Mit einem Festumzug ist die neue Tora der Jüdischen Landesgemeinde am Donnerstag zur Neuen Synagoge in Erfurt getragen worden. Zuvor hatte der Berliner Rabbiner Reuven Yaacobov auf dem Platz vor der Thüringer Staatskanzlei für die Worte »Vor den Augen von ganz Israel« die letzten fünf hebräischen Buchstaben auf das Pergament der Torarolle gebracht. Sie ist ein Geschenk der beiden christlichen Kirchen im Freistaat.
Ihre Fertigstellung und der Festumzug zur Synagoge der Landeshauptstadt gelten als Höhepunkt des Projektes »Tora ist Leben« im Themenjahr »900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen«. Das Schreiben der neuen Tora, des ersten Teils der hebräischen Bibel, sei ein Zeichen, »das weit über unser Land hinausgeht«, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).
zusammenleben Es sei wichtig für alle, die für das friedliche Zusammenleben der Religionen und Kulturen eintreten würden. Mit dem Projekt »Tora ist Leben« verbinde er die Hoffnung, »dass sich ein selbstbewusstes Judentum hier in Zukunft noch offener entfalten kann«.
Landesrabbiner Alexander Nachama bezeichnete die Tora »nicht nur als ein großes, sondern auch ein sehr willkommenes Geschenk«. Sie sei der zentrale Teil der Gottesdienste und werde dringend gebraucht. Er bedankte sich ausdrücklich bei der früheren Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann.
Die Tora werde dringend benötigt, betont Landesrabbiner Alexander Nachama.
Ihrem Engagement für den christlich-jüdischem Dialog sei – gemeinsam mit dem Erfurter katholischen Bischof Ulrich Neymeyr – der Impuls für das Themenjahr und damit auch für das Schreiben der Torarolle entsprungen. Seinen Dank adressierte der Landesrabbiner auch an Junkermanns Nachfolger Friedrich Kramer. Dass eine Landeskirche und ein Bistum einer jüdischen Gemeinde eine Tora schenkten, »ist alles andere als selbstverständlich«, betonte Nachama.
schuldgeschichte Eine Formulierung, die Kramer aufgriff. Angesichts der Jahrhunderte währenden Schuldgeschichte der Kirchen gegenüber dem jüdischen Volk sei es »nicht selbstverständlich, heute so zusammenzustehen«, betonte er. Der Bischof dankte seinerseits der Jüdischen Landesgemeinde, »unsere Umkehr und unser Bekenntnis zur Schuld anzunehmen«.
Für das Bistum Erfurt erklärte Bischof Neymeyr: »Jüdinnen und Juden sind unsere ältesten Geschwister im Glauben. Auch wir Christen verehren den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Das wollen wir mit der Übergabe der Torarolle zum Ausdruck bringen«.
Alle Redner hoben die glücklichen Umstände hervor, die das Projekt ungeachtet aller widrigen Umstände am Ende doch gelingen ließen. So sei es nicht immer leicht gewesen, während der zweijährigen Schreibarbeit mit Gänsekiel und koscherer Tinte die nötigen Utensilien während der Corona-Einschränkungen aus Israel zu beschaffen. Aber auch eine Schulterverletzung von Rabbiner Yaacobov habe das Projekt letztlich nicht gefährden können.
Nach dem Umzug machte die Festgemeinde noch einmal vor der neuen Synagoge der Landeshauptstadt halt. Dort konnten Interessierte später auf einer Videoleinwand mitverfolgen, wie hinter verschlossen Türen die Jüdische Landesgemeinde die Einbringung der neuen Torarolle feierte. epd