Wer schlägt heute noch im Lexikon nach? Das ist doch total veraltet. Mit Wikipedia ist man schnell auf dem neuesten Stand. Statt zu telefonieren oder einen Brief zu schreiben, verfasse ich besser eine E-Mail. Über eines der zahlreichen Social-Networks lassen sich die Kontakte zu Freunden im Ausland halten – das Internet ist aus dem Alltag kaum noch wegzudenken.
Auch am Arbeitsplatz geht kaum noch etwas ohne das Web. Das gilt natürlich auch für die jüdischen Gemeinden und Institutionen, die Informationen und Terminankündigungen über das Internet versenden. Annette Altschaffel, seit 17 Jahren Sekretärin der jüdischen Gemeinde in Essen, gibt ein konkretes Beispiel dafür, wie wichtig das Internet neben der Nutzung von Info-Webseiten für ihre Arbeit geworden ist. Das Gemeindezentrum stammt aus den 50er- Jahren, der Bau ist entsprechend sanierungsbedürftig. »E-Mails sind in einem solchen Fall eine Stufe wertiger als Telefonate, da man immer gleich ein Dokument zur Hand hat, auf das man sich beziehen kann», erklärt Altschaffel.
Auch für den Austausch von Informationen sei das Web unheimlich hilfreich. «Wir erhalten viele E-Mails von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt) und vom Landesverband, die wir gleich weiterverteilen können.» Entsprechend «stehen wir ganz schön auf dem Schlauch, wenn es einmal technische Probleme gibt», meint Annette Altschaffel lachend.
notwendig Die Frage, wie wichtig das Internet heute sei, «ist fast überflüssig», anwortet auch Heike von Bassewitz leicht amüsiert. Sie ist bei der ZWSt für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Denn wie in den allermeisten Institutionen ist das Internet auch aus der täglichen Arbeit der ZWSt nicht mehr wegzudenken. «Manchmal fragt man sich schon, wie man das früher, ohne das Web, gemacht hat».
Am wichtigsten ist der E-Mail-Kontakt. «Wir bekommen dadurch viel mehr Anfragen von außen», hat von Bassewitz festgestellt. Die Nutzung der elektronischen Post sei «eine Kostenfrage, die meisten Mitteilungen verschicken wir nur noch per E-Mail, lediglich Standardbriefe werden mit der Post gesendet.» Und so ist die Nutzung des Internets, und dabei vor allem die eigene Gemeinde-Homepage, auch ein Thema bei Schulungen der Wohlfahrtsorganisation. «Auf unseren Seminaren für Öffentlichkeitsarbeit zeigen wir den Gemeinden, wie man eine solche Webpage am besten erstellt und gestaltet.» Die Nachfrage nach solchen Fortbildungen sei recht groß. «Aber man muss schon sagen, dass es weit wichtigere Themen gibt.»
Auch bei der weltweiten zionistischen Frauenorganisation WIZO ist das Internet zu einem der wichtigsten Arbeitsutensilien geworden. Die eigene Webside der Women’s International Zionist Organisation wird von einem Mitglied aus Köln betreut. «Wir haben die Internetseite gemeinsam entworfen», berichtet Simone Graumann vom WIZO-Vorstand in Frankfurt ein bisschen stolz. «Es ist schon etwas anderes, nur zu hören, welche Projekte wir unterstützen oder sich auf der Internetseite selbst ein Bild machen zu können.» Zumal auch Erfolge ganz schnell dokumentiert werden können: «Wenn wir zum Beispiel Geld für die Renovierung einer unserer Einrichtungen sammeln, dann machen wir für unsere Internetseite natürlich auch Vorher-Nachher-Fotos, sodass man unmittelbar vor Augen geführt bekommt, wie viel die Spenden schon bewirkt haben.
sparsam Einmal wöchentlich verschicken die WIZO-Frauen einen Newsletter an alle Mitglieder. «Per Post könnten wir uns diesen Info-Service wohl nicht leisten.» Und so gelte für die Wohltätigkeitsorganisation das, was praktisch jeder sagt: «Wir fragen uns immer wieder, wie wir das früher ohne das Internet geschafft haben.»
E-Mails ersetzen allerdings keinesfalls den persönlichen Kontakt, sagt Simone Graumann, die Beziehungen zu Sponsoren und Spendern werden daher nach wie vor auch in persönlichen Gesprächen gepflegt. Und auch die Reisen nach Israel, auf denen sich die WIZO-Damen über die Arbeit in den Projekten informieren sowie die Gespräche vor Ort «werden durch das Internet wohl nie überflüssig werden».
Wenn es um das Thema Internet geht, wird eine Bevölkerungsgruppe normalerweise ausgespart. Dabei wird das Web für alte Menschen aus mehreren Gründen immer wichtiger, weiß Leo Friedmann, Leiter des Frankfurter Seniorenheims. «Die Älteren blocken zwar tendenziell eher vorher ab, wenn es um Unbekanntes geht, aber wenn sie motiviert werden, dann können sie neue Technologien auch benutzen.
Wenn die Skepsis verflogen ist, wird es voller Begeisterung genutzt.» Entsprechend rege wird das hauseigene Internetcafé von den Bewohnern mittlerweile genutzt. Allein muss sich dabei niemand ins WWW wagen: Mitarbeiter schulen die Bewohner, die sich für das Internet interessieren, so dass diese dann in der Lage sind, selbstständig durch das Web zu surfen. «Wir stellen alles zur Verfügung, was es so gibt, von der E-Mail bis hin zur Videokonferenz.»
Verbindend Via Skype und Chats Kontakt zu im Ausland oder auch nur in anderen Städten lebenden Familienmitgliedern halten zu können, ist für ältere Menschen eine Bereicherung des Alltags, hat Friedmann beobachtet. Die Enkel in Israel oder in den USA seien doch ohnehin ständig online. «Sich mit ihnen via Internet zwischendurch rasch austauschen zu können statt auf Anrufe warten zu müssen, ist ein echter Zugewinn, auch, weil man dann den Mitbewohnern wieder etwas zu erzählen hat.» Und man hilft sich gegenseitig, diejenigen, die den Umgang mit dem Netz schon gelernt haben, zeigen Neulingen, wie es geht. «Auch das sorgt für Abwechslung, Gesprächsstoff und Kontakt», freut sich Heimleiter Friedmann.
Spielchen Die «Silver Surfer», wie internetaffine Senioren in den USA genannt werden, nutzen das Internet nicht nur zur Kommunikation, sondern so wie die jüngeren User auch: Man freut sich darüber, russische und israelische Zeitungen im Internet lesen zu können. «Einige haben ausprobiert, via Internet ausländische Fernsehprogramme zu gucken.» Und auch Casual Games, kleine Spielchen, die man ohne lästige Anmeldungsformalitäten spielen kann, werden genutzt. «Backgammon ist recht beliebt.» Stolz erzählt man von neuen Highscores. «Gerade für Senioren ist es ganz wichtig, wenn sie zeigen können, dass sie mit den Jüngeren mithalten können.»
Aber natürlich sei das Internet auch aus der alltäglichen Arbeit von Pflegekräften und Verwaltungspersonal nicht mehr wegzudenken, sagt Friedmann und macht eine einfache Rechnung auf: «Bewerbungen via E-Mail sind mittlerweile alltäglich geworden. Das spart nicht nur Porto: Eine Bewerbungsmappe per Post zurückzuschicken, kostet zwei Euro 10, wenn man nur 100 Bewerbungen im Jahr bekommt, summieren sich diese Ausgaben schon auf eine stattliche Summe, die man nun für sinnvollere Zwecke verwenden kann.»