Sehr geehrte, liebe Frau Knobloch,
zu Ihrem bevorstehenden 85. Geburtstag übermittle ich Ihnen meine besten Glückwünsche. Ich tue dies aus mehreren Gründen ganz besonders herzlich. Einmal deshalb, weil ich die Art und Weise, in der Sie Ihr persönliches Schicksal gemeistert haben, in höchstem Maße bewundere. In seinen wesentlichen Zügen stand es mir schon vor Augen, zumal ich ja bereits auch Ihren Vater gut kannte.
Nun ist es mir durch das Interview kürzlich im Magazin der »Süddeutschen Zeitung« noch deutlicher geworden. Etwa durch Ihre Antwort auf die Frage, ob Sie es gemeinsam mit Ihrem Mann geschafft haben, die Dämonen der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Da sagen Sie: »Indem wir sie gezielt verdrängt haben. Ein Doppelleben zu führen, wäre nicht gegangen.«
Dann, weil ich Ihre Leistungen als Repräsentantin der Israelitischen Kultusgemeinde sehr bewundere. Sie vor allem haben mit Unterstützung des seinerzeitigen Oberbürgermeisters Christian Ude bewirkt, dass die Gemeinde wieder einen Platz im Herzen Münchens gefunden hat und nicht nur dort das Stadtbild prägt, sondern – trotz mancher aktueller rassistischer Aktivitäten, die wir durchaus ernst nehmen müssen – einfach wieder zu München gehört. Das ist im Grunde die empfindlichste Niederlage, die der verbrecherische Diktator, der ja seinen Anfang in München nahm, erlitten hat. Und sie wurde möglich, weil Sie, liebe Frau Knobloch, trotz des Holocaust in Ihrer Heimat geblieben sind und »Ihren Koffer ausgepackt« haben.
Schließlich, weil Sie mein Leben bereichert haben. Mit unseren Begegnungen und Gesprächen. Und mit der von Ihnen veranlassten Verleihung der Ohel-Jakob-Medaille in Gold im Jahre 2014. Es war und ist von allen Ehrungen und Würdigungen, die ich im Laufe der letzten Jahre erfahren habe, diejenige, die mich am meisten berührt hat.
Für all das danke ich Ihnen. Zugleich wünsche ich Ihnen für die Jahre, die noch vor Ihnen liegen, eine erträgliche Gesundheit und die Kraft, Ihre Stimme zu erheben, wann immer das notwendig ist. Uns beiden wünsche ich auch, dass wir uns bald wieder einmal treffen. Aber sicher ist das leider wegen meines doch recht schwierig gewordenen Zustands nicht.
In herzlicher Verbundenheit
Dr. Hans-Jochen Vogel
(Oberbürgermeister von 1960 bis 1972)
Frau Präsidentin« ist sie in München nun schon seit 32 Jahren. Seit 1985 steht sie an der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde der Landeshauptstadt, eine unfassbar lange Zeit. Charlotte Knobloch ist nicht nur Inhaberin eines für ihre Gemeinde und ihre Heimatstadt höchst bedeutsamen Amtes, sie hat sich in dieser Führungsaufgabe nicht nur länger als üblich bewährt, sie ist nicht nur willensstark und einflussreich. Sie ist unendlich mehr. Sie kann die Schrecken der Reichspogromnacht nicht nur referieren, sie hat sie am eigenen Leib erlebt und erlitten. Sie kennt den Widerwillen, das Land der Täter und die Hauptstadt ihrer Bewegung wieder als eigene Heimat zu akzeptieren, nicht nur vom Hörensagen, sondern spürte ihn jahrzehntelang in der eigenen Brust.
Und nur ihr, der Schoa-Überlebenden und Tochter des Nachkriegspräsidenten Fritz Neuland, konnte es gelingen, die gesamte Gemeinde für einen Neubau der Synagoge an einem neuen Ort und für einen Brückenschlag zum Volk der Täter zu gewinnen. Charlotte Knobloch war und ist ein Glücksfall für Münchens Juden und die Münchner Stadt, sie leitet das Münchner Judentum nicht nur, sie verkörpert es. Dabei ist sie nie eine »Funktionsträgerin« geworden, die man mit ihren Ämtern, Stellungnahmen und Verdiensten hinlänglich beschreiben könnte. Sie ist ein beeindruckender Mensch, eine hinreißende Frau, eine kraftvolle Persönlichkeit. Es ist wunderbar, sie zur Freundin zu haben.
Charlotte Knobloch wirkt nicht mit ihren Weisungsrechten und Haushaltsmitteln, sondern mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen, ihren Gefühlen, ihren Hoffnungen und Träumen, ihrem Charme und ihrem Witz, ihrer Direktheit und Unerschrockenheit, ihrer unerschöpflichen, von manchen auch gefürchteten Durchsetzungskraft, auch ihren Ängsten und Sorgen, ihrer Versöhnungsbereitschaft und ihrer konsequenten, scharfen Ablehnung von allem, was sich nie wieder ereignen darf, wenn die Menschheit menschlich sein soll.
Das erste Erlebnis, das sich in ihre Seele wohl unauslöschlich eingegraben hat, war das Pogrom am 9. November 1938, das sie an der Hand ihres Vaters erlebte. Das Datum dieses Unrechts, dieser blindwütigen Gewalt, dieser Barbarei hat sie erst ein langes Leben später überwinden, in einen Sieg der Opfer über die Täter verwandeln können: Sowohl die international beachtete Grundsteinlegung 2003 als auch die festliche Eröffnung der neuen Synagoge 2006 fand an einem 9. November statt – und da konnte sie dann sagen, dass sie jetzt endgültig die Koffer auspacken konnte, aus denen so viele Juden in Deutschland nach der Schoa lebten, immer in dem Gefühl, hier nicht leben zu können.
Aber auch ein anderes Kindheitserlebnis blieb prägend: die Erfahrung, dass sie den Judenmord überleben konnte, weil eine einstige Haushälterin ihres Onkels, die Nichtjüdin Kreszentia Hummel, sie auf einem Bauernhof in Mittelfranken aufnahm und als ihr uneheliches Kind ausgab. Dies hat ihr ein Leben lang geholfen, differenzieren zu können, und trotz allem, was sie und ihr Volk erleben mussten, das Gute im Menschen für möglich zu halten. Von den Glaubensgemeinschaften, die in München schon lange bestens zusammenarbeiten, war sie lange Zeit die einzige weibliche Repräsentantin. Schon das war revolutionär. Vor allem aber ihre Idee, die Juden sollten in München nicht mehr in Hinterhof-Synagogen beten, sondern im Herzen der Stadt jüdisches Leben entfalten – nicht nur mit einer Synagoge, sondern mit einem Gemeindezentrum, einem großen Saal für Konzerte und Veranstaltungen, einer Schule und einem Kindergarten, einem koscheren Restaurant, und möglichst in unmittelbarer Nähe von einem jüdischen Museum der Stadt.
Gerne erinnere ich mich an das Gespräch in meinem Amtszimmer, bei dem sie diese geradezu waghalsige Vision ausbreitete. Ich sagte ihr zu, das Projekt zur Chefsache zu machen, und das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Es gab dann zwar einen mehr als zehnjährigen Hürdenlauf – aber sie hat alle Widerstände überwunden, Finanzmittel beschafft und die Öffentlichkeit überzeugt.
Von der Terrasse des höheren Gemeindebauses blickt gelegentlich die Präsidentin herab – auf die Synagoge, auf den Sankt-Jakobs-Platz, auf ihre Münchner Heimatstadt, die sie wieder als solche empfinden kann. Auch wenn man recht lange Stadtoberhaupt sein darf, ist es einem nur selten vergönnt, eine so beglückende Entwicklung aus nächster Nähe miterleben zu dürfen.
Liebe Charlotte, lass dich feiern – und freue dich über dein Lebenswerk, das Bestand haben wird!
Herzlichen Glückwunsch!
Christian Ude
(Oberbürgermeister von 1993 bis 2014)
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
zu Ihrem Geburtstag gratuliere ich Ihnen im Namen des Stadtrats der Landeshauptstadt München und persönlich sehr herzlich. Man kann es geradezu als einen unverdienten Glücksfall für München bezeichnen, dass Sie nach der Befreiung von der NS-Schreckensherrschaft die Kraft fanden, Ihrer Geburtsstadt, der sogenannten »Hauptstadt der Bewegung«, nicht nur nicht den Rücken zu kehren, sondern sogar die Hand zur Versöhnung zu reichen, nach allem, was Sie auch persönlich in Ihrer Kindheit und Jugend am eigenen Leib erlebt und erlitten haben.
Sie haben sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass aus dem Nebeneinander von Juden und Nichtjuden ein Miteinander wird, dass die trennende unsichtbare Mauer überwunden wird. Dass jüdisches Leben und jüdische Kultur nicht länger im Verborgenen blühen – mit der sprichwörtlichen Hinterhof-Synagoge –, sondern für alle wieder sichtbar und erfahrbar werden.
1981 wurden Sie erstmals in den Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde und 1985 als erste Frau an der Spitze einer jüdischen Großgemeinde in Deutschland in das Amt der Präsidentin gewählt, welches Sie bis heute innehaben. Auch wenn Ihr Wirkungskreis durch Ihre Spitzenämter weit über München hinausreicht, so ist München doch das Zentrum Ihres Wirkens geblieben.
Die Krönung Ihres Lebenswerks in München aber war zweifellos die Realisierung des Jüdischen Zentrums am Sankt-Jakobs-Platz, mit dem Sie das jüdische Leben in die Mitte Münchens zurückgeholt haben.
Am 21. Juni 2005 wurde Ihnen in dankbarer Würdigung Ihrer außerordentlichen Verdienste um unsere Stadt, Ihres herausragenden Engagements für die Aussöhnung von Juden und Nichtjuden und Ihres langjährigen Wirkens an der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde das Münchner Ehrenbürgerrecht verliehen. Dieser Stadt haben Sie einen großen Dienst erwiesen. Sie haben München damit die Chance gegeben, nicht nur unter seinen historischen Lasten zu leiden, sondern an einer besseren Zukunft zu arbeiten.
Für das kommende Lebensjahr wünsche ich Ihnen viel Glück, Gesundheit und persönliches Wohlergehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Reiter
(Oberbürgermeister seit 2014)