Regensburg

Ein Haus zum Leben

Das neue jüdische Gemeindehaus mitten in der Regensburger Altstadt Foto: dpa

Freitagvormittag in der Jüdischen Gemeinde. Rund 50 Krankenpflegeschüler der Medizinischen Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz (»medbo«) sitzen in der neuen Synagoge und lassen sich von Rabbiner Joseph Chaim Bloch den holzgetäfelten hellen Raum mit seiner hohen imposanten Kuppel zeigen, aber auch die Grundlagen der jüdischen Religion erklären. Die Synagoge befindet sich im ersten Stock des Neubaus, direkt über dem neuen Gemeindesaal.

Bauamt Vor Kurzem war das Bauamt der Stadt mit 80 Leuten zu Besuch. An manchen Tagen geben sich sogar mehrere Gruppen am Brixener Hof die Klinke in die Hand. Beim Tag der offenen Tür hatte die Gemeinde alle Hände voll zu tun: Rund 1200 Besucher standen an jenem Sonntag Mitte Mai ab 10 Uhr Schlange, um den Neubau besichtigen zu können. Das Interesse an der neuen Synagoge ist groß.

Die Stadt Regensburg, die wegen ihrer mittelalterlichen historischen Altstadt zum Weltkulturerbe zählt, hat in diesem Jahr ihren alljährlichen »Welterbetag« am 2. Juni dem »Jüdischen Leben« gewidmet. An Infoständen konnten sich die Interessierten darüber informieren, wie koscher gekocht wird oder woher Wörter wie »schmusen« oder »malochen« kommen. Natürlich hat die Gemeinde auch an diesem Tag Führungen durch ihren Neubau angeboten.

baustelle Die Handwerker gehen hier immer noch ein und aus, es riecht da und dort nach Farbe, aber die Gemeinde füllt den Neubau bereits mit Leben. Im Sekretariat im ersten Stock empfängt Elena Semmler Gäste. »Das ist mein neues altes Reich«, sagt sie und ist froh, endlich in einem neuen Büro zu sitzen. Gegenüber haben die Sozialarbeiterin Dorina Kuczenko und Ilse Danziger, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, ihre Büros. Die kurzen Wege sind einfach wichtig, sagen die Frauen.

Im »Kinderraum« liegen die Puppen noch in Kisten, Musikinstrumente sind aber schon da, und ein CD-Player steht auf einem Schreibtisch. Hier werden künftig Eltern oder Großeltern den Nachwuchs betreuen. Aber so weit ist es noch nicht.

Im »Kleinen Schulungsraum« im zweiten Stock hängen Kinderzeichnungen an der Wand, auch die Tafel ist benutzt. Hier findet bereits Religionsunterricht mit drei Gruppen statt. Die Schüler können ihre Unterlagen auch liegen lassen. Das ist natürlich sehr viel praktischer, als immer alles mit nach Hause schleppen zu müssen, sagt Ilse Danziger.

Yogakurse Was nebenan stattfinden wird, ist noch nicht klar. Es könnte sein, dass Yogakurse abgehalten werden, vielleicht werden hier auch einmal israelische Tänze geprobt. Vor einigen Tagen war eine Gruppe aus Augsburg in Regensburg und hat Tänze vorgeführt, was einen starken Eindruck hinterlassen hat.

In einem Raum im »Altbau«, der ebenfalls saniert worden ist, tagt eine Arbeitsgruppe zu dem EU-Projekt »Rediscover« zur Wiederentdeckung des jüdischen Erbes in der Donauregion, zu dem Daniela Laudehr von der Stadt Regensburg seit geraumer Zeit recherchiert.

Die neue koschere Küche wird nicht nur von der Gemeinde genutzt.

Es gibt in den Räumen der Jüdischen Gemeinde jetzt auch eine koschere Küche, die keineswegs nur von der Gemeinde genutzt wird. Israelische Wissenschaftler, die an einer Physikertagung an der Universität teilgenommen haben, kamen schon zum Essen hierher, erzählt Gemeindevorsitzende Danziger.

Challa Im Erdgeschoss duftet es verlockend aus der Küche. Die drei Köchinnen bereiten alles für den Schabbat vor. Stolz zeigen sie die Challa, die sie für heute gebacken haben. Nebenan im neuen großen Gemeindesaal sind die Tische, wenn die Beter aus der Synagoge herunterkommen, festlich für den Kiddusch gedeckt.

Einen neuen Gemeindesaal zu erhalten, war ein großes Anliegen von Ilse Danziger. Nach der feierlichen Eröffnung des Neubaus am 27. Februar hat die Gemeinde ihre interne Einweihung des Saales an Pessach gefeiert. 150 Leute waren da, so viele wie wohl seit Jahrzehnten nicht mehr. Zuletzt fanden während der Umbauphase 40 Leute Platz in einem Raum im Altbau. Dieser war im Gegensatz zur alten Synagoge von den Nazis nicht zerstört worden, weil er sich zu nahe an den Häusern der Umgebung befindet.

In dem Mehrzwecksaal aus den 60er-Jahren, der wegen des Neubaus der Synagoge abgerissen werden musste, fanden lediglich 80 Personen Platz. »Da saßen wir wie die Sardinen«, sagt Rabbiner Joseph Chaim Bloch.

kiddusch Im Gemeindesaal findet nicht nur der Kiddusch statt. Hier hat auch schon der Historiker Michael Brenner aus München vor rund 100 Zuhörern sein Buch Der lange Schatten der Revolution – Juden und Antisemiten in Hitlers München 1918–1923 vorgestellt. Der Vortrag gehört zu einer Reihe von Veranstaltungen, die von der Stadt unter dem Titel »Jüdisches Regensburg« angeboten werden.

Die Autorin Waltraud Bierwirth und ihr Mann, der Bildungshistoriker Klaus Himmelstein, haben das Programm mit auf die Beine gestellt. Klaus Himmelstein hat anlässlich der Einweihung des Neubaus auch einen Sammelband Jüdische Lebenswelten in Regensburg. Eine gebrochene Geschichte herausgegeben. Waltraud Bierwirth hat unter dem Titel Die Firma ist entjudet über die Schandzeit in Regensburg 1933–1945 geschrieben.

Mit dem »Welterbetag« am Sonntag endete auch eine Ausstellung im Historischen Museum der Stadt. Eva Haverkamp-Rott, Professorin für mittelalterliche jüdische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität, und die Historikerin Astrid Riedler-Pohlers, Mitarbeiterin am Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, haben die Geschichte von der Blüte der ältesten jüdischen Gemeinde in Süddeutschland bis hin zu ihrer Zerstörung 1519 eindrucksvoll dokumentiert.

vertreibung Vor 500 Jahren vertrieben die christlichen Regensburger die Juden, zerstörten die gotische Synagoge, schändeten und zerstörten den großen jüdischen Friedhof mit mehr als 4000 Grabsteinen. Diese Grabsteine haben die Regensburger teils als Zeichen christlichen Triumphs an einigen Häusern demonstrativ verbaut, wo man sie heute noch sehen kann.

Ein Akteur der Judenverfolgung war der Maler und Stadtbaumeister Albrecht Altdorfer, nach dem in Regenburg ein Gymnasium benannt ist. Er hat die bereits ausgeräumte Synagoge kurz vor dem Abbruch noch gezeichnet und die Zerstörung mit der Berufung auf »Gottes gerechtes Gericht«, die er auf einer seiner beiden Radierungen vermerkt hat, legitimiert, wie die Kunsthistoriker Cornelia Berger-Dittscheid und Hans Christoph-Dittscheid in dem Buch Jüdische Lebenswelten schreiben.

Für den mittelalterlichen Antijudaismus steht auch die »Judensau« am gotischen Dom St. Peter. In dieser Schmähplastik sieht Eva Haverkamp-Rott einen Angriff auf das Judentum. Der Text der Informationstafel, die hier vor einigen Jahren angebracht worden ist, enthält nur wenige Informationen und lässt nach ihrer Ansicht zu wünschen übrig. Sätze wie »Das Verhältnis von Christentum und Juden in unseren Tagen zeichnet sich durch Toleranz und gegenseitige Achtung aus« verharmlosen nach Ansicht von Eva Haverkamp-Rott sogar den Antisemitismus von heute.

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