Reichenbachstraße

Ein gesellschaftliches Signal

Reichenbachstraße 27: Dieser Gebäudekomplex in der Isarvorstadt ist fester Bestandteil der Geschichte der Juden in München. Bis zum Umzug an den Jakobsplatz im Jahr 2006 befand sich hier die Hauptsynagoge der Gemeinde. Seitdem nagt der Zahn der Zeit ständig und unerbittlich an dem architektonischen Juwel, das saniert werden soll.

Einen großen Schritt zur Verwirklichung dieses Vorhabens machte der Bundesligist FC Bayern München und spendete 100.000 Euro für die Baumaßnahmen.

dank Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, bedankte sich bei den Verantwortlichen des Vereins »von ganzem Herzen« für die großzügige Zuwendung im Rahmen der geplanten Sanierung der historisch bedeutsamen Synagoge. »Mit dieser Spende leistet der Verein einen außergewöhnlichen Beitrag zum Erhalt und zur Fortführung des jüdischen Erbes in unserer Stadt«, sagte Knob­loch.

Sie erinnerte bei dieser Gelegenheit auch daran, dass sich der FC Bayern München, an dessen Spitze mit Kurt Landauer sel. A. schon einmal ein jüdischer Präsident stand, seit vielen Jahren im sozialen Bereich engagiert und die schwächsten Mitglieder der Stadtgesellschaft in vielfältiger Weise unterstützt. Dieses Engagement hob die IKG-Präsidentin als »beispielhaft« hervor.

FC-Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge wies bei dieser Gelegenheit auf die klare Haltung des Vereins zu Rassismus und Diskriminierung hin. »Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft nichts verloren. Die Übernahme der IHRA-Definition ist ein gutes Beispiel, wie man als Zivilgesellschaft Diskriminierung und Hass entgegentritt. Wir freuen uns deshalb auch, das Synagogen-Projekt fördern zu können«, betonte er.

Die Synagoge spielt für die jüdische Gemeinde eine ganz besondere Rolle.

Mit seiner Spende will der Fußballklub ein wichtiges gesellschaftliches Signal aussenden, ebenso wie mit der Anerkennung der Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance.

IHRA-Definition Die IHRA-Definition wurde 2016 beschlossen und seither von 34 Staaten sowie dem Europäischen Parlament angenommen. 2017 folgte der Deutsche Bundestag und im Anschluss daran auch die Bayerische Staatsregierung. Im Freistaat gilt die Definition als Arbeitsgrundlage für die Justiz.

Erinnerungskultur werde vom FC Bayern München schon seit vielen Jahren betrieben, betonte Bayern-Präsident Herbert Hainer. Ziel sei es, Rassismus und Diskriminierungen jeder Art zu bekämpfen.

»Es geht um die Notwendigkeit«, so schrieb Hainer in einer Erklärung, »dazu eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zu führen und jeder Form von Ausgrenzung und Hass eine Absage zu erteilen.« Die Spende zum Erhalt der Synagoge an der Reichenbachstraße sei ein Beitrag zu dieser notwendigen Erinnerungskultur.

pogromnacht Für die jüdische Gemeinde Münchens spielt die Synagoge an der Reichenbachstraße eine ganz besondere Rolle. Das kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1931 errichtete Gotteshaus war eines der wenigen, die in der Pogromnacht nicht von den Nazis in Brand gesetzt wurden, da die Feuerwehr eine Ausbreitung des Feuers auf umliegende Gebäude befürchtete.

Dennoch wurde die Synagoge im Inneren weitgehend zerstört und von einem aufgebrachten Mob geplündert. Danach musste die jüdische Gemeinde in einer ehemaligen Tabakfabrik in der Lindwurmstraße Zuflucht suchen, da auch die beiden anderen Synagogen von den Nationalsozialisten zerstört worden waren. Weitere Beschädigungen folgten Ende des Krieges durch die Bombenangriffe der Alliierten.

Die kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1931 errichtete Synagoge war eine der wenigen, die in der Pogromnacht nicht von den Nazis in Brand gesetzt wurden.

Trotzdem konnte die Synagoge an der Reichenbachstraße bereits 1947 wieder für die Beter geöffnet werden. Einer der maßgeblichen Initiatoren war dabei Fritz Neuland sel. A., der Vater von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch.

erinnerungskultur Die grundsätzliche Bedeutung von Erinnerungskultur, auf die Charlotte Knobloch immer wieder hinweist, lässt sich ihren Worten zufolge an der Reichenbachstraße 27 besonders eindringlich festmachen.

Die erstaunlich schnelle Wiederbelebung und Entwicklung der jüdischen Gemeinde Münchens nach der Zeit des Nationalsozialismus gehört zu dieser Erinnerungskultur. Aber auch der antisemitisch motivierte Brandanschlag auf das Seniorenheim im Vordergebäude, der sich in wenigen Tagen, am 13. Februar, zum 51. Mal jährt, darf nicht vergessen werden. Sieben Bewohner starben. Die Täter sind bis heute unbekannt.

Die Notwendigkeit, sich mit der Kultur der Erinnerung auch Wissen über Antisemitismus anzueignen, um gesellschaftliche und politische Entwicklungen einschätzen zu können, ist für die IKG-Präsidentin mit Blick auf aktuelle Befunde nicht diskutierbar.

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hat die bisher weltweit größte Studie zu Diskriminierung und Hassverbrechen gegen Juden in der EU vorgelegt. In zwölf europäischen Ländern, darunter Deutschland, wurde ein zunehmend aggressiver Antisemitismus festgestellt. Überrascht davon ist Charlotte Knobloch nicht. »Diese Entwicklung«, sagt sie, »ist seit Jahren spürbar.«

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