Als Gert Rosenthal hörte, dass die Synagoge »Lev Tov« nach Spendern für eine Torarolle sucht, war er sofort Feuer und Flamme. »Ich bin zwar kein Mitglied, aber ich sympathisiere mit der Synagoge«, sagt er. Zusammen mit seiner Mutter Traudl schenkte er eine Sefer Tora in Erinnerung an seinen Vater, den Journalisten und Showmaster Hans Rosenthal. Nicht nur sie stifteten eine Torarolle, auch Michael und Gudrun Herzog und ebenso Mario Friedman. Am Sonntag wurden die drei Sifrei Tora in der Synagoge willkommen geheißen. Sie stammen aus Israel, und es handelt sich um gebrauchte Rollen. Somit verfügt die Synagoge nun über vier.
Rhythmen »Ich war noch nie bei so einer Prozedur dabei«, sagt Gert Rosenthal. Es sei ein tolles Gefühl gewesen, mitmachen zu können. Durch die Straßen um den Savignyplatz tragen er und die anderen Beter die Torarollen unter blau-weißen Chuppot zur Synagoge. Rabbiner Chaim Rozwaski kommt dem bunten Zug entgegen und bläst ins Schofar, dann spielen Musiker aus Boris Rosenthals Band osteuropäische Rhythmen. Die Stimmung wird immer euphorischer. Etwa 30 Menschen begleiten den Umzug. »Eine neue Tora in der Synagoge willkommen zu heißen, ist ein ganz besonderes Privileg«, sagt Rozwaski. Es sei etwas sehr Besonderes für jene, die mit der Gelegenheit gesegnet seien, die Tora der Synagoge zu schenken, und es sei ein Segen für die Synagoge, eine Rolle zu empfangen, so der 75-Jährige.
»Die Berliner Einheitsgemeinde wünscht ›Lev Tov‹ und ihrer Betergemeinschaft ein religiös lebendiges und harmonisches Miteinander«, meint Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Im Info-Radio sprach sie am Sonntag von »gewissen Schwierigkeiten«, die die Ge-meinde mit dem Rabbiner habe. Sie wünsche ihnen alles Gute dieser Welt, aber sie dürfen es gerne separat machen. Gabbai Siggi Jarosch meinte hingegen, dass »Lev Tov« mit der Einheitsgemeinde anbändeln möchte und sie bemüht seien, »uns unter den Schirm der Einheitsgemeinde zu stellen«.
Gesetzestafeln »›Lev Tov‹ ist mit Mitgliedern gesegnet, die unsere Verbindung zum Judentum und zu Gott sowie ihre eigenen Familienverbindungen mit unserer Synagoge durch das Stiften der Torarollen stärken«, sagt Rabbiner Rozwaski. Hier sei jede Stimme und Tat von Bedeutung, ergänzt Jarosch, »das wird von allen Altersgruppen verstanden«. Rozwaski, der früher in der nahe gelegenen liberalen Gemeindesynagoge Pestalozzistraße amtierte, meint, es sei »ein Wunder, mit einem Mal gleich drei Torarollen zu empfangen«. Er erinnert an Schawuot und die Gesetzestafeln am Sinai, erklärt den Wochenabschnitt Truma vom Segen des freiwilligen Spendens und ermuntert ausdrücklich, »weiter zu lernen und zu geben«. Spender Mario Friedman, der vor 30 Jahren aus Chile nach Berlin kam und Galerist ist, sagt, dass »Lev Tov« eine »lebendige, sich selbst generierende Gemeinschaft ist, in die sich alle gern einbringen«. Auch andere Synagogen würden gut funktionieren, doch vermisse er dort eine vergleichbare Dynamik von Geben und Nehmen.
Ausstattung Rund 250 Familien beteiligen sich derzeit an den Veranstaltungen von »Lev Tov«, heißt es in der Synagogengemeinde. Die Räume im Erdgeschoss eines Wohnhauses an der Grolmanstraße seien jetzt schon zu klein. Bisher finanziere sich die Gemeinschaft nur aus Spenden ihrer Anhänger, die wiederum aus unterschiedlichen Ländern kommen. Bei »Lev Tov« geben sich nicht nur Alteingessene, Israelis und russischsprachige Zuwanderer die Klinke in die Hand, sondern auch Beter aus Belgien, Frankreich und Chile. »Andere werden hinzukommen«, ist sich Rozwaski sicher, »denn unsere Türen sind offen für alle.« Obwohl eine langfristige Budgetplanung nicht möglich ist und es teilweise noch an einer grundlegenden Ausstattung – wie einer ausreichenden Zahl von Tallitot und Siddurim – mangelt, hat »Lev Tov« sein Angebotsspektrum in letzter Zeit deutlich erweitert. Neben regelmäßigen Schabbat- und Dienstags-Gottesdiensten gibt es inzwischen auch Talmud-Tora-Unterricht für die Kinder, Schiurim zu Religion, Tradition, Ethik und Feiertagen, Musikausbildung und koschere Armenspei- sung für Bedürftige. »Mit Gottes Hilfe wird bald auch ein eigenes Programm für Jugendliche entstehen«, sagt Rozwaski.
Kraftvoll Lob gibt es am Sonntag auch für die Rebbezin Roberta und andere Helferinnen von »Lev Tov«, ohne die, so Gabbai Jarosch, »unser Haus viel weniger an Wärme und Jüdischkeit besäße«. Derweil sind die neuen Torarollen in den modern gestalteten Aron ha-Kodesch aus hellem Holz eingehoben, und Chasan Marcel Abehsira stimmt kraftvoll das »Adon Olam« und die »Hatikwa« an. Gitarrist Alex Schwarz und Klarinettist Leo Ellenzweig eröffnen mit temperamentvoller Musik einen Abend voller Kulinarien, Gesänge und Gespräche. Gert Rosenthal war überrascht von der schönen Feier. Sein Vater sei kein großer Synagogenbesucher gewesen, »meistens ging er in die Synagoge Pestalozzistraße oder in die Fasanenstraße«. Traudl Rosenthal, die an diesem Tag nicht in Berlin war, hörte den Bericht ihres Sohnes – und war glücklich.