Lesung

Ein Buch für Hanna

»Hanna war eine ungewöhnliche Frau, freundlich und sanftmütig, mit einem guten, mitfühlenden Herzen«, sagt Mirjam Pressler. Foto: Marina Maisel

Es gibt Menschen, die andere tief und nachhaltig beeindrucken. Für die Autorin Mirjam Pressler gehört Hanna dazu. Die beiden Frauen hatten sich vor mehr als drei Jahrzehnten in einem Kibbuz im oberen Galiläa kennengelernt und sich dann fast jährlich getroffen. 2006 ist Hanna gestorben. Mirjam Pressler wird bewusst, dass sie eigentlich ein Buch über sie hätte schreiben wollen – doch ihre Fragen kann sie ihr, die sie als »eine ungewöhnliche Frau, freundlich und sanftmütig, mit einem guten, mitfühlenden Herzen« beschreibt, nicht mehr stellen. Hanna geht ihr nicht aus dem Kopf, aus den Erinnerungen wird ein Roman Ein Buch für Hanna.

Das Kulturzentrum der IKG München und der Beltz & Gelberg Verlag haben die Autorin zu einer Lesung und einem Gespräch mit Wolfgang Neuss von SWR eingeladen. Die Leiterin des Kulturzentrums, Ellen Presser, freute sich, dass Mirjam Pressler ihre Neuerscheinungen regelmäßig in der Münchner Kultusgemeinde vorstellt.

Die Verlegerin Barbara Gelberg stellte die mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnete vielseitige Schriftstellerin und Übersetzerin vor, die in ihrem jüngsten Werk eine Lebensgeschichte mit vielen Reflexionen verbindet. Zum Beispiel über Wahrheit und Wahrhaftigkeit, wie dies im Gespräch mit Wolfgang Neuss immer wieder deutlich wurde. »Ich konnte kein Buch über Hanna schreiben, dazu ist es zu spät, aber ich habe ein Buch für Hanna geschrieben«, unterstrich Mirjam Pressler im Gespräch ebenso wie im Vorwort zu ihrem Roman.

Dänemark Hanna, geboren als Hannelore, gehörte zu einer Gruppe jüdischer Mädchen, die zunächst das Glück zu haben schienen, der Nazi-Verfolgung zu entrinnen: Aus Leipzig konnte sie, gerade 14 Jahre alt, mit einer Gruppe anderer Mädchen, zunächst nach Dänemark kommen. Dann bekam sie dann ihren weniger »deutsch« klingenden Namen Hanna. Von dort wurde sie nach Theresienstadt deportiert.

In die Beschreibung des Aufenthalts in Dänemark mischen sich immer wieder Beobachtungen der politischen Situation. Die Mädchen sprechen darüber, vom gebrochenen Nichtangriffspakt der Deutschen auch mit Dänemark. Und die jungen Zionistinnen fragen sich, ob ihr Wunsch, nach Erez Jisrael zu kommen, jemals Wirklichkeit werden wird. Nicht alle werden dorthin gelangen. Und bis es für Hanna so weit kommt, liegt noch eine schwere Zeit vor ihr. Zeiten, in denen vieles, was das junge Mädchen in Gedanken hin und her wälzt, nie ausgesprochen oder zu Papier gebracht wird, beispielsweise in den Briefen oder knappen Postkarten an ihre Mutter.

verhaftung Die Verhaftung von Hanna schildert Mirjam Pressler in dem Roman in zugleich dramatischer wie einfühlsamer und berührender Weise. Die Familie, bei der Hanna zu Rosch Haschana zu Gast ist, wird deportiert. Hanna, so zeichnet Mirjam Pressler die Situation im Roman, bekommt hinter der Tür ihres Zimmers alles mit. Sie wird entdeckt und von den Deutschen gefragt, ob sie Jüdin sei. »Ja, ich bin Jüdin«, lässt Pressler ihre Romanheldin sagen.

Warum, fragen Wolfgang Neuss und die Zuhörer. Sie hätte zum einen gar nicht aus dem Zimmer kommen müssen und zum anderen einfach die Frage verneinen. »Das hätte nicht zu Hanna gepasst«, begründet Mirjam Pressler die Szene. Die Romanszene ist fiktiv, aber auch wahrhaftig. So zeichnet die Schriftstellerin in dem Buch für Hanna diese Frau und ihren Charakter. Während der Recherche hat Mirjam Pressler die Orte des Geschehens besucht, auch Theresienstadt.

andersen Manche der Schilderungen aus der Landwirtschaft gehen auf Erlebnisse der Autorin aus ihrer eigenen Kindheit zurück. Besonders wichtig war Mirjam Pressler aber immer die Persönlichkeit von Hanna, so wie sie diese über die Jahrzehnte kennengelernt hat. Ihre Wahrhaftigkeit spiegelt sich in der Beschreibung ihres Verhältnisses zur Magd Bente auf dem dänischen Bauernhof. An einigen Stellen werden Gefühle mithilfe von Märchen umschrieben.

Und so wird das Zitat aus dem »Standhaften Zinnsoldaten« von Hans Christian Andersen eine Widmung an Hanna und die Wahrhaftigkeit, mit der sie Mirjam Pressler durch den Roman begleitet. Sie hat es dem Buch ebenso vorangestellt wie dem Abend im Gemeindezentrum: »Da schmolz der Zinnsoldat zu einem Klumpen zusammen, und als das Dienstmädchen die Asche aus dem Ofen nahm, fand sie diesen Klumpen, der die Form eines Herzens hatte.«

Filmporträt
Vorgestellt wird das Buch in dieser Woche auch auf der Leipziger Buchmesse. Aus diesem Anlass sendet die Redaktion Bildung des Bayerischen Fernsehens in der Reihe »Poetische Welten« ein Porträt der Schriftstellerin und Jugendbuchautorin Mirjam Pressler. Mehr dazu im Internet unter: www.br-online.de/br-alpha/alpha-campus. Mitschnitte der Sendung erhalten Sie beim BR-Mitschnittservice: Tel. 01805/300430, per FAX unter 089-5900-4320. Für Fragen zur Sendung wenden Sie sich an das Bayerische Fernsehen, Redaktion Bildung, Corinna Benning, 089/38 06 50 30, corinna.benning@brnet.de.

Berlin

»Etwas Himmlisches«

Am Donnerstagabend wurden in Berlin kleine, glitzernde Tropfen der Hoffnung gefeiert. So war die Verleihung des achten Shimon-Peres-Preises

von Sophie Albers Ben Chamo  01.11.2024

Düsseldorf

»Die Schuld war individuell. Die Verantwortung aber ist von Dauer«

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch hat an der Heinrich-Heine-Universität ihre erste Gastvorlesung gehalten. Wir dokumentieren sie im Wortlaut

 01.11.2024

Makkabi

Aus der Sukka zur Maccabiah

Im kommenden Jahr erwartet die Makkabäer der große Wettbewerb in Israel. Nun kamen die Athletinnen und Athleten zum Training zusammen

von Stefan Laurin  31.10.2024

Virtual Reality

Virtuelle Charlotte Knobloch führt durch das München von 1938

In einem neuen Virtual-Reality-Projekt führt ein Avatar von Charlotte Knobloch durch München während der Pogromnacht 1938

von Christiane Ried  30.10.2024

Frankfurt

Raum für Debatten

Die Jüdische Akademie und die Goethe-Universität unterzeichnen einen Kooperationsvertrag. So wollen beide Institutionen die Verbundforschung stärken

von Doron Kiesel  30.10.2024

Staatsanwaltschaft Stuttgart

Anklage wegen Anschlagsplänen auf Synagoge in Heidelberg

Zwei junge Männer tauschen sich in Chats über mögliche Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Heidelberg und Frankfurt am Main aus

 29.10.2024

Zeitz

Reinhard Schramm warnt vor Zweckentfremdung von Spendengeldern

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen wirbt im Spendenstreit für Simon-Rau-Zentrum

 28.10.2024

Stuttgart

Lebensbejahende Botschaft

Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs feierte das Neujahrsfest

von Brigitte Jähnigen  27.10.2024

München

Wunden, die nicht heilen

Tausende zeigten auf dem Odeonsplatz Solidarität mit Israel. Die IKG lud am Jahrestag des Hamas-Massakers zu einem Gedenkakt in die Synagoge

von Luis Gruhler  27.10.2024