In diesen Tagen erscheint der Gedenkbriefumschlag »150. Jahrestag Einweihung der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße«. Der »Zudruck« – so heißt es offiziell – zeigt »einen reich verzierten achteckigen Turmaufsatz und die von vergoldeten Rippen überzogene Tambourkuppel über der Vorhalle der Neuen Synagoge in Berlin im heutigen Zustand. Ein Ausschnitt aus einer Illustration des 19. Jahrhunderts zeigt den Blick in den heute nicht mehr erhaltenen Innenraum der Synagoge hin zum Toraschrein.«
Die Deutsche Post erinnert mit dieser Drucksache daran, dass am 5. September 1866 (25. Elul 5626) jenes Gebäude eingeweiht wurde, das »mitten in die moderne prosaische Welt die Wunder des Orients uns vor das Auge zaubert«, wie die zeitgenössische Presse schwärmte.
Neue Synagoge Es ist nicht das erste Mal, dass die Post die Neue Synagoge würdigt. Kaum zu glauben, aber es ist ziemlich auf den Tag genau 26 Jahre her, dass die Jüdische Allgemeine als Aufmacher in ihrer Ausgabe vom 27. September 1990 unter der Überschrift »Ein Extra für die Synagogen-Stiftung« zwei Briefmarken der Post der Noch-DDR veröffentlichte. Die eine zeigte ein Bildnis der Neuen Synagoge, das sich im Besitz der Ostberliner Jüdischen Gemeinde befand (Auflage vier Millionen Exemplare), die andere ein Porträt von Louis Lewandowski (acht Millionen Exemplare).
Bald nach ihrem Entstehen (Sommer 1988) hatte sich die Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum um Sonderbriefmarken bemüht, aber die Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt; es schien sogar hoffnungslos. Mitten in den gewaltigen Veränderungen des Jahres 1989 rief mich der für Briefmarken Zuständige des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen an und teilte mit: »Herr Doktor, wir können jetzt die Briefmarken machen.«
Ich war etwas verdutzt, hatten wir doch in jenen aufregenden Tagen und Monaten ganz andere Dinge im Kopf, fragte aber nach dem Grund und erhielt wie selbstverständlich folgende Antwort: »Es sind mehrere Motive ausgefallen.«
In der Tat, eine Sondermarke »Parlament der FDJ« und eine zum »Jahrestag der NVA« waren zu diesem Zeitpunkt überholt. So war es nun an uns, neue Motive für die Sondermarken vorzuschlagen.
Mit der damaligen Leiterin der Abteilung Jüdisches Museum im Berlin-Museum, Vera Bendt, war ich mir einig, dass das 1868 entstandene Ölgemälde von Louis Lewandowski, das das Museum erst kurz zuvor erworben hatte, auf die Briefmarke gehört.
Louis Lewandowski Alles veränderte sich so schnell, dass niemand mehr bemerkte, dass ein Kunstwerk aus dem Besitz eines Westberliner Museums auf einer ostdeutschen Briefmarke abgebildet war; vermutlich ein singuläres Ereignis. Beide Briefmarken – das Synagogenbild und das Porträt Lewandowskis – wurden von der Berliner Grafikerin Gudrun Lenz entworfen und erschienen am 18. September 1990.
Noch gab es die DDR, aber die Währungsunion war bereits hergestellt. Die Synagogenmarke hatte einen Wert von DM 0,50 (plus Spendenaufschlag von 0,15), Lewandowski von DM 0,30. Als Druckerei hat die nunmehr Deutsche Post auf den vollständigen Bögen »Wertpapierdruckerei Leipzig« angegeben. Auf dem Ersttagsbrief war das Ewige Licht der Neuen Synagoge abgebildet, das im Oktober 1989 bei systematischen Enttrümmerungsarbeiten in einer im Krieg eingebrachten Trümmerschutzdecke gefunden worden war.
Ich freue mich über die erneute Würdigung der Neuen Synagoge durch die Deutsche Post. Wären wir schneller mit unserem Vorschlag gewesen, dann hätte es vielleicht noch eine Sonderbriefmarke dazu gegeben, aber der Vorlauf dafür ist enorm lang. Und Motive waren diesmal nicht ausgefallen, zum Glück!
Der Autor ist Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum.