Es ist ein bedeutsamer Wandel, auch wenn er eher still und leise hinter den Mauern des Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz stattfindet. Denn im vergangenen Jahr wurde auf dem Weg zur Digitalisierung ein besonders großer Schritt zurückgelegt. Das Coronavirus mit Lockdown und den vielen Beschränkungen ließ den Beteiligten im Endeffekt auch gar keine andere Wahl.
Einer von ihnen, der maßgeblich an der Entwicklung beteiligt ist und sie vorantreibt, ist Steven Guttmann. Seit fast einem Jahr ist der Rechtsanwalt, der die Mitzwe Makers ins Leben rief und auch über seine Familie eng mit der Gemeinde verbunden ist, Geschäftsführer der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Ein Kriterium, das IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, Präsidium und Vorstand mit dazu bewogen hatte, Guttmann dieses wichtige Amt zu übertragen, war auch seine Affinität zu digitaler Performance. »Computer und Internet sind in rasend schnellem Tempo zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden. Daran muss sich auch die Israelitische Kultusgemeinde orientieren«, stellt Charlotte Knobloch in diesem Zusammenhang fest.
schulbetrieb »Die Zukunft sind unsere Kinder«: Dieses grundsätzliche Credo in der Gemeinde, das Knobloch bei passenden Gelegenheiten immer wieder in den Vordergrund stellt, behielt auch in den zurückliegenden Corona-Monaten uneingeschränkte Gültigkeit, gerade im Hinblick auf die Digitalisierung des Schulbetriebs.
»WLAN ist überall verfügbar, alle Schülerinnen und Schüler ab der dritten Klasse haben das notwendige Equipment, und in Kürze werden auch die zweiten Klassen mit iPads ausgestattet werden«, beschreibt Steven Guttmann die aktuelle Aufstellung der IKG in den Bereichen Grundschule und Gymnasium.
Einschränkungen im pädagogischen Betrieb, vor allem aber der komplette Lockdown, stellten die Gemeinde, Schulen, Lehrer und Erziehungskräfte und nicht zuletzt die Kinder vor eine bis dahin nicht gekannte Herausforderung. »Unser Vorteil war, dass wir die staatlichen Vorgaben schneller und konsequenter umsetzen konnten«, betont der Geschäftsführer mit Hinweis auf die Vorarbeit des gemeindeinternen Krisenstabs.
krisenstab Der IKG-Krisenstab war bereits ein Jahr vor Ausbruch der Pandemie ins Leben gerufen worden. »Der seit Jahren wieder zunehmende Antisemitismus, ergänzt durch Israelfeindlichkeit, bis hin zu tätlichen Angriffen wie bei uns in München auf den Gemeinderabbiner bereiten uns Sorgen«, nennt Charlotte Knobloch als Grund für die Existenz des Gremiums.
Den positiven Aspekt, der sich in der Corona-Krise zeigte, spricht Vizepräsident Yehoshua Chmiel an, der Vorsitzender des Krisenstabs ist. »Zu den Szenarien, die im Krisenstab immer wieder durchgespielt wurden«, erläutert er das Wesen des Gremiums, »gehörte auch eine Epidemie.«
Besonders mit Blick auf den Lockdown im vergangenen Jahr und die dadurch erstmals erzwungene Verlagerung der Gemeindearbeit in den Homeoffice-Modus hat sich das bezahlt gemacht. »Unter den Umständen, dass wir alle Neuland betreten mussten, hat das erstaunlich gut funktioniert«, stellt Guttmann fest und weist zugleich auf das hohe Engagement aller Mitarbeiter der Israelitischen Kultusgemeinde beim Umgang mit der Krise hin.
Wesentliche Änderungen waren bei der Kommunikation der Führungsebenen nötig.
Wesentliche Änderungen machte die Corona-Krise bei der Kommunikation der IKG-Führungsebenen notwendig. Konferenzen, Besprechungen und die Sitzungen des Vorstands laufen inzwischen längst über eine Videoplattform, schnelle Kontakte untereinander garantiert ein bereits funktionierendes Netzwerk, das aber Guttmanns Worten zufolge noch weiter ausgebaut werden soll.
verbesserungen Deutliche Verbesserungen durch eine stärkere digitale Ausrichtung verspricht sich der Geschäftsführer auch bei organisatorischen und arbeitstechnischen Abläufen innerhalb der IKG. »In diesen Bereichen«, so seine Einschätzung, »lassen sich viele Abläufe effektiver gestalten.« Von der Notwendigkeit derartiger Schritte sind auch die Präsidentin und ihre Mitstreiter aus dem Vorstand überzeugt. Sie unterstützen den Geschäftsführer in dieser Hinsicht uneingeschränkt.
Für Charlotte Knobloch sind digitale Videokonferenzen, Smartphone, Twitter, Facebook und Co. seit Jahren feste Bestandteile ihres Arbeitsalltags. Sie ist bestens informiert, wie schnell sich die digitale Welt entwickelt und welche Möglichkeiten daraus entstehen. Ein Punkt ist für sie allerdings nicht diskutierbar. »Ein persönliches Gespräch«, sagt sie, »ist dennoch manchmal durch nichts zu ersetzen.«