Klein, aber fein. Mit dieser Formel lässt sich das in der Nähe zum Schlesischen Tor in der Köpenicker Straße in Berlin-Kreuzberg gelegene Zàgara wohl am besten beschreiben. Auch wirkt die Eisdiele auf den ersten Blick recht unspektakulär – ein einfacher, gelb gestrichener Raum mit Bistrotischen, einer Espressomaschine und einer Theke. Das ist schon alles.
Doch der Blick auf die Tafel mit den verschiedenen Eiskreationen, die im Angebot sind, verrät eines: Ganz banale Standardsorten wie Vanille, Schoko oder Erdbeer wird man hier eher nicht finden.
Dafür gibt es Macadamia mit einer Prise Fleur de Sel, Schokolade mit kandierter Orangenschale oder Erdnusseis in Kombination mit Himbeerkompott. Und auch die Zutaten sind keine Massenware aus dem Großmarkt, sondern stammen von ausgewählten Zulieferern.
PISTAZIENEIS »Für unser Pistazieneis verwenden wir ausschließlich eine Art, die in Sizilien beheimatet ist und am Hang des Ätna angebaut wird«, erklärt Gil Mor. »Weil der Vulkanboden dort reich an Mineralien ist, haben die Pistazien einen ganz besonderen Geschmack, der durch ein spezielles Röstverfahren noch weiter verfeinert wird«, sagt der 52-jährige Betreiber der Eisdiele. Künstliche Aromen oder Farbstoffe kommen ihm nicht ins Haus, wie der Israeli betont.
Er verwendet ausschließlich Sahne, Zucker und 100 Prozent reine Kakaomasse für Varianten, die Schokolade enthalten, oder aber Erdbeere, Zitrone, Mango und Zucker für die Fruchteissorten.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Schokoladeneis-Kombinationen für Veganer. »Der Name Zàgara verweist auf die italienische Herkunft«, ergänzt Tiziana Zanolli, seine Partnerin. »Es ist die Bezeichnung für die zarten, weißen und duftintensiven Blüten der Zitrusfrüchte.«
Die Kombination aus Bitterschokolade und Rote Bete ist der Hit.
Seit gut einem Jahr nun existiert das Zàgara bereits. »Von Anfang an lief das Geschäft recht ordentlich«, erzählt Gil Mor. »Wir hatten sowohl viel Laufkundschaft als auch schon bald Stammkunden.« Und weil Eis ein Saisonprodukt ist, war es ganz normal, dass der Betrieb im Herbst nachließ. »Man geht quasi in den Winterschlaf und verkauft weniger.«
Im Frühjahr wollte man wieder durchstarten. »Dann kam dieser Albtraum namens Corona.« Aufgrund der zahlreichen Unsicherheiten hatte das Zàgara Anfang März deshalb erst einmal für zwei Wochen dichtgemacht. »Aber wir haben uns entschlossen, wieder aufzumachen, und nahmen zusätzlich Kuchen, Sandwiches oder Kaffeespezialitäten zum Mitnehmen ins Programm auf.«
Eine Karriere als Eismann in Kreuzberg war Gil Mor nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Eigentlich ist der in Afula geborene und in Haifa aufgewachsene Israeli, dessen Familie aus Deutschland und Polen stammt, nämlich Biologe. Nach einigen Semestern an der Hebräischen Universität zog es ihn aber nach Mailand, wo er Medizin studierte und anschließend in einer Klinik arbeitete, die sich auf In-vitro-Fertilisation spezialisiert hatte.
Eigentlich ist der Israeli, dessen Familie aus Deutschland und Polen stammt, Biologe. Als er 50 Jahre alt wurde, wagte er einen Neuanfang.
Doch als er 50 Jahre alt wurde, wollte Gil Mor einen Neuanfang wagen. Nur, was genau? Er besuchte Freunde in Berlin, kam dort mit den Betreibern der legendären Eisdiele Anna Durkes im Graefekiez in Kontakt – und damit schließlich auch auf die Idee, es selbst auszuprobieren mit dem Eis.
Also reiste Gil Mor nach Apulien, wo er die Kunst der professionellen Gelato-Herstellung von der Pike auf bei Kennern des Fachs erlernte. Nächste Station sollte wieder Mailand sein. Dort schaute er für einige Zeit Stefano Guizzetti in die Töpfe, einem weltweit bekannten Gelatiere.
KNOW-HOW Mit diesem Know-how wagte Gil Mor, der mittlerweile sogar im Englischen und Hebräischen einen italienischen Akzent hat, in Berlin den Schritt in die Selbstständigkeit. Das bedeutete auch, Konzessionen an den deutschen Geschmack zu machen.
»Hierzulande mag man es weniger süß als in Italien«, so seine Beobachtung. »Das heißt, dass ich bei einigen Sorten wirklich auf das Minimum an Zucker runtergehen musste.« Und er begann, fast schon spielerisch zu experimentieren. »Das von mir erfundene Biereis war kein großer Hit. Sehr wohl aber die Kombination von Früchten, die hierzulande sehr beliebt sind, unter anderem Erdbeeren mit Rhabarber.« Oder aber Afrikanische Bitterschokolade mit der eher in Mittel- und Osteuropa beliebten Roten Bete.
Manche Eiskreationen klingen etwas unkonventionell, finden aber schnell ihre Liebhaber. Überraschend viele Kinder sind übrigens darunter – obwohl er keine Sorten im Angebot hat, die speziell auf ihre Geschmäcker zugeschnitten sind. »So etwas wie blaues Schlumpfeis würde ich niemals herstellen.«
In Mailand schaute er für einige Zeit Stefano Guizzetti in die Töpfe, einem weltweit bekannten Gelatiere.
Auch eine interessante Beobachtung konnte er in den vergangenen Wochen machen. »Plötzlich wollen die Leute vermehrt größere Portionsbecher«, so Gil Mor. »Aus Israel kennt man es, dass jemand ein Kilo Eis oder sogar mehr kauft, um es zu Hause zu essen oder als Gastgeschenk zu einem Abendessen mitzubringen.
Das scheint jetzt auch hier populärer zu werden.« Dafür hat er eine Erklärung: »In Krisenzeiten will man sich gerne etwas Kleines gönnen, was nicht allzu teuer ist – Eis ist dann sehr beliebt.« Und erst recht, wenn es so gut schmeckt wie die Kreationen von Zàgara.