Sie wurde im selben Jahr geboren wie Sophie Scholl: Die Schoa-Überlebende und Frankfurter Ehrenbürgerin Trude Simonsohn begeht am 25. März ihren 100. Geburtstag. Sie lebt im Seniorenheim der Budge-Stiftung. Der dortige Rabbiner Andrew Steiman sagt am Telefon, Simonsohn sei nach wie vor politisch engagiert. Sie finde es schlimm, dass eine Demonstrantin der »Querdenker«-Bewegung sich unlängst mit Sophie Scholl verglich.
»Es hat sie sehr deprimiert, wie groß die Defizite sind bei den jungen Leuten, was Geschichte betrifft«, berichtet Steiman. Simonsohn habe diesem Defizit die Schuld daran gegeben, wenn so ein Mädchen sich mit einer Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus vergleiche.
Theresienstadt Trude Simonsohn kam 1921 als Trude Gutmann im tschechischen Olomouc (Olmütz) als einzige Tochter eines Getreide-Kommissionärs und einer Hutmacherin zur Welt. Sie überlebte Gestapo-Haft, das Ghetto Theresienstadt und das Konzentrationslager Auschwitz.
Um 1950 kam sie mit ihrem Mann Berthold Simonsohn (1912–1978) nach Deutschland. 1955 zog die junge Familie nach Frankfurt am Main, wo Berthold Simonsohn die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) aufbaute.
»Immer wieder habe ich mich gefragt wie es nach allem, was sie durchlebt und erlitten hat, möglich ist, sich diese leuchtende, dem Leben zugewandte Ausstrahlung zu bewahren.«
Gemeindevorsitzender Salomon Korn
Trude Simonsohn übernahm in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt die Stelle für Sozialarbeit und Erziehungsberatung. Von 1989 bis 2001 war sie Gemeinderatsvorsitzende. 1958 war sie Gründungsmitglied der WIZO-Gruppe Frankfurt, deren Vorstand sie 40 Jahre lang angehörte. Für ihr Engagement als Zeitzeugin wurde Simonsohn mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2010 mit dem Ignatz-Bubis-Preis der Stadt Frankfurt.
schlüssel »Trude Simonsohn war ihren eigenen Worten zufolge ein glückliches Kind. Diese Feststellung ist, wie keine andere, Zugang und Schlüssel zu ihrem bewegten Leben, vor allem aber zu ihrem – einem Wunder gleichenden – Überleben während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft«, schreibt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, Salomon Korn, anlässlich des 100. Geburtstags von Trude Simonsohn.
Er fährt fort: »Immer wieder habe ich mich gefragt wie es nach allem, was sie durchlebt und erlitten hat, möglich ist, sich diese leuchtende, dem Leben zugewandte Ausstrahlung zu bewahren; und wenn ich Trude treffe und sie anschaue, dann schwindet jede Angst vor einem hohen Alter – möge es so bleiben bis mindestens 120!«
GLÜCKWÜNSCHE Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) gratulierten Simonsohn, die 2016 in der Paulskirche zur Ehrenbürgerin der Stadt Frankfurt ernannt worden war. Simonsohn sei »wahrlich eine Jahrhundertzeugin«, schrieb Bouffier in einem Glückwunschschreiben.
Bouffier würdigte die Lebensleistung der gelernten Krankenpflegerin: »Die dunkelsten Stunden haben Sie durchleben müssen und überlebt. Ihre Entbehrungen, Erfahrungen und den Schmerz haben Sie mahnend an die jüngere Generation weitergegeben, damit sich diese furchtbaren Geschehnisse nie wieder ereignen.« Das Geschehene könne man nicht ungeschehen machen, so der Ministerpräsident. »Aber das Reden darüber hilft, wachsam zu sein und künftig solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.«
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gratulierte ebenfalls. Sie betonte: »In bewundernswerter Weise hat Trude Simonsohn für all das Unvorstellbare, das sie durchleiden musste – Ausgrenzung, Demütigung, die Ermordung ihrer Eltern, Hunger, Krankheit, Ghetto, Arbeits- und Konzentrationslager – Worte gefunden«. Sie habe ohne Hass und Schuldzuweisungen stetig für Wachsamkeit und Verantwortungsbewusstsein geworben.
Es sei ihr bleibender Verdienst, »dass sie mit ihrer Offenheit und Herzenswärme der nachfolgenden Generation begreifbar machen konnte, was es bedeutet, in einer menschenverachtenden, rassistischen Diktatur als Jüdin verfolgt zu werden«, so Grütters.
Als er Trude Simonsohn jüngst gefragt habe, erzählt Andrew Steiman, ob sie, wie Ignatz Bubis, resigniert sei, habe sie nicht geantwortet, sondern mit dem Finger auf ihn gezeigt. Er, so Steiman, habe Simonsohns Geste als einen Auftrag an die Jüngeren verstanden: »Es hängt jetzt von uns ab.« (mit kna)