Nachruf

»Ein feiner Mensch«

Werner Platz sel. A. (1940–2020) Foto: Uwe Steinert

»Er war ein großartiger, feiner und eleganter Mensch.« Das sagt Heinz Rothholz, Gabbai in der Synagoge Pestalozzistraße, über Werner Platz. Jahrzehntelang war Werner E. Platz Beter der Synagoge – nun wird er fehlen, denn er ist im Alter von 80 Jahren gestorben und wurde vorvergangene Woche auf dem Friedhof Heerstraße im engen Familienkreis beerdigt. Rabbiner Jonah Sievers amtierte bei der Trauerfeier.

Sein Leben war geprägt von der Arbeit, die er liebte. Bis zuletzt hat der fast zwei Meter große Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in seiner Praxis Patienten behandelt. Wer psychische Probleme hatte, konnte sich jederzeit an ihn wenden. Stets hatte er für jeden ein offenes Ohr.

Werner Platz gründete 1991 die Organisation ESRA, die erste psychosoziale Beratungsstelle für NS-Verfolgte und deren Kinder.

Vor allem Überlebende der Schoa wussten, dass sie bei ihm Hilfe bekamen. Und er lernte, dass es dringend notwendig ist, eine Beratungsstelle für sie ins Leben zu rufen. So gründete er 1991 die Organisation ESRA, die erste psychosoziale Beratungsstelle für NS-Verfolgte und deren Kinder. 2006 gab er im Verlag Hentrich & Hentrich das Buch Todesurteil per Meldebogen: Ärztlicher Krankenmord im NS-Staat, Beiträge zur »Aktion T4« heraus.

CHEFARZT Werner Platz wurde 1940 in Berlin geboren, studierte und ging schließlich für einige Zeit nach Israel. Von 1994 an wirkte er als Hochschullehrer an der FU Berlin. Bereits von 1984 bis 2005 war er Chefarzt in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik/Vivantes Humboldt-Klinikum. Später leitete Platz die Psychiatrische Institutsambulanz PIA II, eine transkulturelle Einrichtung speziell für Zuwanderer und Flüchtlinge. Zudem war er als Facharzt in Patras in Griechenland in der Flüchtlingshilfe aktiv.

Griechenland war ihm immer sehr nahe, und Rabbiner Andreas Nachama erinnert sich, dass Platz und sein Vater Estrongo Nachama, der aus dem Land stammt, sehr gute Freunde waren. Da er etwas bewegen und gerne ehrenamtlich tätig sein wollte, engagierte sich Platz in der Gemeindepolitik der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, darunter von 2001 bis 2004 als Mitglied der Repräsentantenversammlung (RV) und stellvertretender Vorsitzender des Sozialausschusses der Gemeinde.

Nach ein paar Jahren war Schluss für ihn mit dieser Arbeit – doch nur vorübergehend. In den vergangenen Jahren kehrte er unter dem Vorstand von Gideon Joffe noch einmal in die Gemeindepolitik zurück, diesmal nicht als gewähltes Mitglied der RV, sondern als Vorstandsmitglied. Das ist laut den Statuten möglich.

FÄLLE Auch als Gerichtsgutachter hatte er einen exzellenten Ruf. In seine Zeit fielen spektakuläre Prozesse wie beispielsweise der des Kaufhaus-Erpressers Arno Funke alias »Dagobert«. »Für mich gibt es kein Gut und Böse. Das sind nur zwei Seiten desselben Menschen«, sagte Werner Platz einmal. Er öffnete seine Akten für den Journalisten Rolf Kremming, der 18 der faszinierendsten Fälle des Gerichtspsychiaters in dem Buch Der ewige Dagobert nacherzählt.

»Für mich gibt es kein Gut und Böse. Das sind nur zwei Seiten desselben Menschen.«

Werner Platz

In die Seelen unzähliger Verbrecher hat er geschaut, die Psyche vieler prominenter Angeklagter analysiert. 1986 hatte er wohl einen seiner schwersten Fälle, denn er musste sich mit der Psyche des Kapo Otto H. auseinandersetzen. Platz nannte den Ex-KZ-Häftling, der zum Mörder wurde, in seinen Beschreibungen »Der Würger«. Diese Geschichte wurde auch in das Buch aufgenommen.

»Wir trauern um einen klugen Sachverständigen und Menschenfreund«, heißt es in der Todesanzeige von 70 Juristen – überwiegend Strafanwälte – im »Tagesspiegel«. Darunter auch so prominente Anwaltskollegen wie Gregor Gysi und Otto Schily.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert