Restitution

»Ein kleines Stück Gerechtigkeit«

Leibl Rosenberg: »Es ist ein sehr komplexes Aufgabengebiet.« Foto: Miryam Gümbel

Herr Rosenberg, zur Stadtbibliothek Nürnberg gehört auch die »Sammlung IKG«, die von Ihnen betreut wird. Was ist das für eine Sammlung?
Es ist ein Konvolut Tausender Bücher und Schriftstücke, die während der Zeit des Nationalsozialismus ihren Eigentümern, darunter vielen Juden, geraubt wurden und in der Redaktionsbibliothek von Julius Streicher landeten, des sogenannten Gauleiters der NSDAP in Franken und Herausgebers des Nazi-Hetzblattes »Der Stürmer«. Nach dem Krieg gingen die Schriften in das Eigentum der IKG über und wurden der Stadtbibliothek in Nürnberg als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Sie führten lange Zeit ein Dornröschendasein, die Aufarbeitung begann erst in den späten 90er-Jahren.

Sie sind der Beauftragte für die Sammlung. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Es ist ein sehr komplexes Aufgabengebiet. Zunächst einmal ging es um die Inventarisierung der nahezu 10.000 Bücher und Schriften. Das hat viele Jahre gedauert und ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Ähnlich lange läuft das damit verbundene Projekt, die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger ausfindig zu machen. Eine Rückführung der Sammlungsstücke unterliegt strengen ethischen und rechtlichen Richtlinien und entspricht dem international geltenden Standard.

Betreiben Sie dann so etwas wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen?
Den Vergleich kann man durchaus ziehen. Oft ist es nur eine handschriftliche Bemerkung auf dem Einband, ein Name oder ein Stempel, die einen Hinweis auf den früheren Eigentümer liefern. Trotzdem ist es uns bisher gelungen, mehr als 2000 Vorbesitzer ausfindig zu machen. Mehr als 700 von ihnen haben Bücher oder Schriftstücke zurückbekommen. Sie stammen aus einem Dutzend verschiedenen Ländern.

Da haben Sie aber noch eine Menge Arbeit vor sich, wenn Sie alle Vorbesitzer ausfindig machen und die Bücher zurückgeben wollen.
Wir haben auf der Internetseite der Nürnberger Stadtbibliothek gerade eine aktuelle Liste mit den uns zur Verfügung stehenden Daten veröffentlicht, um auf diese Weise weitere Eigentümer ausfindig zu machen. Alle werden wir mit Sicherheit nicht finden können, aber wir werden jedenfalls alles Erdenkliche dafür tun, um möglichst viele von ihnen entdecken und kontaktieren zu können.

Weil die einzelnen Bücher oder Dokumente so wertvoll sind?
Ja, das sind sie in der Tat. Ich denke dabei allerdings nicht nur an ihre materiellen Werte. Eher daran, dass mit der Restitution von Raubgut den Opfern nach all den vielen Jahren wenigstens ein kleines Stück Gerechtigkeit zuteilwird. Der emotionale Wert für Hinterbliebene und Nachfahren, der mit einem real existierenden Fragment aus der Vergangenheit verbunden ist, lässt sich dagegen kaum beschreiben. Ich weiß von einer Familie, die ein altes Schulbuch ihres Großvaters neben den Chanukkaleuchter stellt, damit er beim Lichteranzünden dabei sein kann. Das ist ein Hinweis auf den eigentlichen Wert.

Mit dem Beauftragten der Stadtbibliothek zur Restitution von Buchbeständen aus NS-Raubgut sprach Helmut Reister.

Gemeinden

Blick auf ein besonderes Jahr

Die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagte in München. Für große Begeisterung im Saal sorgte die Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

von Katrin Richter  24.11.2024

Gastro

Wie bei Muttern

Das Flair der 1920er-Jahre trifft auf die Moderne. In Clärchens Ballhaus hat das Restaurant Luna DʼOro eröffnet. Es gibt Tatar-Igel, Spreewald-Gurken und Broiler

von Alicia Rust  24.11.2024

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 24.11.2024 Aktualisiert

Porträt der Woche

Familie als Sujet

Elinor Sahm ist Israelin, Künstlerin, Mutter und lebt jetzt in Berlin

von Alicia Rust  23.11.2024

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024