Synagogenbau

Durchbruch in Potsdam

Seit mehr als zehn Jahren liegt der Baugrund für die Synagoge an der Schloßstraße im Dornröschenschlaf. Foto: Rolf Walter

Potsdam ist die einzige Landeshauptstadt, in der es keine Synagoge gibt. Die verschiedenen jüdischen Gemeinden nutzen seit Längerem Ausweichquartiere. Dabei liegt seit April 2009 eine Juryentscheidung zu einem Architektenwettbewerb vor, der den Entwurf des Berliner Büros »Haberland Architekten BDA« zum besten Entwurf gekürt und der Öffentlichkeit präsentiert hatte.

Nachdem das Land Brandenburg bereits 2009 den Baugrund der ehemaligen »Wasserwirtschaft« in der Schloßstraße 1 zur Verfügung gestellt hatte, wollten es Synagoge und Gemeindezentrum zunächst als eigene Baumaßnahme vorfinanzieren. Die Entscheidung des Landes setzte ein »weiteres deutliches Signal für jüdisches Leben in Brandenburg«, freute sich der damalige Vorsitzende des Bauvereins Neue Synagoge Potsdam e.V., Horst Mentrup. Doch seitdem ist die Verwirklichung immer wieder an Einsprüchen gescheitert, das vorgesehene Grundstück an der Schloßstraße in Potsdams Innenstadt liegt brach.

Noch in diesem Jahr soll der Spatenstich zum Bau der Synagoge erfolgen.

Seit vergangenen Donnerstag scheint nun doch ein Durchbruch erzielt worden zu sein, und eine neue Synagoge für Potsdam ist in greifbare Nähe gerückt: Noch in diesem Jahr soll der Bau eines neuen jüdischen Gotteshauses in der brandenburgischen Landeshauptstadt beginnen.

Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) präsentierte am Donnerstag vergangener Woche Pläne für ein Synagogen- und Gemeindezentrum. »Wir werden die Synagoge wie im Koalitionsvertrag versprochen in dieser Legislaturperiode an die Jüdinnen und Juden in Brandenburg zur Nutzung übergeben«, sagte Schüle bei einer Online-Pressekonferenz.

Die Landesregierung wolle die Synagoge in Zusammenarbeit mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) auf dem dafür vorgesehenen Gelände errichten. Land und Zentralwohlfahrtsstelle wollten dazu in Kürze eine Vereinbarung unterzeichnen.

Aufgabe »Mir ist völlig bewusst: Es ist nicht Aufgabe des Staates, Gotteshäuser zu bauen oder darüber zu entscheiden, wie sie aussehen oder genutzt werden sollen. Dafür brauchen wir kompetente, erfahrene, vor allem aber legitime Partner, und die haben wir mit dem Zentralrat der Juden und der Zentralwohlfahrtstelle der Juden gefunden«, sagte Schüle. »Wir würden dieses Gebäude nicht als Staat finanzieren, wenn es nicht der deutsche Staat gewesen wäre, der die Potsdamer Synagoge und buchstäblich Tausende andere zerstört und Millionen Jüdinnen und Juden ermordet hätte«, betonte die Ministerin. Der Synagogenneubau sei ein überaus wichtiges Signal im Festjahr zu »1700 Jahre jüdisches Lebens in Deutschland«.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte den Synagogenbau einen lang gehegten Wunsch der jüdischen Community in Potsdam. »Wir sind der Landesregierung sehr dankbar für ihre Unterstützung, um diesen Wunsch jetzt Wirklichkeit werden zu lassen«, fügte er hinzu. Mit dem Projekt werde eine Lücke geschlossen.

»Wir gehen von der Eröffnung 2024 aus«, sagte Schuster. Während der Bauphase solle eine jüdisch-fachliche Begleitung durch die ZWST erfolgen. Danach solle das Projekt im Rahmen einer Stiftung durch die ZWST drei Jahre weiter betreut und anschließend dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden Land Brandenburg übergeben werden, »zur Nutzung für alle jüdischen Gemeinden in Brandenburg und insbesondere in der Stadt Potsdam«.

Jugendarbeit Abraham Lehrer, Präsident der ZWST und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, sagte: »Für die ZWST ist dies der zweite Anlauf, mitzuhelfen und mitzuwirken, dass in der Stadt Potsdam ein Bau errichtet wird, der eine Synagoge beinhaltet und den Gemeinden Möglichkeiten eröffnet, ihre Sozial- und Jugendarbeit in passendem Rahmen durchzuführen.«

Die Zentralwohlfahrtsstelle sehe sich als Katalysator für den Baustart. »Wir wollen das nicht für unseren Verband einrichten und eingliedern, sondern wir wollen es gestalten, damit die Menschen und die jüdische Gemeinschaft von Potsdam sich darin ein Zuhause bilden können.« Auf die Frage eines Journalisten sagte Lehrer, die ZWST werde eine Person suchen, »die unsere Interessen und damit auch die Interessen der Gemeinden vor Ort wahrnimmt und als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung stehen wird«.

Baugenehmigung Architekt Jost Haberland äußerte die Erwartung, dass die Baugenehmigung im März erteilt wird. Die Kostensteigerung für das Projekt auf nunmehr 13,7 Millionen Euro resultiere aus dem allgemeinen Anstieg der Baukosten und Sicherheitsauflagen nach dem Anschlag in Halle.

In dem Gebäude solle es neben der reinen Synagoge auch Angebote für Familien und Senioren geben: »Es soll ein Haus sein, in dem es lebendig zugeht. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit dem Architekten Haberland und sind sicher, dass das diesmal ein erfolgreiches Projekt werden wird«, sagte Lehrer.

Die Pläne des Berliner Architekten Jost Haberland sehen ein Gebäude mit sieben Rundbogenfenstern und einer Dachterrasse für kulturelle Feste vor, das etwas in die Straße hineinragt. Trotz aller Sicherheitsstandards solle es ein offenes Haus sein. Das eigentliche religiöse Zentrum ist im ersten Obergeschoss vorgesehen, im Erdgeschoss gibt es ein öffentlich zugängliches Café.

Debatte »Das Synagogenprojekt hat sich seit dem Wettbewerbsprojekt aus dem Jahr 2009 in vielfältiger Weise gewandelt und wurde in vielen, auch öffentlichen Diskussionen und Workshops an die Bedürfnisse der Jüdinnen und Juden angepasst. Auf Grundlage des im Frühjahr 2020 vorgestellten Vorentwurfs wurden Anfang dieses Jahres die Genehmigungsunterlagen eingereicht«, sagte Architekt Haberland.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach in einer Mitteilung von einem wichtigen Signal, »insbesondere in diesem Jahr, in dem wir 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern«. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Potsdam begrüßte die Entwicklung. Der bevorstehende Baubeginn stieß auch bei SPD und Linken sowie der Union progressiver Juden in Deutschland auf Zustimmung. Ihr Präsident Rabbiner Walter Homolka sprach von einem »guten Tag für die jüdische Gemeinschaft Brandenburgs«.

Kritik Trotz Lehrers mehrfach wiederholtem Angebot, die gesamte jüdische Gemeinschaft in Potsdam in das Projekt einbinden zu wollen, fehlte es nicht an postwendender Kritik, schrieb die »Märkische Oderzeitung«. Schon vor einigen Monaten habe der Vorsitzende der Synagogengemeinde, Ud Joffe, die Synagoge als »Konzentrationsstätte« gegeißelt. Zur Übernahme der Trägerschaft durch die ZWST habe der Landesverband West noch am Donnerstag verkündet, der Zentralrat der Juden vertrete heute »keine Juden in Potsdam und der Region«. Ferner liege die Betreibung von Synagogen allein bei den Religionsgemeinschaften und nicht bei einem Wohlfahrtsverband wie der ZWST, wurde Joffe zitiert. Der Zwist zwischen der Synagogengemeinde rund um Ud Joffe und der Jüdischen Gemeinde um Evgeni Kutikow gipfelte zuletzt im Austritt der Jüdischen Gemeinde aus dem Landesverband West, dem beide Gemeinden angehörten.

Ud Joffe »muss seine Maximalforderungen« zurückschrauben.

ZWST-Präsident Abraham Lehrer

Auf diesen Zwist könne er nur mit Unverständnis reagieren, sagte Zentralratspräsident Schuster. Es falle ihm aus der Distanz schon länger »schwer, die Vorgänge in Potsdam nachzuvollziehen«. Joffe müsse, so pflichtete Abraham Lehrer Schuster bei, »seine Maximalforderungen ein bisschen zurückschrauben und eine Kompromissbereitschaft finden«. Gleichwohl sei der Synagogengemeindevorsitzende »herzlich eingeladen, mit seiner Gemeinde in der Synagoge Gottesdienste zu feiern«.

Der fehlende Konsens zwischen den beiden jüdischen Landesverbänden, dem Jüdischen Landesverband West und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden Land Brandenburg habe auch zur jetzigen Entscheidung geführt, erklärte Ministerin Schüle: Als klar wurde, dass keine Einigkeit unter den Gemeinden zu erzielen sei, habe man dennoch dem Wunsch vieler Jüdinnen und Juden nach einem Synagogenbau Rechnung tragen wollen. Insbesondere viele ältere Gemeindemitglieder würden sich »nach langem Warten danach sehnen, die Fertigstellung ihrer Synagoge erleben zu können«, so Schüle.

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