Berlin

Ein Hit für Herbert

Roy Alfia in seinem Heimstudio in Berlin-Schöneberg Foto: Uwe Steinert

In großen Lettern war es vergangenen Sommer auf über 10.000 Plakaten überall in Berlin zu lesen: »Lieber Herbert Grönemeyer, ich habe deinen nächsten Hit! Bitte melde dich.« Darunter der Name »Roy« und eine Mailadresse. Die bunten Poster hingen an Wänden, Stromkästen und Bushaltestellen, auf belebten Plätzen und in unscheinbaren Seitenstraßen.

Auch heute, fast ein Jahr danach, kann man ab und zu noch an einem Exemplar vorbeilaufen. Kaum vorstellbar, dass der berühmte Musiker, der hier adressiert wird, nichts von der Aktion mitbekommen haben soll. Doch bisher hat er sich nicht bei dem Mann gemeldet, der offenbar keine Mühen scheut, um mit ihm in Kontakt zu treten.

»Alles, was ich möchte, ist, dass Herbert Grönemeyer meinen Song hört.«

Roy Alfia

»Alles, was ich möchte, ist, dass Herbert Grönemeyer meinen Song hört«, sagt Roy Alfia. Der aus Israel stammende Musikproduzent hatte zuvor alle herkömmlichen Kommunikationswege ausgeschöpft. Zuerst schickte er eine Mail an Grönemeyers Management. Als darauf keine Antwort kam, griff er zum Telefon. Mehrmals musste er anrufen, bis endlich jemand am anderen Ende der Leitung abhob.

Kurz sah es danach aus, dass sein Wunsch in Erfüllung gehen würde. »Die Person am Telefon versprach mir, dass der Song an Herbert Grönemeyer weitergeleitet wird«, erinnert sich Alfia. Er konnte aber sehen, dass sich die Datei, die er geschickt hatte, niemand angehört hatte. Daran änderte sich auch Wochen und Monate später nichts. Also beschloss er, zu unkonventionelleren Mitteln zu greifen.

Bei einem Spaziergang war ihm der folgenreiche Einfall gekommen: Wenn sich Herbert Grönemeyer auf üblichem Weg nicht erreichen ließe, warum nicht einfach in der ganzen Stadt einen direkten Aufruf an ihn verbreiten? Alfia, der von sich sagt, er liebe es, Risiken einzugehen, überlegte nicht lange. Er entwarf die Plakate mit dem schlichten Stil und der einfachen Botschaft selbst und beauftragte ein Unternehmen mit ihrer Verteilung.

TEL AVIV »Man muss die Regeln brechen, um in der Musikindustrie Aufmerksamkeit zu bekommen«, meint Alfia, der seit über 20 Jahren versucht, seinen Platz in der Branche zu finden. In Tel Aviv geboren und aufgewachsen, machte er dort Ende der 90er-Jahre seine ersten Erfahrungen als Musikproduzent. Damals komponierte er das Stück »Lollipop«, ein Techno-Song mit einem eingängigen Beat. Was zuerst als eine Art Scherz unter Freunden begann, wurde über Nacht zu einem Hit in der Klubszene Israels. Bis heute laufe der Song in vielen Bars und Diskotheken im Land, meint Alfia.

»Ich liebe Tel Aviv, die Energie, die Leute«, erzählt der Israeli. Dennoch beschloss er 2015, nach Berlin zu ziehen. In seiner Heimatstadt war er nur mit drei Jobs, Nacht- und Feiertagsarbeit über die Runden gekommen, hatte nie die Muße gehabt, sich richtig zu entfalten. Als er einmal Urlaub in Berlin machte, verliebte er sich sofort in die Stadt. »Hier sah ich einen fruchtbaren Boden für Kreativität, und überall waren Künstler, die einfach ihr Ding machten«, erzählt er.

In Berlin konnte Roy Alfia endlich der sein, der er sein wollte.

Für ihn war es daher keine Frage, dass die deutsche Hauptstadt sein neuer Wohnort werden sollte. Nicht lange und er fand hier eine weitere Liebe: seinen heutigen Ehemann, den Illustrator Christian Breil. Als die beiden in einem Berliner Klub das erste Mal miteinander sprachen, stellte sich Alfia stolz vor: »Ich bin Musikproduzent.« Endlich habe er das sein können, was er wollte.

Seitdem versucht der heute 43-Jährige unter seinem Künstlernamen »Royal Fia« ohne Unterlass, Zutritt in die Welt der kommerziellen Musik zu bekommen. Einfach ist das nicht: »Die Musikindustrie sagt von sich, dass ihre Türen offen sind, dass es jeder schaffen kann und man nur Talent braucht – aber das ist eine Lüge.« Der Wahlberliner ist enttäuscht von der Branche, von der er gerne mehr beachtet werden würde.

schlager Das Label »Pop« schreckt ihn dabei nicht ab. »Ich will populär sein«, sagt Alfia, der sich gleichzeitig als ernsthafter Künstler versteht. Er wolle nicht nur für einen kleinen Zirkel Musik machen, sondern mit seinen Kreationen möglichst viele Menschen erreichen. Dafür wandte er sich auch einem Genre zu, um das hierzulande emotional gestritten wird: dem Schlager.

Warum diesem Musikstil in Deutschland viele Menschen so leidenschaftlich abgeneigt sind, kann Alfia nicht verstehen. »Für mich ist Schlager einfach deutsche Popmusik«, sagt er. In seinem Heimstudio in der Motzstraße in Berlin-Schöneberg bastelt er seit einer Weile an Liedern, mit denen ihm der Anschluss an die Schlager-Szene gelingen soll.

Neben der Musik schreibt Alfia auch seine eigenen Texte – und das auf Deutsch. Diese Songs selbst performen, will er aber nicht: »Ich gehöre nicht auf die Bühne, sondern in den Hintergrund«, meint er. Davon, wer das Singen für ihn übernehmen soll, hat er aber eine Vorstellung: die ganz großen Stars.

HELENE FISCHER Einen seiner letzten Songs hatte er für die Schlager-Sängerin Helene Fischer geschrieben, und immerhin, deren Management hörte ihn sich an und lehnte mit der Begründung ab, es sei nicht ganz das, was sie suchten. Mehr als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seiner Arbeit wünsche er sich auch nicht, sagt Alfia. Ganz anders lief es aber bei seinem nächsten Projekt – dieses Mal kein Schlager, sondern eine Ballade, in der ein leidgeprüfter Mensch Lehren aus einem langen Leben zieht. Auch hierfür hatte er einen bestimmten Interpreten im Sinn.

Auf die Musik Grönemeyers hatte ihn sein Ehemann Christian Breil gebracht, der mit den Songs des heute 65-jährigen Musikers aufgewachsen war. Als Alfia die Single »Der Weg« aus dem Album Mensch hörte, war er begeistert: »Die Art, wie er singt – da hat jeder Satz und jedes Wort eine Bedeutung.« Außerdem wirke Grönemeyer einfach wie ein cooler Typ, offen und tolerant. Wie jemand, der durch seinen Erfolg nicht abgehoben ist. Er, da war sich Alfia sicher, wäre der perfekte Sänger für sein Lied gewesen. Aber statt von seinem Wunsch-Interpreten zu hören, bekam der Musikproduzent Aufmerksamkeit von einer ganz anderen Seite.

»Ich sehe keinen logischen Grund, dass er sich nicht meldet«, meint der israelische Musikproduzent.

Sehr bald hatte die Presse Wind von Alfias ungewöhnlicher Geschichte bekommen. In verschiedenen Berliner Zeitungen wurde darüber geschrieben, und im Fernsehen gab es zwei kurze Beiträge. Auf der Straße, erzählt Alfia, würden ihn fremde Menschen ansprechen: »Hat er sich schon gemeldet?« Nur von dem einen, um den es ihm eigentlich geht, gibt es noch keine Nachricht. Dabei gebe es um die Sache bereits so viel medialen Trubel, dass sich Grönemeyer eigentlich über die kostenlose Berichterstattung freuen müsste, glaubt Alfia. »Ich sehen keinen logischen Grund, dass er sich nicht bei mir meldet.«

Wer sein Lied für Grönemeyer selbst einmal hören möchte, den muss Alfia übrigens enttäuschen: »Der Song ist nur für Herbert bestimmt.« Dagegen ist ein neueres Stück, in dem er seine Erfahrungen mit der Musikindustrie verarbeitet, für alle zugänglich. An den Star-Musiker gerichtet, der ihn bisher ignoriert hat, heißt es darin: »Vielleicht hören Sie mich, ich habe die ganze Stadt bedeckt damit.« Und die gesamte Branche lässt er wissen: »Ich werde nie aufgeben!«

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