Eine karge Bühne mit einem mit schwarzem Tuch bedeckten Tisch, in der Mitte ein roter Schal. So einer, wie ihn Ralph Giordano immer trug. Ein Erkennungszeichen des großen Journalisten, Schriftstellers und Filmemachers aus Hamburg.
Nun lag dieser rote Schal auf dem langen Lesetisch auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters, als treue Freundinnen und Freunde dort den 100. Geburtstag des Mahners gegen Antisemitismus, Rechtspopulismus und Fremdenhass öffentlich mit Publikum feierten. Das Hamburger Kulturnetzwerk »MIT2WO« hatte das Fest mit dem Ernst Deutsch Theater initiiert.
STREIT Eine ergreifende Rede hielt »MIT2WO«-Ehrenmitglied Peggy Parnass. Die Publizistin und ehemalige Gerichtsreporterin, nur fünf Jahre jünger als Ralph Giordano, sagte von der Bühne herunter in den vollen Saal: »Ich würde viel lieber direkt mit Ralph sprechen. Wir haben manchmal heftig gestritten, vor allem, wenn es um Israel und die Palästinenser ging.«
Ralph Giordano hat seine »liebe Freundin Peggy« auch in seinem Buch Israel, um Himmels willen, Israel erwähnt, denn er wohnte während seiner Israelzeit zeitweise bei ihrem Bruder Gady Parnass im Kibbuz Ein Haroresh. »Ich war auch dabei, als er seine große Liebe kennenlernte, die bezaubernde Marina Jakob, die ihn in seinen letzten zehn Jahren begleitete«, so Parnass. Seit Giordanos Tod kämpft Marina Jakob dafür, dass er vom städtischen Friedhof in Köln auf den jüdischen Friedhof in Hamburg umgebettet wird.
Sehr berührend war die Lesung seines Romans »Die Bertinis«.
Die Umbettung wird auch von Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky befürwortet, der darin keine Störung der Totenruhe sieht. Im Gegenteil. Schon im März 2018 sagte der Chabad-Rabbiner: »Ralph Giordano findet erst dann seine Totenruhe, wenn er als Jude in jüdischer Erde begraben liegt, in einem ewigen Grab, das nie aufgehoben wird. Um dem jüdischen Gesetz zu entsprechen, würde ich es begrüßen, Ralph Giordano sel. A. den halachischen Vorschriften folgend seine letzte Ruhe auf dem Friedhof seiner Jüdischen Gemeinde Hamburg zu ermöglichen.«
Zudem erinnerte Bistritzky an ein Interview Giordanos zu dessen 90. Geburtstag, in dem dieser seinen Irrtum bekannte, in diese Welt keine Kinder setzen zu wollen. Davon hätten ihn die Nazis mit ihren Verbrechen abgehalten. Doch es sei von allen NS-Verbrechen an ihm das größte gewesen, ihn »um den Mut zu eigenen Kindern gebracht zu haben«.
Bistritzky fuhr fort: »Wir ehren hier heute einen Menschen nicht nur, weil er Schriftsteller war, nicht nur, weil er ein Überlebender des Holocausts war, sondern weil er trotz der Ereignisse des Holocausts, die er durchlebt und durchlitten hat, seine Fähigkeiten zu nutzen wusste, um Bücher für die Welt zu schreiben, die an seinen Weg erinnern, einen Weg, von dem ich hoffe, dass er uns allen Kraft und Mut gibt.«
HÖRBUCH Sehr berührend war die Lesung der Hörbuch-Fassung von Ralph Giordanos Familienroman Die Bertinis, sein Opus magnum, an der Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, die Schauspielerin Jantje Billker sowie die Schauspieler Patrick Abozen, Tommaso Cacciapuoti und Christoph Tomanek mitwirkten.
Giordano nahm die Hörbuchfassung noch 2014 mit dem Autor, Regisseur und Lichtkünstler Michael Batz auf. »Seinen Roman von 600 Seiten in 18 Manuskriptseiten zu fassen, damit war er erst nicht einverstanden«, so Batz. Doch die Argumente, den Roman über das NS-Verbrechen der Schoa so jungen Menschen nahezubringen, habe ihn umgestimmt.