Bei den Corona-Demonstrationen waren sie nicht zu übersehen: gelbe Aufnäher und Aufkleber in Form eines Davidsterns mit der Aufschrift »Ungeimpft«. Das wollte die Stadt München nicht länger hinnehmen und hat Ende Mai ein entsprechendes Verbot erlassen.
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hatte während der Corona-Krise mehrfach auf die unübersehbar rechten und antisemitischen Tendenzen im Umfeld der sogenannten Hygiene-Demos hingewiesen. Für sie sei das Verbot daher ein konsequenter und notwendiger Schritt. »Mit der Ausbreitung des Coronavirus«, stellt sie fest, »hat Judenhass offenbar eine neue Projektionsfläche erhalten.«
BEDEUTUNG Die Bedeutung des Davidsterns, der zum einen die Flagge Israels ziert, der aber in gleichem Maße eine starke religiöse Symbolik hat und beispielsweise im Glasdach der Ohel-Jakob-Synagoge als architektonisches Glanzstück verbaut ist, steht außer Frage.
Dies trifft ebenso auf das dunkelste Kapitel der Menschheitsgeschichte zu, als der Davidstern von den Nationalsozialisten als Zwangskennzeichnung von Juden verwendet wurde – abgewandelt in einen gelben Stern, bestehend aus zwei sich überlagernden, schwarz umrandeten Dreiecken mit der Aufschrift »Jude«.
Derselbe gelbe Stern, nur mit einem anderen Schriftzug versehen, wird auf Corona-Demonstrationen getragen. Die geschwungenen Buchstaben, wie sie auch jetzt wieder verwendet werden, sollten ursprünglich die hebräische Schrift verhöhnen.
TABUBRUCH Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, nennt das Tragen des gelben Sterns bei den Demonstrationen einen »kalkulierten Tabubruch«. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf Baden-Württemberg, wo im vergangenen Jahr bei Kundgebungen gegen das Diesel-Fahrverbot ebenfalls sogenannte Judensterne mit der Aufschrift »Dieselfahrer« verwendet wurden.
Auf die zwangsläufigen Folgen derartiger Grenzüberschreitungen weist Charlotte Knobloch hin: »Das ist eine unerträgliche Verhöhnung aller Holocaustopfer, aller jüdischen Menschen. Das ist Antisemitismus pur.«
Wie weit diese Grenzen inzwischen überschritten werden, beweisen auch andere Aufkleber, die in der Landeshauptstadt aufgetaucht sind. Sie zeigen den von Corona-Leugnern massiv angefeindeten Virologen Christian Drosten und den NS-Arzt Josef Mengele. Versehen ist der Sticker mit dem Satz »Trust me, I’m a Doctor«.
Charlotte Knobloch verweist auf rechte und antisemitische Tendenzen der Corona-Leugner.
Charlotte Knobloch kommentiert diese Beispiele kurz und knapp: »Widerwärtiger geht es nicht mehr.« Eine ähnliche Diktion verwendet auch der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter. Auf seinem Twitter-Account schrieb er, dass er das Verbot des Tragens sogenannter Judensterne ausdrücklich begrüße, um »dem widerlichen Antisemitismus« einen Riegel vorzuschieben.
Die rechten Strömungen in der Gesellschaft, vor allem in den letzten Jahren, beobachtet die IKG-Präsidentin schon seit geraumer Zeit mit wachsender Sorge. Sie hat dies immer wieder thematisiert, auch in Gesprächen mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Umso erfreuter nimmt sie deshalb auch die konsequente Haltung der Stadt wahr, nicht nur, was das Verbot der gelben Sterne angeht.
VERBUNDENHEIT Charlotte Knobloch erinnert in diesem Zusammenhang auch an die Errichtung des Gemeindezentrums und der Synagoge am Jakobsplatz sowie an die sichtbare Rückkehr der Juden ins Herz der Stadt. Es sei ausdrücklich der Wunsch Münchens gewesen, durch die Wahl dieses Standorts die Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft zu dokumentieren. Und daran lasse die Stadt mit Oberbürgermeister Reiter an der Spitze seit vielen Jahren keinen Zweifel.
In der Vergangenheit hatte Dieter Reiter bei verschiedenen Anlässen immer wieder betont, dass der Kampf gegen den sich zunehmend ausbreitenden Antisemitismus nicht in der Verantwortung der jüdischen Mitbürger liege, sondern dass dieser Kampf eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung darstelle.
Besonders intensiv erinnerte er beim Gedenken anlässlich des 50. Jahrestages des antisemitischen Brandanschlags auf das jüdische Altenheim in der Reichenbachstraße am 13. Februar 1970 an diese besondere Verantwortung. Zu den Todesopfern gehörten auch zwei Bewohner des Heims, die den Holocaust überlebt hatten.
ENGAGEMENT Wie wichtig das gesamtgesellschaftliche Engagement bei der Bekämpfung von Antisemitismus und Israelfeindlichkeit ist, machte Oberbürgermeister Reiter bei der Gedenkfeier auch an der Erkenntnis fest, dass der mörderische Anschlag auf das Altenheim angesichts weiterer antisemitisch motivierter Gewalttaten auf Münchner Boden bis in die jüngere Zeit hinein zum größten Teil aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden sei. Darüber sei er sehr verwundert, erklärte Reiter seinerzeit bei den Feierlichkeiten im Alten Rathaus.
Jetzt, ein halbes Jahr nach dieser Rede, folgte mit dem Verbot der »Judensterne« ein kleiner, aber wichtiger Schritt in der Praxis. Im Auflagenbescheid der Stadt, in dem die Zahl der Demonstrationsteilnehmer und der Mindestabstand reglementiert werden, ist auch festgehalten: Wer einen der unsäglichen gelben Aufkleber oder Aufnäher trägt, muss ein Bußgeld zahlen.