Eine digitale Rekonstruktion der von den Nationalsozialisten zerstörten Großen Synagoge von Erfurt wird Teil des deutschen Beitrags für die digitale europäische Kulturkampagne »Twin it!«. »Die virtuelle Rekonstruktion macht die Vergangenheit zu einem Teil unserer Gegenwart«, sagte die Leiterin des Erinnerungsorts Topf & Söhne, Annegret Schüle, der Deutschen Presse-Agentur.
Auf diese Weise entstehe ein Bewusstsein für den kulturellen Reichtum jüdischen Lebens – und ein kritisches Geschichtsbewusstsein dafür, was durch den Nationalsozialismus in Deutschland alles zerstört worden sei.
Gleichzeitig werde so deutlich, welche Gefahren vom wiedererstarkenden Rechtsextremismus und Antisemitismus ausgingen, sagte Schüle. Der Erinnerungsort »Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz« war einer der Projektpartner, die die Rekonstruktion der Großen Synagoge von Erfurt umgesetzt haben.
Öffentliche Vorstellung
Der deutsche Beitrag für die Kulturkampagne besteht nach Schüles Angaben aus zwei Teilen: Neben der Erfurter Rekonstruktion der Großen Synagoge werde die digitale Rekonstruktion der Synagoge am Michelsberg in Wiesbaden Teil von »Twin it!«. Wie die Thüringer Synagoge war auch dieses Gotteshaus in der Pogromnacht im Jahr 1938 zerstört worden.
Die Macher des Projektes seien stolz, dass auf diese Weise die Erfurter Synagoge »als Mittelpunkt einer bedeutenden, im Nationalsozialismus zerstörten jüdischen Gemeinde nun als kulturelles Erbe in Europa wieder sichtbar wird«, sagte Schüle.
Bei »Twin it!« handelt es sich nach Angaben der Europäischen Union um eine Kampagne, bei der alle 27 Mitgliedsstaaten aufgefordert worden sind, mindestens ein in 3D digitalisiertes Kulturerbe zur Verfügung zu stellen, das Teil eines europäischen Datenraums werden soll. Die so entstehende 3D-Sammlung soll in den nächsten Tagen in Brüssel öffentlich vorgestellt werden. Die entsprechenden Daten der Rekonstruktionen wurden inzwischen an das europäische Kulturportal »Europeana« weitergegeben.
Virtuelle Wiederauferstehung
Die Rekonstruktion der Großen Synagoge in Erfurt ist ein Gemeinschaftsprojekt, an dem neben dem Erinnerungsort Topf & Söhne auch Wissenschaftler der Fachhochschule Erfurt, der Universität Erfurt und der Universität Jena beziehungsweise der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek beteiligt waren.
Zwischen 2020 und 2022 hatten sie Synagoge gemeinsam mit der Jüdischen Landesgemeinde virtuell wiederauferstehen lassen. Das Projekt war auch im Rahmen des Themenjahrs »Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen« von der Staatskanzlei bezuschusst worden.