bin ein realistischer Mensch und habe deswegen nie nur als Künstler gearbeitet«, erklärt er. »Meine Kunst würde ich auch als Realromantik bezeichnen, mich als Mann als Troubadour und als Menschen als Romantiker.«
oper Im Katalog zur Ausstellung wird er zudem »Fotoflaneur« genannt, womit sich Habermann allerdings nicht wirklich anfreunden kann. »Wenn ich fotografieren gehe, dann suche ich gezielt nach guten Objekten, das hat nichts mit ziellosem Schlendern zu tun.« Und wenn er dann auf den Auslöser drücke, dann mache er ein, maximal zwei Fotos.
Ein persönliches Lieblingsmotiv hat er nicht. »Ich mag sie alle«, sagt er. Nach einigem Überlegen verweist er jedoch auf ein Foto von der Deutschen Oper, das die scharfen Kanten des Gebäudes markant in Szene setzt.
»Ich wäre gerne Opernsänger geworden. Ich hatte drei Gesangsstunden, konnte mich aber nicht genug konzentrieren«, erinnert er sich. Dabei hätten ihm andere bescheinigt, dass er etwas aus seiner Stimme hätte machen können. Stattdessen eignete er sich autodidaktisch das Fotografieren an.
Mittlerweile geht er allerdings nur noch selten auf Motivsuche: Zu stark sei der Tremor in seinen Händen, so Habermann lakonisch, dessen Finger tatsächlich merklich zittern. »Manchmal muss man loslassen. Das kann nicht jeder, aber ich schon«, stellt er ohne Melancholie fest – um dann mit einem breiten Lächeln zu ergänzen, dass er vielleicht wieder aktiver werde: »Einen Schlussstrich ziehe ich noch nicht.«
Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Januar zu sehen. Weitere Informationen unter www.neuegalerieberlin.com