»Shkoyach« rufen sich die Gläubigen in der Synagoge zu, wenn sie sich Kraft wünschen oder auch Glück. Aber wo der Begriff ursprünglich herkommt und was genau damit gemeint ist, ist unklar. Klar ist dagegen, dass der Begriff gut zu einer Reihe im Grünen Salon in der Berliner Volksbühne passt. Dort findet einmal im Monat ein jüdischer Salon statt – mit Jazz und Klesmer, mit Gedichten und klassischen Rezitalen, mit hebräischen Liedern und israelischen Schlagern: Ein Kessel Buntes.
Organisiert wird der Salon von Max Doehlemann, seines Zeichens Pianist und Komponist. Doehlemann führt durch den Abend, spielt mit seinem Jazztrio oder als Solist klassischer Klavierwerke. »Ich fand den Titel ›Shkoyach‹ lustiger als zum Beispiel das abgedroschene ›L’Chaim‹. Für mich ist der Salon eine gute Möglichkeit, meinen Kram unkompliziert an den Mann zu bringen«, untertreibt der Musiker. Denn Doehlemann und seine illustren Gäste haben alles andere, nur keinen »Kram« oder gar Ladenhüter zu bieten.
Gäste Neun Abende hat es bislang gegeben. Beim letzten Mal, Mitte Februar, hatten sich trotz lausiger Kälte ein paar Dutzend Menschen eingefunden, um den Schauspieler Detlev Lutz mit Tucholsky-Gedichten oder die zwei »Seebergerinnen« mit frechen Chansons als geladene Gäste zu hören. Und natürlich Max Doehlemann mit seinem Jazz-Trio um Martin Fonfara (Schlagzeug) und Christian Schantz (Bass). Seine Gäste findet Doehlemann über berufliche Kontakte, zum Beispiel über das Berliner Ensemble, an dem er seit drei Jahren mitwirkt.
»Ich möchte jüdische Kultur präsentieren, ohne dass das Ganze zu sehr volkstümlich wird. Ich hatte zum Beispiel schon den Sänger Karsten Troyke da, der ein toller Interpret jiddischer Lieder ist. Oder auch die Sängerin Sandra Kreisler mit jüdischen Chansons.«
Begonnen hat die Shkoyach!-Reihe ursprünglich im Teehaus Tiergarten, das vom Kulturamt Mitte aber geschlossen wurde. Als dann Doehlemann mit »Walter Rothschild And The Minyan Boys« ein Konzert im Grünen Salon gab, entstand kurzerhand die Idee, eine wiederkehrende Veranstaltung an diesem Ort zu etablieren. Ein jüdischer Salon in Anlehnung an die berühmten Vorläufer von Henriette Herz, Rahel Varnhagen oder Dorothea Schlegel, wie sie zwischen 1780 und 1806 in Berlin Furore machten, war allerdings nie geplant.
»Ich will gar nicht unbedingt eine Wiedergeburt der historischen jüdischen Salons, sondern eine Idee des Kultursalons verwirklichen, in der verschiedene Künste miteinander in Kontakt treten. Ich will nicht nur eine bestimmte Form der Musik, keine theoretischen Konstrukte.«
stil So kommt es, dass neben Ganef, dem Gitarren-Barden aus Odessa, sperrige Kompositionen von György Ligeti und launige Evergreens von Friedrich Hollaender auftauchen. Die stilistische Offenheit geht so weit, dass selbst Doehlemanns Jazz-Trio nicht nur die Klassiker von Miles Davis, sondern auch eine »sefardische Melodie« und das Gebet »Awinu Malkeinu« neben Henry Mancinis Ohrwurm »Days of Wine and Roses« interpretiert.
Dabei handelt es sich nicht nur um jüdische Musik, wie Doehlemann eingesteht.
Es gebe ohnehin keine klare Grenzlinie zur nichtjüdischen Musik. Doehlemann weiß um derartige Unterscheidungen, seit er die CD Jakobs Traum – Neue jüdische Lieder gemacht hat. Die acht Stücke des Albums besitzen zwar jüdische Thematik, aber kompositorisch stehen sie in erster Linie in der Tradition der Modernen Klassik. Da ist der Komponist Doehlemann in bester Gesellschaft mit Arnold Schönberg, Maurice Ravel oder Leonard Bernstein.
Sein Handwerk hat Doehlemann in seiner Geburtsstadt München und in Berlin gelernt, wo er klassische Komposition, Klavier und Dirigieren studiert hat. Seine jüdische Seite und die seiner Musik hat er erst später entdeckt: »Ich gehe durchaus in die Synagoge, aber ich werde nun nicht jeden Tag Tefillin legen und vor mich hin ›dubben‹. Den Schabbat finde ich schon deshalb schön, weil ich dadurch einen Rhythmus ins Leben bekomme«, sagt Doehlemann, wohl wissend, dass er als Musiker am Freitagabend meistens arbeiten muss.
Wie an den Feiertagen. Zu Purim etwa findet der nächste Shkoyach!-Abend mit dem Motto »Purim Karneval Spezial« statt (Montag, 14. März, 20 Uhr). Mit auf der Bühne steht einmal mehr Rabbiner Walter Rothschild mit seinen »Minyan Boys«. »Das wird ein ausgelassener Abend«, prophezeit Max Doehlemann. Und fügt hinzu, dass es vermutlich auch feucht-fröhlich wird. Da wünscht man doch »Shkoyach!«.
Shkoyach! Max Doehlemann präsentiert Jazz, Klassik, Chanson und Literatur