Am Anfang war die Idee, wie schon seinerzeit bei Theodor Herzl, nämlich zum 150. Geburtstag des Zionismus-Begründers ein Seminar zu veranstalten. Und zwar sozusagen am »Tatort«, in Basel, dort, wo Herzl seine Pläne für einen jüdischen Staat zuerst verkündet hatte. Geboren wurde diese Idee spontan bei einem Treffen der Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB), Yaron Nisenholz – dem potenziellen Gastgeber –, und Avichai Apel aus Dortmund. Gemeinsam mit ihren Amtskollegen Jaron Engelmayer (Köln) und Julian Chaim Soussan (Düsseldorf) machten sie sich daran, diese Idee in die Tat umzusetzen.
Motto Und so kam es, dass sich am letzten Juniwochenende nicht nur die Zentralbank-Präsidenten der Welt zur traditionellen Jahrestagung der Bank für Internationalen Zah- lungsausgleich (BIZ) in der Schweizer Grenzstadt trafen, sondern auch knapp 100 Studenten und junge Berufstätige. Unter dem Titel »Träume ich, oder ist es wahr? – Mein Israel, Dein Israel, (k)ein Israel?« diskutierten sie darüber, welche Rolle der wahr gewordene Traum Herzls, der Staat Israel, im Leben jeder und jedes einzelnen spielt. Getreu dem Motto der Gemara, dass eine Woche mit Nächten ganz ohne Träume eine »schlechte Zeit« sei.
Der Vergleich mit den BIZ-Bankern endet allerdings auch gleich wieder: Denn anders als diese waren die Seminarteilnehmer aus Deutschland und der Schweiz in den beiden Jugendherbergen der Stadt und nicht in Fünf-Sterne-Hotels untergebracht – und die Anreise erfolgte für die meisten mit dem Bus, der, in Düsseldorf startend, die Teilnehmer an verschiedenen Stationen einsammelte und entsprechend lang brauchte, bis er schließlich am Freitagabend in Basel war.
solidarität Der Begeisterung für das Seminarthema tat das allerdings bei den meisten Anwesenden keinen Abbruch. Einzig der Workshop des israelischen Publizisten Awi Blumenfeld – wie der Israelkorrespondent und Jüdische-Allgemeine-Autor Gil Yaron Gast des Seminars – in dem es darum ging, was verschiedene Rabbiner zum Zionismus sagten und schrieben. Der sei für einige Teilnehmer dann doch zu anstrengend und ermüdend gewesen, meinten sie in der Schlussbesprechung.
Keine Müdigkeit kam dagegen beim weiteren Programm auf: So nahmen fast alle an der Stadtführung durch das jüdische Basel am Schabbatnachmittag teil. Für die zeichnete der Historiker und Journalist Simon Erlanger verantwortlich – und das bei Temperaturen um die 30 Grad. »Es hat Spaß gemacht«, meinte Erlanger anschließend, »so viel motivierten Menschen beispielsweise davon zu erzählen, welche Aufnahme Herzl beim Ersten Zionistenkongress hier in der Gemeinde erfuhr und wie er seine Träume im Kongress auslebte.«
Workshops Der Publikumszuspruch bei den angebotenen Vorträgen und Workshops war ebenfalls groß. »Das Thema Israel brennt den meisten eben sehr unter den Nägeln. Oft sind sie auch verunsichert, sie hören und lesen dauernd von Israel in den Medien, und sie möchten das einordnen können«, meinte dazu Rabbiner Apel. Er mache die Erfahrung in seiner Gemeinde, dass viele Mitglieder immer wieder auf den jüdischen Staat angesprochen oder sogar für dessen Verhalten verantwortlich gemacht würden – wie zuletzt etwa bei den Ereignissen um die Gaza-Flottille. »Wir möchten da eine klare Hilfestellung leisten mit der Veranstaltung«, so Apel. Allerdings grenzt er deren Ziele auch klar ein: »Es durfte kein Propaganda-Seminar werden.«
Und so waren – gerade in Bezug auf die jüngsten Ereignisse vor Gaza – in den Workshops auch durchaus kritische Töne von einzelnen Teilnehmern zu hören. Einer meinte etwa, für ihn könne die Solidarität auch übertrieben werden, wenn beispielsweise jegliches Verhalten Israels blind in Schutz genommen werde. Auch wurden die Stellungnahmen des Zentralrates und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes zu Israel und der Nahost-Politik kritisch beleuchtet. Davon abgesehen zeigten sich viele Anwesende auch sehr solidarisch mit Israel und sprachen von dem Land als einer Art »Lebensversicherung«: »Wir können gar nicht anders, als Israel zu unterstützen« – auch im Kleinen, indem man zum Beispiel israelische Produkte kauft und das möglichst auch publik macht.
Für diese Seminarteilnehmer war auch klar, dass man sich untereinander besser vernetzen möchte – sei es im Internet oder auch mit punktuellen Aktionen wie Demonstrationen für Israel, wie sie kürzlich durchgeführt wurden. Für andere sind regelmäßige Israelbesuche wichtig.
Feiern Einen weiteren Aspekt der israelischen Problematik beleuchtete Rabbiner Soussan in seinem Schiur. Ausgehend von einer – allerdings nicht besonders aktuellen – Meinungsumfrage zur religiösen Einstellung der jüdischen Israelis zeigte er, dass Aschkenasim und Sefardim unter Begriffen wie »religiös« oder »traditionell« Grundverschiedenes verstehen; gemeinsam, so Soussan, sei ihnen aber eine gewisse religiöse Grundeinstellung – anders wäre es nicht möglich, dass knapp 80 Prozent angaben, regelmäßig die Schabbatkerzen zu zünden.
Dies fand seine Entsprechung im Seminar selbst: Auf die Aufforderung von Awi Blumenfeld im Schlussworkshop, für einen Moment die Augen zu schließen und zu reflektieren, welche Assoziation den Teilnehmern zum Stichwort »Israel« zuerst einfallen würde, meinten die meisten, das sei Je- rusalem und die Klagemauer.
Schiduchim Nach dieser Abschlussveranstaltung im Hof vor der Synagoge ging es sehr locker und unverkrampft zu. Ebenso bei der großen Party, welche die Veranstalter am Moze Schabbat am Rande Basels feierten und bei der sich – bei Getränken und heißer Musik – die Kontakte vertiefen ließen. Die Rabbiner machen diesbezüglich aus der weiteren Absicht des Seminars keinen Hehl, wie zum Beispiel Rabbiner Apel: »Ziel des Seminars ist sicher auch, unseren Jugendlichen zu ermöglichen, andere Jugendliche kennen- und vielleicht auch lieben zu lernen.« Dabei fällt auch das Stichwort »Schiduchim« (Heiratsvermittlung), ein Wort, das früher bei solchen Veranstaltungen eher vermieden wurde. Anscheinend, so war bei Seminarschluss zu hören, war »Basel« da auch durchaus erfolgreich.
Die meisten der Angereisten waren entsprechend begeistert vom Gebotenen – und ebenso vom Seminarort: »Nur schade, dass wir von Basel als Stadt – abgesehen vom Jüdischen – eigentlich nichts mitbekommen haben«, meinte ein Teilnehmer aus Aachen. Denn dafür war die Zeit einfach zu knapp. Und damit ging es den Seminarteilnehmern vermutlich dann doch wieder wie den Zentralbankern, die sich am Sonntag ebenfalls aus der Rheinstadt verabschiedeten.