Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Digitalisierung ein Thema ist, das alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft. Auch die jüdischen Gemeinden in Deutschland hat das Virus vor ganze neue Herausforderungen gestellt: Eine effizientere Kommunikation mit den Mitgliedern musste schnell her, Gottesdienste teilweise ins Digitale verlegt werden. Viele Gemeinden meisterten diesen Umbruch, aber wie im ganzen Land zeigten sich auch hier einige Defizite in Sachen Digitalisierung.
Um diese aufzuholen, hat die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) die Führungskräfte der jüdischen Gemeinden am 15. und 16. Dezember zu einem »Digitalfachtag« mit dem Titel »Laptops, WLAN, Zoom – Was sind die nächsten Schritte?« eingeladen. Den Zweck der Veranstaltung legte Ira Rosensaft von der ZWST in ihrem einführenden Vortrag dar: »Es gibt keine Patentlösung für die Digitalisierung, deswegen ist der Austausch und das Voneinander-und-miteinander-Lernen so wichtig.«
ZOOM Mit der Tagung, die ausschließlich online stattfand, setzte die ZWST dann auch gleich Maßstäbe und stellte eine technisch raffinierte Zoom-Konferenz mit ausgewiesenen Experten im Feld der Digitalisierung auf die Beine.
Am ersten Tag hielt Julian Löhe, Professor für Organisation und Management in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Münster, einen Vortrag und ließ keinen Zweifel daran, dass Innovationen im Bereich des Digitalen nicht nur für eine Transformation der Privatwirtschaft sorgen, sondern auch für die Zukunft von sozialen Organisationen von zentraler Bedeutung sind. Wie die Erkenntnisse aus der Wissenschaft auf die Situation der jüdischen Gemeinden zu übertragen seien, wurde in einer Workshop-Phase ausgelotet.
Die zentrale Frage ist: Was will ich mit digitalen Mitteln erreichen?
In dem Workshop von Aron Schuster, Direktor der ZWST, verständigten sich die Teilnehmenden darüber, wo die größten Hürden für eine digitale Transformation in ihren jeweiligen Gemeinden liegen. Schnell wurde klar: Die Voraussetzungen an den verschiedenen Standorten könnten unterschiedlicher nicht sein.
Gerade kleine Gemeinden kämpfen mit dem Problem begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen, um eine Neuorganisation ihrer Prozesse zu stemmen.
ERFOLG Eine Erfolgsgeschichte brachte dagegen Henryk Fridman aus Offenbach mit: In Hessen sei es gelungen, eine Kooperation zwischen einigen Einzelgemeinden und dem Landesverband zu initiieren; das habe Geld und Zeit gespart. In einem weiteren Workshop von Laura Cazés, der Leiterin der Abteilung Kommunikation und Digitalisierung der ZWST, wurden die Strategien zur Umsetzung von Digitalisierung weiter vertieft.
Doch was bedeutet Digitalisierung – ein Begriff, der oft sehr beliebig benutzt wird – im Kontext der Arbeit in den jüdischen Gemeinden eigentlich? Drei Ebenen standen auf der Tagung im Fokus: die Digitalisierung der inneren Verwaltung der Gemeinden, die Kommunikation mit den Mitgliedern sowie diejenige zwischen ihnen.
In ihrem Workshop prägte Ira Rosensaft vom ZWST den Teilnehmenden ein, dass man sich stets bewusst sein sollte, was genau man mit digitalen Mitteln erreichen will. Oft habe sie erlebt, dass aus Gemeinden Impulse zur Digitalisierung kamen, die aber wenig zielgerichtet und damit auch sehr anfällig für Enttäuschung waren. Digitalisierung sei eben kein Selbstzweck, so Rosensaft; Sinn mache sie nur dort, wo sie erstens umsetzbar ist und zweitens auch langfristig Arbeit erspart. Ihr Motto daher: »Klein anfangen! Dranbleiben!«
Am zweiten Tag der Konferenz wurde die Frage nach der praktischen Umsetzung von Digitalisierung in den Blick genommen.
Ira Rosensaft ist die Leiterin der ZWST-Digitalisierungsinitiative »Mabat«, die seit zwei Jahren läuft und auch mit Geldern des Bundesfamilienministeriums finanziert wird. »Mabat« ist Hebräisch für »Blick« und soll den Anspruch, die jüdischen Gemeinden in Deutschland zukunftsfest zu machen, versinnbildlichen.
Neben Veranstaltungen wie dem Digitalfachtag, die zur Weiterbildung von Funktionsträgern der jüdischen Gemeinschaft dienen, ist auch ein Fonds Teil der Initiative, mit dem Digitalisierungsprojekte von Gemeinden mit bis zu 15.000 Euro gefördert werden können. Um die Entwicklung entsprechender Ideen anzuregen, wurde außerdem ein Innovationswettbewerb ausgerufen.
Den Impetus, von dem auch Mabat angetrieben wird, formulierte Aron Schuster in einem Redebeitrag auf der Digitaltagung folgendermaßen: »Digitale Transformation kann nur dann gelingen, wenn sie in der Breite der Gesellschaft angenommen wird, vor allem aber auch, wenn sie vulnerable Zielgruppen nicht weiter benachteiligt, sondern Möglichkeiten, Zugänge und Teilhabe schafft.«
PROBLEME Am zweiten Tag der Konferenz wurde vor allem die Frage nach der praktischen Umsetzung von Digitalisierung in den Blick genommen. Eine große Bedeutung kam dabei dem Austausch der Teilnehmer untereinander zu, die als Repräsentanten von Gemeinden und Landesverbänden aus ganz Deutschland online zugeschaltet waren.
Die digitale Transformation in den Gemeinden wird gelingen.
An einigen Standorten konnten bereits Lösungen für Probleme gefunden werden, die woanders noch bestanden. So kam der Wunsch auf, all das, was die ZWST als auch die Einzelgemeinden bereits erprobt und erarbeitet haben, in einer Handreichung oder einem Wiki zusammenzufassen und allen jüdischen Gemeinden zur Anregung und Anleitung zur Verfügung zu stellen. Das sei eine Aufgabe, die Ira Rosensaft und ihre Kollegin Laura Cazés für ihre tägliche Arbeit mitnehmen wollen.
Dass die digitale Transformation in den jüdischen Gemeinden gelingen wird, daran zweifeln die beiden nicht. Schließlich hätten diese sich auch »in der Vergangenheit immer wieder neu erfinden müssen« und damit »ihre Veränderungsfähigkeit unter Beweis gestellt«.