Ein Jahr nach dem rechtsextremistischen Anschlag auf die Synagoge in Halle werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sowie der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, an Gedenkveranstaltungen in Halle teilnehmen. Sie werden am Nachmittag des 9. Oktober gemeinsam an der Mauer zur Synagoge eine Gedenktafel enthüllen, Kränze niederlegen und Gedenkworte sprechen.
Im Hof der Gemeinde soll dann das Denkmal enthüllt werden, das Lidia Edel gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern entworfen hat. »Es wird nicht nur aus der Tür bestehen, die uns vor einem Jahr gerettet hat«, verrät Gemeindevorsitzender Max Privorozki. Das Kunstwerk werde er den Gästen erklären und dessen Bedeutung erläutern, sagte Privorozki der Jüdischen Allgemeinen.
Am Jom Kippur 5780 hatte der mutmaßliche Attentäter Stephan B., der sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Naumburg in Magdeburg verantworten muss, offenbar aus Ärger, nicht in die Synagoge eindringen zu können, zunächst eine 40 Jahre alte Passantin auf der Straße vor der Synagoge erschossen und war anschließend zum »Kiez-Döner« in der Ludwig-Wucherer-Straße weitergelaufen, wo er den 20-jährigen Kevin S. erschoss. Steinmeier, Haseloff und Schuster werden deshalb auch den Döner-Imbiss besuchen, um dort ebenfalls eine Gedenkplatte einzuweihen, heißt es aus der Staatskanzlei.
Demokratiekonferenz Ab 12.30 Uhr findet im Stadthaus eine von Sachsen-Anhalts Landesregierung organisierte Demokratiekonferenz statt, die sich mit aktuellen Forschungsbefunden und Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus befasst. Unter den Teilnehmern sind der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, sowie Edgar Franke, der Beauftragte der Bundesregierung für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen von terroristischen Straftaten im Inland.
Um 17 Uhr wird der Nachmittag mit einer Gedenkfeier in der Konzerthalle Ulrichskirche beschlossen. Der Gemeindevorsitzende Max Privorozki wird an den 9. Oktober 2019 erinnern. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Gedenkrede und Ministerpräsident Reiner Haseloff eine Ansprache halten.
Um 12.01 Uhr sollen am Freitag in Halle alle Kirchenglocken zum Gedenken an den antisemitischen Anschlag vor einem Jahr läuten.
Schon am Mittag wollen die Kirchen der Stadt zu Beginn der Tatzeit um 12:01 Uhr mit einem Glockengeläut an die Geschehnisse vor genau einem Jahr erinnern. Zeitgleich mit dem Geläut soll das öffentliche Leben in Halle für drei Minuten gänzlich zum Erliegen kommen. So würden etwa Busse und Straßenbahnen außerplanmäßig anhalten, kündigte ein Sprecher der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland an.
Danach werde Landesbischof Friedrich Kramer ein Friedensgebet in der Marktkirche halten. Im Anschluss bestehe Gelegenheit, in Gesprächen das persönliche Erleben der Gewalttat zu thematisieren. Zudem könne dort die Gedenkveranstaltung aus der Ulrichskirche im Livestream verfolgt werden.
Am Abend lädt Kramer gemeinsam mit dem katholischen Bischof Gerhardt Feige und mit Christoph Stolte, dem Vorstandschef der Diakonie Mitteldeutschland, zu einem Abendgebet in die Marktkirche ein. Im Anschluss ist von dort ein Fußmarsch zur Synagoge und ein Treffen mit der jüdischen Gemeinde vorgesehen.
Aktionen Zahlreiche jüdische Gemeinden und Studentenverbände haben für den Freitag und die Tage davor zu Mahnwachen aufgerufen. Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD), die Initiative 9. Oktober Halle und Base Berlin, Teil des Vereins Hillel Deutschland, rufen an diesem Mittwoch ab 16 Uhr zu einer Kundgebung am Steintor in Halle auf. Dort soll ein Jahr nach dem rechtsterroristischen Anschlag der Umgang der Gesellschaft mit der antisemitischen und rassistischen Tat kritisch eingeordnet werden. Die JSUD hatte bereits vor einigen Wochen zu einer Spendenaktion für den Kiez-Döner ins Leben gerufen. Dabei kamen knapp 30.000 Euro zusammen.
Unter dem Motto »Kein Vergessen – Kein Vergeben! Gedenken an die Opfer des Anschlages von Halle« hat die Synagogen-Gemeinde Köln zu einer Mahnwache am Donnerstag ab 17.30 auf den Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs aufgerufen.
Friedensgebet Die christlich-jüdisch-muslimische Stiftung »House of One« will mit einem multireligiösen Friedensgebet am 9. Oktober um 10 Uhr in der Parochialkirche in Berlin-Mitte an die Opfer von Antisemitismus und Hassverbrechen erinnern. »Eine demokratische Gesellschaft ist wie eine Kette, die nur so stark sein kann wie ihr jeweils schwächstes Glied«, sagte Rabbiner Andreas Nachama vom House of One in Bezug auf die antisemitischen Anschläge in Halle, Hanau und Hamburg. Es sei noch viel zu tun auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in der es keine Opfer ausgrenzender Gewalt mehr gibt, erklärte die Stiftung. »Es geht darum, dass niemand mehr ausgegrenzt und damit angreifbar wird.«
Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf ruft für Freitag, 12 Uhr, zur Mahnwache am Paul-Spiegel-Platz auf.
Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf ruft für Freitag, 12 Uhr, zur Mahnwache am Paul-Spiegel-Platz auf und erinnert auch an den Anschlag in Hamburg. »Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir als Jüdische Gemeinde Düsseldorf Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft spüren und Mahnwachen geplant und durchgeführt werden. Nichtsdestotrotz hat der Anschlag am vergangenen Sonntag in Hamburg gezeigt, dass der Antisemitismus tief verwurzelt ist. Wir fordern Taten«, erklärte dazu der Gemeindedirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Michael Rubinstein.
Menschenkette Die Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit Wetterau (GcjZ Wetterau) wird zum Jahrestag auf den Anschlag in Halle einen symbolischen Schutz in Form einer Menschenkette um die Synagoge in Bad Nauheim bilden. Während die Gemeinde Kabbalat Schabbat feiert, sind die Bad Nauheimer Bürger ab 17.45 Uhr aufgerufen, zur Karlstraße 34 zu kommen. Natürlich müssen dabei die Abstandsregeln bei der eine Menschenkette eingehalten werden, betont Annette Mazur von der Jüdischen Gemeinde. Die Kette solle symbolisieren, »dass wir als Zivilgesellschaft die jüdischen Gemeinden und die Synagogen gegen Angriffe gleich welcher Art und von welcher Seite auch immer schützen«, heißt es von der GcjZ Wetterau. Bad Nauheims Bürgermeister Klaus Kreß sowie der evangelische Dekan Volkhard Guth werden an der Aktion teilnehmen.
In Bad Nauheim soll eine Menschenkette die Synagoge stellvertretend für alle jüdischen Gotteshäuser symbolisch schützen.
Zu einer »Mahn- und Solidaritätsdemonstration« hat auch das Leipziger Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus aufgerufen. Unter dem Motto: »Gemeint sind einige, betroffen sind wir alle – Erinnern heißt Handeln« wolle man gemeinsam mit Leipziger Bürgerinnen und Bürger am Freitag ab 15 Uhr am Synagogen-Denkmal in der Gottschedstraße ein »kraftvolles Signal hinein in die Leipziger Bürgerschaft« setzen. Zivilcourage bedeute aktives Einstehen für gleichberechtigte Teilhabe. Das Gedenken werde von vorwiegend jungen Leuten organisiert, heißt es.
Ausstellung Seit dem 22. September ist aus Anlass des ersten Jahrestags des Anschlags vom 9. Oktober auf dem Marktplatz in Halle die Open-Air- Ausstellung »Unantastbar: Unsere Grundrechte« zu sehen. Anhand von Tafeln mit Textausschnitten sollen Stadtbewohnern und Stadtöffentlichkeit die Grundrechte – wie auch deren Grenzen – ins Bewusstsein gerufen werden. Beabsichtigt sei, »zu vermitteln, welche Errungenschaft die Grundrechte für unser Gemeinwesen darstellen, und gleichzeitig, dass diese keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind und nach verschiedenen Seiten verteidigt werden müssen«, heißt es von den Organisatoren. Die Ausstellung läuft noch bis zum 10. November. epd/ja/kna/hso